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Mangelberuf. Die Pflegebranche sucht händeringend Mitarbeiter. Auch Flüchtlinge werden hier ausgebildet.

© dpa/picture alliance /Hendrik Schmidt

Einwanderungsgesetz: Grüne wollen "Talentkarte" für qualifizierte Ausländer

Nach der SPD haben auch die Grünen ein Einwanderungsgesetz vorgelegt. Mit den den Sozialdemokraten und der FDP gibt es Schnittmengen. Aus der Union kommt Skepsis.

Ein modernes Einwanderungsland braucht ein ebensolches Einwanderungsgesetz – sagen die Grünen. „Und dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, daran gibt es wohl keinen Zweifel mehr“, sagte die Parteivorsitzende, Katrin Göring-Eckardt, am Dienstag in Berlin. Deutschland habe einen wachsenden Bedarf an Arbeitskräften, den es im Inland nicht decken könne. Nach der SPD haben die Grünen daher nun einen Entwurf für ein Einwanderungsgesetz vorgelegt. Das Leitmotiv dahinter: „Einwanderung wird nicht als Problem gesehen, sondern ist erwünscht und muss aktiv gestaltet werden“, erläuterte Mitverfasser Volker Beck. Entsprechend solle das geltende Aufenthaltsrecht in „Gesetz zur Förderung der Einwanderung und der Integration von Ausländern, kurz Einwanderungsgesetz“ umbenannt werden.

Konkret zielt der Entwurf darauf ab, Zuwanderung deutlich zu erleichtern und Hürden bei der Integration und Einbürgerung von Einwanderern abzubauen. Qualifizierte Ausländer sollen über eine sogenannte Talentkarte die Möglichkeit erhalten, auch ohne ein konkretes Arbeitsplatzangebot nach Deutschland zu kommen. Ein Jahr lang sollen sie eine Anstellung suchen dürfen, Anspruch auf soziale Unterstützung hätten sie in der Zeit nicht. Die Grünen nennen dies eine angebotsorientierte Zuwanderung. „Damit kommen wir den Bedürfnissen mittelständischer und kleiner Unternehmen entgegen, die keine eigenen Rekrutierungsbüros im Ausland betreiben können“, erläuterte Göring-Eckardt.

Vorbild Kanada

Grundlage für die Talentkarte ist ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild. Eine Kommission soll dafür jährlich Kontingente für bestimmte Berufsgruppen und Qualifikationen festlegen.

Die sogenannte Vorrangprüfung soll für qualifizierte Bewerber grundsätzlich abgeschafft werden. Vor einer Einstellung müsste dann nicht mehr geprüft werden, ob es auch geeignete deutsche Bewerber für eine Stelle gibt. Aus Sicht der Grünen-Politiker wäre dies ein entscheidender Schritt zur Entbürokratisierung von Einstellungsverfahren, „eine große Erleichterung für Unternehmen“, wie Göring-Eckardt sagte.

Die Pläne gehen in eine ähnliche Richtung wie die der SPD. Sie hatte Ende vergangenen Jahres ebenfalls ein Einwanderungsgesetz vorgeschlagen, das sich am kanadischen Punktesystem orientiert. In einigen Punkten geht der Grünen-Entwurf aber deutlich über die Vorschläge der Sozialdemokraten hinaus. So wollen die Grünen auch einen sogenannten Spurwechsel vom Asyl- ins Einwanderungsverfahren erlauben, wenn Asylbewerber entsprechende Qualifíkationen vorweisen können. Außerdem sollen Unternehmen auch Ausbildungsplätze an Zuwanderer vergeben können, ausländischen Studienabsolventen soll es leichter gemacht werden, in Deutschland zu bleiben.

Um die Integration von Zuwanderern zu beschleunigen, plädieren die Grünen dafür, erfolgreichen Einwanderern schneller ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht zu gewähren und die Wartezeit für eine Einbürgerung von acht auf fünf Jahre zu verkürzen. Ihren alten Pass sollen Zuwanderer behalten dürfen, ihre in Deutschland geborenen Kinder grundsätzlich die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten. Familienangehörige sollen sofort und auch ohne deutsche Sprachkenntnisse nachkommen dürfen.

Schnittmengen mit SPD und FDP

In welcher Koalition sie nach der kommenden Bundestagswahl die größten Chancen sieht, den Gesetzesvorschlag durchzusetzen, wollte Göring-Eckardt nicht sagen. Schnittmengen gebe es sicher mit der SPD, sagte sie, aber auch in Teilen der CDU sei eine Zustimmung vorstellbar.

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union, Stephan Harbarth, zeigte in einer ersten Reaktion allerdings wenig Verständnis für die grüne Willkommenskultur. „Ein Modell, das Zuwanderung ohne Arbeit, ohne Qualifikation und im Kern auch für abgelehnte Asylbewerber ermöglicht, lehnt die Union strikt ab“, sagte Harbarth dem Tagesspiegel. Seiner Ansicht nach hat Deutschland schon jetzt liberale Zuwanderungsregelungen. Und es hat die EU. „Der deutsche Arbeitsmarkt steht über 400 Millionen Europäern offen. Warum sollten sich Arbeitskräfte in Drittstaaten leichter finden lassen als in den Mitgliedsstaaten der EU, die uns in vielfacher Hinsicht viel näher stehen?“

Am ehesten wäre ein Zuwanderungsgesetz wohl in einer Ampel-Koalition zu verwirklichen. Im Tagesspiegel-Interview hatte FDP-Chef Christian Lindner vor wenigen Tagen gesagt: „Es muss leichter möglich sein, mit einem guten Bildungsabschluss nach Deutschland zu kommen und sich hier im Arbeitsmarkt zu etablieren.“ Bei den Grünen vermisst er allerdings eine klare Abgrenzung zwischen Zuwanderung und Asylrecht. „Hierzu geben die Grünen keine ausreichenden Antworten“, so Lindner am Dienstag.

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