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Natalie du Toit

© AFP

Beinamputierte Schwimmerin: Natalie du Toit: "Im Wasser fühle ich mich total frei"

Natalie du Toit ist die erste beinamputierte Athletin bei den Olympischen Spielen. Mit einem Bein schwimmt sie den Marathon über zehn Kilometer - und schlägt nur knapp eineinhalb Minuten später an als die Goldmedaillengewinnerin.

Manchmal kann auch schon der Start ein Ziel sein. So empfindet es Natalie du Toit auf den letzten Metern am Steg, bevor sie ins Wasser taucht. „Da musste ich mir ein paar Tränen wegdrücken", erzählt die 24 Jahre alte Südafrikanerin später. Denn als der Wettbewerb gestartet wird, hat sie es geschafft. Die erste beinamputierte Athletin bei den Olympischen Spielen nimmt das Rennen auf.

Als sie gut zwei Stunden später nach zehn geschwommenen Kilometern wieder an Land kommt, warten auf sie zwanzig Kamerateams aus der ganzen Welt. Keine Sportlerin bei den Olympischen Spielen, die auf Platz 16 landet, bekommt so viel Aufmerksamkeit wie sie. „Ich bin ein bisschen enttäuscht, weil ich unter die ersten fünf kommen wollte", sagt sie.

Langstreckenschwimmen sei ein bisschen wie die Tour de France, es komme darauf an, so lange wie möglich in der Spitzengruppe zu bleiben. „Das habe ich leider nicht geschafft. Aber als ich aus dem Wasser kam, konnte ich mich kaum noch bewegen. Also habe ich alles gegeben", sagt sie. Und ihren großen Traum hat sie sich ohnehin erfüllt an diesem Tag.

Ein Unglück, kein Drama

„Schon mit sechs Jahren habe ich angefangen, von den Olympischen Spielen zu träumen", erzählt sie und sie war auch auf dem besten Weg dahin. Doch dann kam ein schweres Unglück dazwischen. Sie war mit ihrem Motorroller auf dem Weg zum Training, als sie 2001 von einem Auto angefahren wurde. Ihr Bein musste amputiert werden. Seitdem läuft sie mit einer Prothese. Die Olympischen Spiele schienen ein Traum zu bleiben. „Es gab Leute, die mir das auch gleich gesagt haben, dass es nichts mehr werden wird. Aber man träumt doch für sich selbst und nicht für andere", sagt sie.

Natalie du Toit erzählt ihre Geschichte mit leuchtenden Augen, aber ohne ein Drama daraus zu machen. „Ich habe viele Höhen und Tiefen durchgemacht", sagt sie. Als sie wieder zu trainieren anfing, hatte sie ungeheure Schmerzen, aber sie merkte auch, dass sie das Schwimmen nicht verlernt hat. Geholfen hat ihr vor allem ihre Einstellung. „Schlechte Dinge in gutem Licht zu sehen." Ein Ziel zu haben. Schon im Jahr nach ihrem Unfall fuhr sie zu den Commonwealth-Spielen nach Manchester und schwamm dort nicht nur gegen andere behinderte Athleten, sondern auch gegen nicht-behinderte. „Da hat mich auch Nelson Mandela angerufen und mich ermutigt, weiter zu machen und zu kämpfen", erzählt sie.

Das große Ziel einfach weiter verfolgt

Sie blieb einfach bei ihrem alten Ziel, bei den Olympischen Spielen mitzuschwimmen. „Ich habe mich nicht damit beschäftigt, ob ich ein Handicap habe", sagt sie. „Im Wasser fühle ich mich total frei." Da braucht sie ihre Prothese nicht, um vorwärts zu kommen.

Dass ihr beim Schwimmen die Kraft eines Beines fehlt, versuchte sie durch stärkere Arme auszugleichen. Sechs Stunden am Tag trainierte sie im Wasser und noch einmal eine Stunde im Kraftraum. „Bei den ersten Weltcups haben mich die anderen am Anfang führen lassen und erst auf dem letzten Kilometer überholt. Aber ich möchte nichts geschenkt bekommen." Inzwischen wissen ihre Konkurrentinnen, dass sie es am Ende bereuen würden, wenn sie du Toit einen Vorsprung lassen.

Die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Athen 2004 verpasste sie, dafür gewann sie fünf Goldmedaillen bei den Paralympics. Bei den Weltmeisterschaften in Sevilla in diesem Jahr wurde sie auf der 10-Kilometer-Strecke Vierte und hatte damit die Qualifikation für Olympia geschafft.

Sie belohnt sich selbst

Das hätten auch andere gerne, zum Beispiel ihr Landsmann Oscar Pistorius, doch der Leichtathlet scheiterte auf der 400-Meter-Strecke an der geforderten Zeit. Dafür spielt beim Tischtennis die Polin Natalia Partyka in Peking mit. Der Linkshänderin fehlt der rechte Unterarm.

Am Ende bekommt Natalie du Toit noch ein Bild geschenkt von den Organisatoren der Langstreckenwettbewerbe, als Anerkennung für einen außergewöhnlichen Gast. Sie hat sich auch eine kleine Belohnung für sich selbst ausgedacht. „Ich habe mich die ganze Zeit so gesund ernährt. Ich glaube, da esse ich heute Nachmittag ein Eis."

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