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Der Moment ist gekommen: Benjamin Köhler bei seiner Einwechslung.

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Update

3:1 gegen Eintracht Braunschweig: Union Berlin feiert die Rückkehr von Benjamin Köhler

Die Zuschauer erhoben sich, seine Frau zitterte am ganzen Körper. Nach fast anderthalb Jahren gab der an Krebs erkrankte Benjamin Köhler als Einwechselspieler sein Comeback.

Um sechs Uhr abends steht Benjamin Köhler auf dem Rasen in der Alten Försterei und schaut seinen Mitspielern beim Warmmachen zu. Bis zum Spiel des 1. FC Union gegen Eintracht Braunschweig ist es noch eine halbe Stunde hin. Köhler trägt eine kurze Hose, was keiner der Ersatzspieler an diesem kühlen Abend im März macht. Die Luft ist kalt und klar, beim Ausatmen kann man sie sehen, aber Köhler will seinen Trainern signalisieren: Ich bin bereit, ich will spielen, am liebsten sofort. Ich ziehe mich gar nicht erst an wie ein Ersatzmann. Ob er was ahnt? Oben auf der Tribüne sitzt seine Frau Marina und schreibt SMS: „Hab ein gutes Gefühl heute. Beide Daumen sind gedrückt.“

Gespielt hat Benjamin Köhler zu diesem Zeitpunkt schon lange nicht mehr, jedenfalls in keinem Punktspiel, nur während der Vorbereitung durfte er aufs Feld. Sein letzter regulärer Einsatz war am 19. Dezember 2014, der Gegner hieß Fortuna Düsseldorf. Dann kam die Winterpause und mit ihr der Krebs. Lymphdrüsenkrebs, ein Tumor. Später gab es Tage, da konnte sich Köhler kaum von der Couch hochbewegen. Die Chemotherapie entzog seinem Körper alle Kräfte. Er verlor seine Haare, seine Muskeln, aber nicht seine Leidenschaft für das Spiel. Zurückkehren nach solch einer schweren Krankheit, als 35-Jähriger, der Gedanke hat ihn immer angetrieben. Irgendwie fand er das cool, seine Ärzte weniger.

Köhler wurde nicht einfach nur aus Mitleid eingewechselt

Köhler hat sein Leben lang Fußball gespielt, da hört man nicht einfach auf, nur weil so ein Krebs daherkommt. Natürlich gab es Tage, da zweifelte er, da zweifelte seine Frau, aber das war alles vergessen, als sich Co-Trainer Sebastian Bönig am Freitagabend um 19.58 Uhr mit der Taktiktafel in der Hand aufmachte, um Köhler zuzuraunen: „Du kommst gleich rein. Mach dich fertig.“ Fünf Minuten später stand Köhler an der Seitenlinie, 19 026 Zuschauer erhoben sich von ihren Plätzen und riefen seinen Namen. „Das war sehr emotional, ich hätte nicht gedacht, dass es so laut wird“, sagte Köhler später. Und wie laut es wurde. Ohrenbetäubend laut. Oben zitterte seine Frau am ganzen Körper. Köhler kam als erster Wechselspieler, nicht als dritter und nicht aus Mitleid. Er kam, weil er helfen sollte, die 2:1-Führung über die Zeit zu bringen. Mit seiner Erfahrung und seiner Ruhe, die er nicht nur auf dem Platz ausstrahlt. Trainer André Hofschneider erklärte: „In dieser kritische Situation hat seine Einwechslung absolut Sinn gemacht.“ Hofschneider fürchtete, Braunschweig könnte im Mittelfeld die Hoheit zurückgewinnen und auf den Ausgleich drängen.

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Für Union hatte zuerst Angreifer Bobby Wood getroffen, kurz darauf aber war die Abwehr unsortiert gewesen, was der 18 Jahre alte Philipp Tietz zum Ausgleich nutzte. Die Berliner brauchten kurz, um sich zu erholen, dann traf Damir Kreilach nach einer Freistoßflanke von Dennis Daube zum 2:1. Köhler fügte sich danach sofort gut ein, eroberte einen Ball, spielte einen Pass, das Stadion tobte. „Benny hat nicht nur ein bisschen mitgekickt, sondern gleich Ruhe ins Spiel gebracht. Seine Einwechselung hat uns richtig gut getan“, sagte Benjamin Kessel später. Bobby Wood schloss sich an: „Es ist geil, einen so ballsicheren Spieler wie Benny auf dem Feld zu haben.“ Tatsächlich gelangen Braunschweig kaum noch geordnete Aktionen. In der Schlussphase erhöhte Kreilach mit seinem zweiten Tor auf 3:1. Der Kroate rutschte auf dem Bauch über den nassen Boden, ehe er gestoppt wurde, weil ihm einer vor Freude auf den Rücken sprang. Es war Benjamin Köhler.. 

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