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Griechenlands Premier Alexis Tsipras will eine schnelle Einigung - und möglicherweise Neuwahlen

© AFP/ LOUISA GOULIAMAKI

Zwischen Parlamentsabstimmung und Eurogruppe: Griechenland legt vor - Deutschland bremst

Das Parlament in Athen stimmt am Donnerstag über den Gesetzentwurf ab. Für Alexis Tsipras drängt die Zeit. Angela Merkel dagegen zögert. Am Freitag beim Eurogruppentreffen in Brüssel soll eine Einigung gefunden werden.

Wer in Athen in diesen Tagen einem Abgeordneten begegnet, in einem Café zum Beispiel oder im Park, tief gebeugt über einen dicken Papierstapel – der sollte ihn am besten in Ruhe weiterlesen lassen. 353 Seiten hat das Dokument, über das das griechische Parlament Donnerstagnacht abstimmen soll. Zum Studieren der vielen Gesetzestexte – Modellrechnungen und Maßnahmen, auf die sich die Regierung von Alexis Tsipras mit den internationalen Geldgebern geeinigt hat – bleibt nicht mehr viel Zeit.

Die Meinungen über den Entwurf eines dreijährigen Kreditprogramms (offizielle Bezeichnung „Memorandum of Understanding“) gehen dabei weit auseinander. Vereinbart wurde es Dienstagfrüh nach intensiven Verhandlungen zwischen den Vertretern der Europäischen Zentralbank, der EU-Kommission, dem Internationalen Währungsfonds und den Unterhändlern der griechischen Regierung unter Leitung des Finanzministers Euklid Tsakalotos. Die sogenannte „Linke Plattform“, die vom ehemaligen Energieminister Panagiotis Lafazanis angeführt wird, lehnt es als „Guillotine“ und „Schlinge um den Hals der Griechen“ ab. Viele Beobachter erwarten, dass sich der linke Flügel vom Rest der Partei abspalten wird, wenn diese bei ihrem Kurs bleibt. Möglicherweise könnte dies sogar schon Ende der Woche geschehen, sollte Tsipras nach der Parlamentsabstimmung Donnerstagnacht tatsächlich Neuwahlen ausrufen und nicht den bisher geplanten Syriza-Parteikongress im September abwarten.

Von anderer Seite aber gibt es auch Lob für den Kompromiss und die griechische Regierung, die sich an Reformen heranwage, die bereits ihre konservativen Vorgänger hätten umsetzen sollen, das aber immer wieder aufschoben. Dazu gehört beispielsweise die Liberalisierung des Gasmarktes, die Öffnung vieler Berufsgruppen und die Besteuerung von Reedern. „Die jetzige Regierung hat unzählige Strukturreformen akzeptiert, bei deren Umsetzung vorherige Administrationen versagt haben“, sagt auch der griechische Ökonom Manos Giakoumis, Chefanalyst der Wirtschaftswebseite „MacroPolis“. „Dazu hat der Premierminister in zahlreichen Bereichen seine ,roten Linien’ überquert wie zum Beispiel bei Steuern und Renten.“ Auch deutsche Wirtschaftsexperten loben die Einigung: „Das dritte Griechenlandpaket ist die konsequente Umsetzung des Kompromisses vom 13. Juli“, sagt Henrik Enderlein, Wirtschaftsprofessor an der Hertie School of Governance. „Am wichtigsten ist, dass der ,Grexit’ damit erst einmal abgewendet ist. Er hätte allen geschadet.“

Aus Berlin kommt der größte Widerstand

Insgesamt soll die griechische Regierung 85 Milliarden Euro über einen Zeitraum von drei Jahren erhalten, um alte Schulden bei den Geldgebern zu begleichen, die gebeutelten Banken zu rekapitalisieren – aber auch, um der heimischen Wirtschaft mit Investitionen wieder auf die Beine zu helfen. Wirtschaftsexperten warnen davor, dass die Gelder allein wenig helfen werden. „Die griechischen Probleme sind damit nicht gelöst“, sagt Enderlein. „Große Sorgen macht mir die Konjunktur. Das Hickhack der letzten Monate hat die Wirtschaft gelähmt. 2015 wird ein verlorenes Jahr für Griechenland.“ Die Regierung habe in den Verhandlungen zu viel unnötige Zeit verloren.

Die nächste Rückzahlung steht am 20. August an. 3,2 Milliarden Euro müssen dann an die EZB überwiesen werden. Griechenlands Regierungschef gerät beim Ringen um eine schnelle Einigung beim Euro-Gruppen-Treffen am Freitag wieder einmal mit den Deutschen aneinander. Aus Berlin kommt der größte Widerstand gegen eine schnelle Unterschrift. Man prüfe noch und könne erst danach urteilen, ob das Abkommen zustimmungsreif sei. Dabei lasse man sich nicht drängen. Bei ein paar Punkten, wie der Beteiligung des IWF und der Ausgestaltung des Privatisierungsfonds habe man noch Klärungsbedarf. Nur höchst ungern will Kanzlerin Angela Merkel die Abgeordneten aus den Ferien zu einer Sondersitzung nach Berlin beordern, wie für Mittwoch vorläufig angedacht. Merkel würde den Griechen lieber eine weitere Brückenfinanzierung anbieten.

Bisher ist Deutschland mit dieser Position relativ isoliert. Auf EU-Seite gibt es kein Interesse an einem Brückenkredit, der neuen Ärger mit den Nicht-Euro-Staaten bedeutet. Auch für Tsipras wäre eine zeitliche Verzögerung ungünstig, denn für ihn macht es Sinn, mögliche Neuwahlen vor Ende September abhalten. Im Oktober werden den Griechen die ersten schmerzhaften Steuerbescheide ins Haus flattern: erhöhte Immobiliensteuer, Kürzungen für Landwirte. Je stärker die Menschen die Folgen des Memorandums spüren, umso gefährdeter sind die Beliebtheitswerte des Regierungschefs.

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