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Das Bundestagsgebäude, ein Haus mit vielen Türen - jedenfalls für Lobbyisten.

© REUTERS

Zugang zum Bundestag: Schafft die Dauerausweise für Lobbyisten ab!

Das Parlament sollte endlich damit aufhören, Dauerkarten an Wirtschaftsvertreter zu verteilen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Wenn Bundestagsabgeordnete eigene Angelegenheiten regeln, kennzeichnet ihr Vorgehen, siehe Diätendiskussionen, zuweilen Unempfindlichkeit. Erwiesen haben sich solche sensorischen Verluste auch im Umgang mit Lobbyisten. Nur so ist zu erklären, wie Firmenvertretern fernab jeder Öffentlichkeit eine Hintertür zum Parlament eröffnet worden war, die ihnen den Weg zur politischen Kontaktpflege erleichterte. Die Regeln zur Erlangung so genannter Hausausweise waren so unbekannt wie jene Wirtschaftslobbyisten, die sie auf Wunsch der Abgeordneten bekamen.

Erst Gerichte holten die peinliche Praxis ans Licht, nachdem der Tagesspiegel eine Auskunftsklage erhoben hatte. In der SPD zeigte man sich alsbald einsichtig, die Union bockte bis zuletzt. Nun soll sich etwas ändern. In diesen Tagen erwarten die Fraktionen erste Vorschläge der Bundestagsverwaltung, die das Prozedere künftig allein übernehmen soll. Die Abgeordneten, heißt es, möchten sich künftig lieber heraushalten.

Das klingt besser, als es ist. Denn heraushalten wollen sich die Mandatsträger der Koalition nur zu ihren Bedingungen, und die lauten: Die Gesandten der Konzerne sollen Zutritt haben wie bisher. Wahrscheinlich ist deshalb eine Lösung, bei der die vom Bundestag geführte offizielle Liste mit Verbandsvertretern um Vertreter von Wirtschaft, Gewerkschaften, Kirchen und anderen Interessengruppen erweitert wird. Die dort Eingeschriebenen können dann die begehrten Dauerkarten beantragen.

Was wäre daran so schlimm? Im Prinzip nichts. Der weit überwiegenden Zahl der professionellen Händeschüttler und Einflüsterer haftet das Igitt-Image zu unrecht an. Politik braucht Beratung. Lobbyisten sind nicht nur Interessen-, sie sind auch Wirklichkeitsvermittler. Zudem wird ihre Macht überschätzt. Kein Druck auf Abgeordnete ist so hoch wie der, erneut gewählt zu werden. Im heimischen Wahlkreis aber verliert sich der Einfluss der Berliner Strippenzieher.

Es geht um etwas anderes. Abgeordnete, so steht es im Grundgesetz, sind Vertreter des ganzen (!) Volkes. Eine Formulierung, um die seinerzeit gerungen wurde. Mancher hielt sie für lebensfremd, weil Abgeordnete immer nur Teile vertreten könnten, seien es Teile der Wähler oder Teile von Interessen. Aber es geht ums Ganze. Der Abgeordnete, den nur ein Teil der Wähler gewählt, den ein Teil der Wirtschaft unterstützt, den ein Teil der Bevölkerung beklatscht hat, mit seinem Einzug ins Parlament hat er jede, jeden und alles in Gesamtheit zu repräsentieren.

Einem solchen Bild des Mandats widerspricht es, erwählten Kreisen einen bevorzugten Zugang zu gewähren. Schon gar nicht Deutschlands Konzernen, die sich mit ihren Millionen problemlos Anteile an der politische Willensbildung erkaufen können – offen und transparent. Früher nannte man das übrigens Werbung.

Die Koalition vertut eine Chance. Die Abkehr vom Dauerausweissystem für Auserwählte wäre eine Hinwendung zu den Bürgern. Die Abgeordneten entscheiden dann im Einzelfall, wen sie an sich heranlassen. Das wäre Demokratie, wie sie auch Unempfindliche erspüren könnten.

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