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Staat bewacht Sport. Wie in Frankreich könnten auch in Deutschland Polizisten häufiger zu Einsätzen im Sport gerufen werden, um Doping zu verfolgen.

© dpa

Anti-Doping-Gesetz: Sportler vor dem Ehrgeiz schützen

Für das Anti-Doping-Gesetz gibt es gute Gründe. Doch die Vorbehalte aus dem Sport, der Justiz und der Politik sind längst noch nicht ausgeräumt.

Berlin - Der Sportphilosoph Gunter Gebauer, das merkt man, hat sich eine Leidenschaft für den Sport bewahrt. Er spricht mit Verve von der sportlichen Leistung, „die einzig von der Beschaffenheit und der Eigenheit des menschlichen Körpers abhängig ist“, vom puren Körperlichen also. Gebauer weiß aber auch: „Der Sport ist nicht natürlich, er ist zivilisatorisch. Und Doping gehört zum Sport dazu.“

Darin sind sich führende deutsche Köpfe der Sportphilosophie und des Sportrechts bei einer Podiumsdiskussion an der Humboldt-Universität einig. Es geht um das Für und Wider eines Anti-Doping-Gesetzes. Der Entwurf befindet sich gerade im parlamentarischen Prozess und könnte gegen Ende des Jahres verabschiedet werden. Bis dahin wird heftig gestritten, im und außerhalb des Parlaments.

Bisher waren die Vorschriften vor allem auf die Strafverfolgung von Hintermännern und Netzwerken ausgerichtet. Mit dem geplanten Gesetz könnten auch die Athleten belangt werden, Selbstdoping und der Besitz von leistungssteigernden Substanzen würden strafbar, auch der Besitz von kleinen Mengen. Neben Geld- sieht der Entwurf Gefängnisstrafen von bis zu drei Jahren vor. Justizminister Heiko Maas hofft auf eine „abschreckende Wirkung“. Doch kaum war der Entwurf verabschiedet worden, hagelte es Kritik – vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), von Sportlern und Politikern.

Nun könnte man den Akteuren unterstellen, dass sie in ihrer Kritik die eigenen Interessen über das Wohl des Sports stellten. So fürchtet der DOSB wohl auch um die gebetsmühlenartig gepredigte Autonomie des Sports und sein internes Sanktionssystem; ein Großteil der Athleten wird im Zweifel immer gegen eine Zunahme von Kontrolle und eine Verschärfung von Strafen sein; und Politiker, in diesem Fall aus den Reihen der Grünen und der Linken, sind in der Oppositionsrolle und handeln mit einem Auftrag.

Dass der Entwurf unausgegoren ist, darin herrscht Einigkeit trotz der eingefärbten Kritik. Es gibt sogar Stimmen, die sagen: Das Gesetz darf auf keinen Fall durchkommen. Denn, so das Argument zum Beispiel der Grünen-Politikerin Renate Künast, die Erhaltung der Integrität des Sports sei kein verfassungsrechtliches und allgemein schützenswertes Interesse. Eine Ausweitung des Strafrechts sei daher nicht zulässig.

Es wäre ein Rückschlag für so viele, die dachten, dem dopingverseuchten Spitzensport könne durch die Einführung eines solchen Gesetzes geholfen werden. Das Vorhaben von CDU und SPD klang erst einmal gut im Koalitionsvertrag. Doch jetzt, da es um die Details geht, wird den Beteiligten klar, dass Reparaturen vorgenommen werden müssen, damit das Ganze nicht zum Reinfall wird.

Selbst die Sportphilosophen Gebauer, Elk Franke und Volker Gerhard erkennen die Begründungsproblematik des Entwurfs. „Es bleibt aus sportphilosophischer Sicht unklar, warum ein Dopinggesetz gebraucht wird“, sagt Franke. „Dennoch brauchen wir es. Der Sport ist überfordert, er benötigt den Staat als flankierende Sanktionsinstanz.“ Schon deshalb, argumentiert sein Kollege Gerhard, weil „die Gesundheit des Einzelnen vor seinem eigenen Ehrgeiz, geschürt durch die immensen wirtschaftlichen Anreize, geschützt werden muss“.

Doch ist die Philosophie mit ihren gut überlegten und wohlgemeinten Ideen schon manches Mal auf die Realität geprallt, die ein Stück weit vom Rechtssystem konstituiert wird. In diesem Fall etwa sieht das Recht vor, dass „selbstgefährdendes Verhalten der Handlungsfreiheit unterliegt“, wie der Kriminologe Dieter Rössner erläutert. Schließlich wird übermäßiger Alkoholkonsum oder starkes Rauchen auch nicht bestraft. Rössner, der für das Gesetz plädiert, glaubt dennoch, dass „sich das juristisch in den Griff kriegen lässt“.

Überhaupt, so scheint es, muss in dem Entwurf noch einiges in den Griff gekriegt werden. „Die Strafbarkeit des Erwerbs und Besitzes von Dopingmitteln“ stellt das Hauptproblem dar. Der Besitz von verbotenen Mitteln ist danach nur dann strafbar, wenn die Absicht nachgewiesen werden kann, dass der Sportler sie einnehmen wollte. „Wie aber soll so eine Absicht nachgewiesen werden?“, fragt der Rechtshistoriker Wolfgang Schild. Ein weiterer Punkt ist die Bestrafung von jenen, die Doping verschreiben und anderen verabreichen, also den Ärzten. Und diese haben laut Strafprozessordnung das volle Zeugnisverweigerungsrecht. Hinzu kommt die fehlende Internationalisierung strafrechtlicher Maßnahmen im Sport. Ausreichend Stoff jedenfalls für hitzige Bundestagsdebatten.

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