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Kommentar zum Anti-Doping-Kampf: Deutschland am toten Punkt

Es gibt in Deutschland kein vernünftiges Gesetz gegen Doping und kaum eine ermittelnde Behörde. Robert Ide wundert sich in seinem Kommentar, dass das niemanden wirklich zu stören scheint.

Wer dopt, betrügt gleich mehrfach. Sich selbst natürlich – mit unkalkulierbaren gesundheitlichen Risiken. Seine sportlichen Gegner und das zahlende Publikum – deshalb ist Doping in vielen Ländern ein Straftatbestand. Und natürlich wird der Sport als Ganzes betrogen – denn da, wo der Bessere gewinnen soll, siegt der Schein über das Sein. Seltsam, dass es Dopern in Deutschland so einfach gemacht wird.

Es gibt kein vernünftiges Gesetz gegen Doping und kaum eine ermittelnde Behörde. Der Nachweis von Doping mit polizeilichen Mitteln, also mit Zeugenbefragungen, Durchsuchungen verdächtiger Arztpraxen oder dem Nachweis dubioser Geldströme zwischen Sportlern und Laboren; kurz: das Aufdecken von Netzwerken des Betrugs wie im Falle Lance Armstrong – all das wird hierzulande nicht legitimiert. Die Politik scheint das zu ändern nicht gewillt zu sein, der organisierte Sport auch nicht – und so kommt es, dass Dopingexperten wie Fritz Sörgel jetzt hilflos nach dem Bundespräsidenten rufen, auf dass dieser endlich die Initiative ergreife. Dabei darf die Frage schon erlaubt sein: Wäre der wirksame Kampf gegen Doping nicht originäre Aufgabe eines organisierten Sports, der seine sauberen Athleten schützen will? Wäre er nicht auch im Interesse der Bundespolitik, die den Sport breit in der Spitze fördert und dafür nicht nur Medaillen erwartet, sondern auch gute Botschafter des Landes und Botschaften eines vitalen Lebens?

In Deutschland ist der Kampf gegen Doping an einem toten Punkt angekommen. Die Nationale Anti-Doping-Agentur, die Sportbetrüger aufspüren soll, ist chronisch unterfinanziert und auch wegen interner Probleme selbst mit regelmäßigen Trainingskontrollen überfordert. Den Ermittlungsbehörden fehlt zu einer effektiven Verfolgung die rechtliche Handhabe. Politik und Sport verschleppen die Diskussion über ein Anti-Doping-Gesetz. Selbst die Dopingforschung verhakt sich – eine große Studie über die deutsch-deutsche Dopinggeschichte, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wird, wurde von den meisten Verbänden torpediert und von Wissenschaft und Politik ausgebremst.

Es ist, als wolle eine große stille Allianz gar keine Doper entdecken, gar keine möglichen Skandale aufdecken. Es ist, als betrüge sich der deutsche Sport derzeit selbst – mit seinem Selbstbild, ein Vorreiter im Kampf gegen Betrug zu sein.

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