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Gordon Herbert, 53, ist seit dieser Saison Cheftrainer bei Alba; 2004 wurde er mit Frankfurt Meister.

© dapd

Alba-Trainer Herbert: "Coach zu sein, ist fast wie eine Krankheit"

Alba-Trainer Gordon Herbert vor dem Play-off-Spiel gegen Würzburg über die Leidenschaft für seinen Beruf, seine Vergangenheit als Schreihals und seine Pläne mit Alba Berlin.

Herr Herbert, für welche Play-off-Übertragungen aus Nordamerika bleiben Sie nachts zurzeit auf: für Basketball- oder für Eishockeyspiele?

Nachts halten mich nur Niederlagen wach (lacht). Ansonsten schaue ich mir nur Spiele der Vancouver Canucks an. Aber seit die in der ersten Runde rausgeflogen sind, trauere ich. Die Eishockey-Saison ist für mich vorbei.

Sie sind ein großer Eishockey-Fan und kommen aus dem Eishockey-Land Kanada. Wie sind Sie zum Basketball gekommen?

Ich habe Eishockey gespielt, bis ich 15 war. Ich war darin sogar besser als im Basketball. Aber dann bin ich aus Eishockey herausgewachsen, ich war irgendwann zu groß. Große Jungs haben damals eben Basketball gespielt und nicht Eishockey.

Bereuen Sie das?

Nein, irgendwann musste ich mich eben entscheiden. Heute kann ich ein Eishockey-Spiel eher genießen und mich zurücklehnen, beim Basketball analysiere ich zu viel.

In der Sprache der kanadischen Ureinwohner heißt Ihre Heimatstadt Penticton in British Columbia übersetzt „Ein Platz zum Immer-Bleiben.“ Warum sind Sie gegangen?

Penticton ist wirklich schön: zwischen zwei Seen gelegen, rundherum die Berge. Es gibt Strände, im Winter kannst du Skifahren. Im Sommer wurden aus den 35 000 Einwohnern 150 000 – alles Touristen. Aber meine Eltern zogen nach Vancouver, und ich wollte ans College in die USA, um Basketballprofi zu werden.

Vermissen Sie Kanada?

Ich fahre immer noch gerne durch die Rocky Mountains, wenn ich da bin. Aber mein Leben ist jetzt in Europa, ich bin Europäer und mag den Lebensstil hier, mehr als in den USA, wo ich studiert habe. Kanada liegt kulturell dazwischen.

Nach dem College in Idaho gingen Sie nach Finnland, das nicht gerade als Basketball-Nation gilt. Warum?

Kein Team aus der NBA hatte mich verpflichtet, also vermittelte mich mein Agent dorthin. Ich dachte, ich spiele zwei, drei Jahre Profibasketball in Europa, komme dann zurück, studiere Jura und werde Sportanwalt. Ich war ziemlich naiv.

Warum sind Sie dann doch 17 Jahre in Finnland geblieben und haben sogar die Staatsbürgerschaft angenommen?

Als ich ankam, war es September und schon dunkel. Es gab nur zwei Fernsehsender, es war düster und deprimierend am Anfang, manchmal waren es minus 35 Grad. Aber dann habe ich meine Frau kennengelernt und meinen Master-Abschluss in Sportpsychologie in Finnland gemacht. Als dann mit 30 meine Knie nicht mehr mitgemacht haben, habe ich meine Spielerkarriere beendet und bin Coach geworden.

Sprechen Sie Finnisch?

Ja, sogar ziemlich gut. Meine Vorlesungen an der Uni waren auf Finnisch, ich habe auch vier Jahre als Sportlehrer an einer Schule unterrichtet. Trainer war dort nur ein Teilzeitjob, da musste ich die Sprache können.

Warum wollten Sie überhaupt coachen?

Es liegt mir im Blut, es ist fast wie eine Krankheit. Ich brauche den Wettbewerb, gut zu sein und zu gewinnen. Damit aufzuhören wäre schwer. Wir heißen Coaches, aber wir coachen eigentlich nur beim Spiel, den Rest der Zeit lehren wir.

Gordon Herbert über die Schattenseiten des Trainerdaseins

Hat der Beruf auch Schattenseiten?

Naja, wenn mich jemand fragt: Bist du morgen noch hier?, muss ich sagen: Ich habe keine Ahnung. Das ist hart für jede Familie, man weiß nie, wie lange man wo bleibt. Eine Ehefrau will aber wissen, ob man um sechs zu Hause ist – aber das weiß ich vorher nicht. Manche Arbeitstage dauern drei Stunden, andere 18. Das macht den Job aufregend. Die Herausforderung, Lehrer an einer Schule sein, war einfach nicht groß genug für mich.

Nach fünf Jahren in Finnland arbeiteten Sie in Österreich, Deutschland, Frankreich, Georgien, Kanada und Griechenland.

Das war das Beste, was mir passieren konnte, um als Trainer zu wachsen. Man braucht sechs bis neun Jahre, um seine eigene Philosophie zu finden.

Wie sieht Ihre Philosophie aus?

Am Anfang stand die Abwehr für mich an erster Stelle, aber je älter ich werde, desto offensiver lasse ich spielen.

Wieso haben Sie sich dafür entschieden, Psychologie zu studieren?

