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Fassungslos historisch. Luisa Wensing (Nummer 22) und Annike Krahn (5) kurz nach der ersten EM-Niederlage seit 20 Jahren.

© dpa

Nach dem 0:1 gegen Norwegen: Bundestrainerin Silvia Neid: "Das war unterirdisch"

Die deutsche Bundestrainerin Silvia Neid reagiert nach dem 0:1 gegen Norwegen zornig. Auf die zweitplatzierten Deutschen wartet im Viertelfinale der Europameisterschaft am Sonntag nun Italien.

Silvia Neid war entrüstet und ziemlich wütend. „Das war unterirdisch. Diese Leistung ist mir ein Rätsel“, giftete die Bundestrainerin schon beim Fernseh-Interview kurz nach der Niederlage. Am Mittwochabend hatten die deutschen Frauen in Kalmar mit dem 0:1 (0:1) gegen Norwegen die erste Niederlage bei einer Fußball-Europameisterschaft nach 20 Jahren bezogen. Die 49-jährige Neid, die an allen bisherigen sieben EM-Titelgewinnen der DFB-Frauen als Spielerin, Co-Trainerin oder zuletzt 2009 erstmals als Bundestrainerin beteiligt war, übte harte, fast grausame Kritik an ihren Spielerinnen.

Dass sie als Gruppenzweite das Viertelfinale erreichten, wo sie nun nach einer Rückkehr nach Växjö am Sonntag auf Italien treffen, war für Neid kein Anlass zur Milde. Die Favoritenstellung als Titelverteidiger sei diese Mannschaft los, meckerte sie. „Wenn ich das Spiel von außen gesehen hätte, dann hätte ich auch gesagt, gegen die kann man gewinnen, vor denen braucht man keine Angst haben.“ Die frühere DFB-Kapitänin, die bei der letzten EM-Niederlage am 3. Juli 1993 in Italien im Spiel um Platz drei gegen Dänemark (1:3) dabei war, listete eine Litanei der Versäumnisse und Schwächen auf.

„Ich habe eine Menge Fragen an die Spielerinnen. Aufrichten müssen sie sich schon selbst“, sagte sie. Gegen die Italienerinnen mit ihren manchmal unsauberen Methoden wie „kleinen Schubsereien und Verbalattacken“ müssten ihre Spielerinnen endlich dagegenhalten. In einem Fazit der Vorrunde, die mit einem enttäuschenden 0:0 gegen Holland begann und nur beim 3:0 gegen Island befriedigend verlief, sagte Neid, dass ihr die historische Dimension der Pleite gleichgültig wäre. „Es ist mir egal, dass die Serie zu Ende ist. Irgendwann geht alles zu Ende.“ Und auch ihre Favoritenrolle bei dieser EM ist ihre Mannschaft nun los.

Die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) verlor vor 10 346 Zuschauern durch einen abgefälschten Treffer in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit, der damit erst die zweite EM-Niederlage der DFB-Frauen überhaupt besiegelte. „Wir hatten Glück, dass wir schon qualifiziert waren. Mit solchen Leistungsschwankungen werden wir in der K.-o.-Runde ausscheiden“, sagte Verteidigerin Saskia Bartusiak.

Silvia Neid musste neben der gelb-gesperrten Jennifer Cramer auch Lena Goeßling ersetzen, die wegen einer Grippe ausfiel. Ins Team rückten Simone Laudehr und Luisa Wensing. Norwegens Coach Even Jostein Pellerud nahm sechs Stammspielerinnen aus seiner Mannschaft. Damit brachte er aber Frische ins Team an einem Tag, an dem es für schwedische Verhältnisse sehr schwül und mit 27 Grad ungewöhnlich warm war. Am Vortag hatte Neid geklagt hatte, ihre Spielerinnen wären „sehr müde“ – vom eng gestrickten Turnierprogramm, aber wie sie allen Ernstes erklärte, auch vom Kofferpacken, von der zweistündigen Busfahrt nach Kalmar sowie von der Akklimatisierung an die Umgebung auf der Ferieninsel Öland. Nun muss die DFB-Crew ungeplant wieder zurück nach Växjö, da nur Gruppensieger Norwegen in Kalmar bleibt.

Zunächst war die deutsche Mannschaft überlegen, doch alle Torchancen wurden vergeben. Zweimal hatte der Ball nach einem weiten Bartusiak-Heber (29.) und einem Wensing-Kopfball (30.) die Latte touchiert. Technische Fehler, mangelnde Präzision bei den Pässen, inkonsequenter Abschluss – dies rächte sich in der Nachspielzeit des ersten Durchgangs. Eine Abwehraktion geriet zu kurz, Ingvild Isaksen schoss von der Strafraum-Ecke, traf den Rücken von Elise Thorsnes und es stand 0:1, weil Torhüterin Nadine Angerer nichts gegen den abgefälschten Ball machen konnte. In der zweiten Halbzeit kam das junge DFB-Team, in dem vor der EM sechs erfahrene Spielerinnen ausgefallen waren, vor lauter Nervosität gar nicht richtig in Schwung. Norwegens erster Sieg nach fünf Niederlagen gegen den Serien-Europameister fand die entrüstete Neid dann völlig in Ordnung.

Gregor Derichs

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