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Das Kraftwerk Neckarwestheim I wird stillgelegt.

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In CDU und SPD: Zweifel an Rechtmäßigkeit der Atomentscheidung

Acht Meiler gehen zunächst vom Netz - ist das rechtlich wasserdicht oder muss das Parlament eingeschaltet werden? Dies prüft der Bundestag. Auch die Opposition hat Zweifel am Vorgehen der Regierung.

Die dreimonatige Abschaltung der ältesten deutschen Atomkraftwerke und des Pannenreaktors Krümmel hat einen Rechtsstreit in Deutschland ausgelöst. Bundestagspräsident Norbert Lammert zog in Zweifel, ob die Bundesregierung dies ohne Parlamentsbeschluss umsetzen kann. "Ich lasse prüfen, ob es dazu weiterer korrigierender gesetzlicher Regelungen bedarf", sagte der CDU-Politiker. Auch die Opposition kritisiert das Vorgehen der schwarz-gelben Regierung.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Dienstag ein dreimonatiges Moratorium angekündigt. In dieser Zeit sollen acht deutsche Atomkraftwerke stillstehen. Die Regierung verweist auf Paragraph 19 im Atomgesetz, der regelt, dass AKW in Notsituationen stillgelegt werden können. Weil nach Expertenmeinung keine Gefahr droht, könnten die Energiekonzerne Schadenersatz für Einnahmeausfälle verlangen.

SPD-Chef Sigmar Gabriel vermutet deshalb "einen zweiten Deal mit der Atomwirtschaft". SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier fordert ein neues Gesetz. "Wer die Laufzeiten per Gesetz verlängert, muss sie auch verkürzen", sagte er der "Passauer Neuen Presse". "Merkel operiert damit außerhalb der Verfassung", meinte SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann. Ein Gesetz könne der Bundestag schon in der nächsten Woche beschließen.

Die FDP hält das vorübergehende Abschalten hingegen für rechtlich zulässig. "Wir haben keinen Hinweis darauf, dass es irgendeinen rechtlichen Zweifel daran gibt", sagte FDP-Chef Guido Westerwelle dem Sender MDR Info. Die FDP-Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger sagte der ARD, der Staat müsse mögliche Mindereinnahmen aus der Brennelementesteuer durch den Stillstand der Reaktoren hinnehmen. Die Unionsfraktion hatte den Entschließungsantrag zu den Regierungsplänen am Dienstag trotz skeptischer Stimmen einstimmig gebilligt.

Die Koalition hatte im Herbst 2010 längere Laufzeiten von durchschnittlich 12 Jahren beschlossen. Dies ist faktisch erst einmal ausgesetzt. Bis 15. Juni soll die Sicherheit aller Meiler überprüft werden. Vorübergehend abschaltet werden das AKW Neckarwestheim I, Philippsburg I (Baden-Württemberg), Biblis A und B (Hessen), Isar I (Bayern), Unterweser (Niedersachsen) und das ohnehin stillstehende AKW Brunsbüttel (Schleswig-Holstein). Auch das nach Pannen abgeschaltete AKW Krümmel in Schleswig-Holstein bleibt vom Netz. Einige Meiler davon sollen für immer abgeschaltet bleiben.

Röttgen will deutsche Akw so bald wie möglich abschalten

Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) will die deutschen Atommeiler so bald wie möglich abschalten. "Wenn's nach mir ginge, müssten wir schneller als beschlossen aus der Kernenergie aussteigen", sagte der CDU-Vize dem Magazin "Stern". Er rechnet aber mit einer weiteren Nutzung von bis zu eineinhalb Jahrzehnten. Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) sagte im Landtag in Hannover: "Die Kernenergie hat jetzt erst recht keine wirkliche Zukunft mehr."

Die Industrie will an der Kernenergie festhalten. Die Industrie brauche einen breiten Mix unterschiedlicher Träger, sagte BDI-Präsident Hans-Peter Keitel der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Er reagierte zwar mit Verständnis auf die Atombeschlüsse der Regierung, wünschte sich aber eine schnelle Rückkehr zum Normalzustand.

Röttgen wollte dem Bundestags-Umweltausschuss das weitere Vorgehen erläutern. Der CDU-Vize riet den Energiekonzernen zur Zusammenarbeit. "Laufzeiten regelt der Gesetzgeber", sagte er dem "Stern". Die geplante Abschaltung der sieben älteren Meiler und des AKW Krümmel bis Mitte Juni kostet die Konzerne nach Berechnung des Bremer Wirtschaftsprofessors Wolfgang Pfaffenberger für "Spiegel Online" mehr als eine halbe Milliarde Euro Umsatz.

Göppel geht von dauerhafter Stilllegung aus

Der Unions-Obmann im Umweltausschuss, Josef Göppel (CSU), geht davon aus, dass die sieben ältesten Atomkraftwerke und der Meiler Krümmel für immer stillgelegt werden. "Ich bin überzeugt, dass es dauerhaft ist", sagte er.

Trotz der Atomkatastrophe in Japan hält eine große Mehrheit der Bundesbürger die Atomkraft für unverzichtbar. 71 Prozent gaben dies in einer Forsa-Umfrage für das Magazin "Stern" an. Allerdings seien es 10 Prozent weniger als 2010. (dpa)

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