Ab einem bestimmten Niveau entscheidet die mentale Stärke, wer der bessere Spieler ist. Viele empfinden es als das Eingestehen einer Schwäche, mit einem Psychologen zu arbeiten – das ist es aber nicht! Man trainiert einfach seine Fähigkeiten, genauso wie auf dem Basketballfeld. Deswegen finde es es auch sehr gut, dass wir in den Play-offs auf Würzburg treffen.

Wie meinen Sie das?

Wir müssen mentale Härte aufbauen. Da ist ein unangenehmer, physischer Gegner wie Würzburg perfekt. Ich freue mich auf die Serie: Wir werden dahin gehen müssen, wo es weh tut.

Ihr Kapitän DaShaun Wood hat einmal gesagt, Sie würden jedem Spieler mental die richtige Unterstützung geben.

Ich versuche, mit jedem Spieler zu sprechen und ihn auf jedes Spiel vorzubereiten. Viele Spieler konzentrieren sich auf Resultate und vergessen, dass es einen Weg zu diesem Resultat gibt.

Sie sagen oft, Sie wollten jeden Spieler besser machen. Allerdings haben Trainer meist nur ein oder zwei Jahre dafür Zeit, bevor sie wieder den Klub wechseln.

Ich möchte bei Alba ein Fundament schaffen. So war das ja auch früher in Berlin: Es gab eine Basis, die jedes Jahr durch junge Spieler ergänzt wurde. Wir müssen es schaffen, den Kern des Teams zusammenzuhalten und zu entwickeln. Früher war das aufgrund der Ausländerbeschränkung natürlich deutlich einfacher, heute haben auch die Spielerberater sehr viel Einfluss. Die Klubs predigen Teamwork, die Agenten predigen individuelle Statistiken und Geld.

Was heißt das für Ihre Arbeit als Coach?

Wir wollen Spieler, die aus sich selbst heraus motiviert sind und niemanden wollen, der sie die ganze Zeit anschreit.

Im Gegensatz zu vielen Trainern scheinen Sie ohnehin leise Töne zu bevorzugen.

Früher war ich ein ziemlicher Schreihals. Vor ein paar Jahren hatte ich aber eine Rückenoperation, durch die ich viel, viel ruhiger geworden bin.

Weil Sie das Gefühl hatten, Ihr Temperament sei für die Rückenprobleme verantwortlich?

Nein, ich lag einfach einen Monat im Bett und hatte viel Zeit, über alles Mögliche nachzudenken. Da ist mir klar geworden, dass sich der Trainerjob verändert hat. Vor 15 Jahren hieß es noch: „My way or the highway“ – Mach, was ich dir sage, oder hau ab. Heute geht es um Menschen. In erfolgreichen Unternehmen rennt auch kein Chef mehr schreiend herum. Die Leute können in Ruhe arbeiten.

Gordon Herbert über seine Beziehung zu Berlin

Nach Ihrer Ankunft in Berlin wirkten Sie zunächst sehr zurückhaltend, inzwischen haben Sie sich etwas mehr geöffnet – gegenüber Journalisten, Fans, dem Publikum.

Es ist nicht leicht, mich gut kennen zu lernen. Ich brauche Zeit, um mich zu öffnen und jemandem zu vertrauen. Aber ich mag Berlin und würde mir die Stadt in diesen Sommer gerne näher anschauen. Berlin ist multikulturell, wie Vancouver, nur ohne das Meer und die Berge.

Entspricht Ihre zurückhaltende Art Ihrem Charakter? Oder haben Sie das in Finnland gelernt?

Oh, die Finnen sind wirklich sehr zurückhaltend. Mir ist es in Finnland oft passiert, dass jemand lieber die Treppen genommen hat, als gemeinsam mit mir Fahrstuhl zu fahren. Ich war aber schon immer etwas schüchtern. Deshalb versuche ich, Menschen um mich zu haben, die lockerer und offener sind. Ich lächele eher selten.

Wie wichtig ist es für Sie deshalb, mit engen Vertrauten zusammenzuarbeiten? Aus Frankfurt haben Sie ihren langjährigen Athletiktrainer Jussi Hirvonen und Spielmacher DaShaun Wood mitgebracht.

Sehr wichtig! Ich kenne Jussi, er kennt mich, wir verstehen uns. Mit DaShaun ist es ähnlich, wir haben in der vergangenen Saison viel Respekt und Vertrauen aufgebaut. Ich habe keine Ahnung, ob er mich leiden kann – aber wir vertrauen einander.

Zum Abschluss eine ganz andere Frage: Sie haben 1984 bei den Olympischen Spielen mit Kanada zweimal gegen die US-Amerikaner um den damals 21 Jahre alten Michael Jordan gespielt. Wie war das?

Im Halbfinale hat mich Jordan verteidigt, in einem Angriff habe ich einen Sprungwurf über ihn hinweg getroffen – das waren meine einzigen beiden Punkte im Spiel. Der amerikanische Trainer Bobby Knight ist aufgesprungen und hat Jordan angebrüllt. Im nächsten Angriff hat Jordan dann sofort über mich rüber gedunkt. Tja, das ist meine Jordan-Geschichte.

Das Gespräch führten Dominik Bardow und Lars Spannagel.

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