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Zur Debatte um Netzneutralität: „Irgendwann verstopfen die Netze“

In den USA will die Netzagentur Firmen ermöglichen, ihre Inhalte schneller zu den Nutzern zu schicken - für mehr Geld. Kritiker fürchten einen Eingriff in die Netzneutralität. Doch dieses Ideal gibt es in der Realität sowieso nicht, meint Bert Van Roosebeke vom Zentrum für Europäische Politik in Freiburg.

Die US-Netzagentur plant eine Neuregelung der Netzneutralität, bei der Dienste und Provider Verträge abschließen können. Gibt es Parallelen zur Debatte in Europa und Deutschland?

Auf jeden Fall. Nur dass die amerikanische Lösung etwas innovationsfreundlicher wäre. In Europa haben wir derzeit eine völlig ungeklärte Situation. Das Europaparlament hat eine Regelung verabschiedet, von der die meisten selbst nicht wissen, was sie nun genau bedeutet. Auch dort soll es Sonderregelungen für Spezialdienste geben, aber das Parlament will die Hürden dafür so hoch wie möglich legen. Da ist die Rede von ,logisch getrennten Kapazitäten’, nur ist nicht definiert, was das heißt. Eine zweite Leitung? Das wäre viel zu teuer und würde jede Innovation im Keim ersticken.

Gibt es Netzneutralität überhaupt?

Netzneutralität bedeutet im Prinzip absolute Blindheit. Alle Daten werden gleich behandelt. Nur ist das eine Idealvorstellung, die es so gar nicht gibt. Schon heute gibt es Stoßzeiten im Netz – meistens zwischen 17 und 22 Uhr –, in denen Daten nicht mehr neutral behandelt werden, weil sonst das Netz zusammenbrechen würde. Da wird ein Youtube-Video bevorzugt, weil es sonst ruckeln würde, dafür kommt eine Mail mit großem Anhang vielleicht ein paar Sekunden später an.

Sind die Vorschläge in den USA dann überhaupt eine so große Revolution?

Im Prinzip nicht. Denn sie sind eher nachholende Entwicklung. Netflix zum Beispiel macht in den USA den größten Anteil am Datenverkehr aus und schon heute schließt Netflix Verträge mit Providern ab, um die Videos schnell an den Kunden zu bringen. Mit der Regelung würde diese Praxis dann legalisiert. Was aber neu wäre, wäre der ausformulierte Anspruch auf eine Basisversorgung – wie weit auch immer die gehen mag.

In Deutschland hatten wir die Debatte um die Telekom – war „Drosselcom“ ein Angriff auf die Netzneutralität?

Die Deutsche Telekom wollte von den Flatrates abweichen und Datenobergrenzen einführen. Unterhalb dieser Obergrenze war die Netzneutralität gegeben. Interessanter ist die Praxis der Internetanbieter, Daten von bestimmten Anwendungen nicht auf vertragliche Datenobergrenzen anzurechnen. Das ist ein klares Abweichen der Netzneutralität, ist aber meines Erachtens unproblematisch.

Brauchen wir strengere Regeln? In Europa nicht. Hier gibt es schon unter den Providern viel Wettbewerb. Aber Fakt ist: Der Datenverkehr wächst und es besteht das Risiko, dass die Netze irgendwann verstopft sind. Dass die Netzneutralität dazu beiträgt, will keiner hören.

Bert Van Roosebeke ist Fachbereichsleiter am Centrum für Europäische Politik (cep) in Freiburg. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Telekommunikation und Finanzdienstleistungen.

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