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Wenn sich einige Fans positionieren, dann heißt das noch lange nicht, dass sich die ganze Fußballszene ernsthaft positioniert.

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Berliner Erklärung gegen Homophobie im Sport: "Homosexuelle Sportler werden begafft wie Zirkustiere"

Fechterin Imke Duplitzer hat fünfmal an Olympischen Spielen teilgenommen – und sich schon vor Jahren geoutet. Der Berliner Erklärung gegen Homophobie im Sport kann sie wenig abgewinnen. Ein Interview.

Frau Duplitzer, die Bundesjustizministerin hat gerade mit mehreren Profifußballklubs und anderen Organisationen eine Erklärung gegen Homophobie im Sport vorgestellt. Es ist von einem historischen Schritt die Rede – was halten Sie davon?

Ich muss meinen Blutdruck erstmal wieder ein bisschen runterbekommen. Man tut so, als erfinde man damit das Rad neu, aber das Rad ist doch schon da. Die sollten nicht so viel reden, sondern einfach mal machen. Ich frage mich außerdem, warum bei der Veranstaltung keine Sportler zu Wort gekommen sind. Um die geht es ja.

Was hätten Sie zum Beispiel erzählen können?

Dass homosexuelle Sportler immer noch die gleichen Erfahrungen machen wie Martina Navratilova vor 25 Jahren. Sie werden gemobbt, geschnitten, missachtet. Ich bin es einfach leid, wie ein Zirkustier begafft zu werden. Es wäre zu schön, wenn es kein Thema mehr wäre, weil es völlig Pumpe ist, auf welches Geschlecht man steht. Ich will nicht behandelt werden, als wäre ich normal. Ich bin normal. Ich mag auch nicht mehr die arme, bemitleidenswerte Lesbe sein. Ich will einfach ich sein.

Hat sich wirklich nichts verändert?

Doch, es ändert sich die gespielte Toleranz. Wenn ein BBC-Reporter über die Wimbledonsiegerin Marion Bartoli sagt, sie habe bestimmt früher zu hören bekommen, dass sie nie ein Hingucker werde, ist die Empörung zunächst groß. Hinterher hauen aber doch alle dem BBC-Mann auf den Rücken und sagen: Haste toll gemacht. Außerdem werden die Gegensätze größer.

Was meinen Sie damit?

Je toleranter die eine Seite wird, desto radikaler wird die andere. Natürlich bekommt man immer mehr Verständnis zu hören, aber andere radikalisieren sich gegen die Homo-Ehe. Wir sind wieder in so einem Biedermeier, wo alle Veränderungen den Leuten Angst machen. Und vor der Radikalisierung habe ich wiederum Angst, weil mir dagegen die netten Worte der Wohlmeinenden nicht helfen.

Gab es bei der Veranstaltung gegen Homophobie in Berlin nichts, was Sie überzeugt hat?

Doch. Ich wusste zum Beispiel nicht, dass es eine Charta der Vielfalt gibt und 1500 Unternehmen in Deutschland sagen: Ich bin dabei. Außerdem hätte ich den Vertreter von Hertha BSC herzen können, weil er mit einer erfrischenden Selbstverständlichkeit erzählt hat, dass sie sich nicht aus einer Zwangssituation gegen Homophobie engagieren, sondern aus Überzeugung.

Wie haben Sie im Sport Diskriminierung erlebt?

Ich sollte mal bei den Gay Games in Köln fechten. Doch um Fechten ins Programm aufzunehmen, musste unser Verband die Schirmherrschaft übernehmen. Als ich beim Deutschen Fechter-Bund nachgefragt habe, bekam ich zu hören: Die WM der Behinderten haben wir auch unterstützt, da können wir hier sicher auch was machen. Als der Kollege merkte, was er da gerade gesagt hatte, hat er sich wortreich rausgeredet, aber dieses Zurückrudern war nur noch peinlicher. Ich bin seit 20 Jahren vorne dabei, ich bin sozusagen das langlebigste Modell im deutschen Fechten. Aber ich habe in dieser Zeit keinen einzigen Einzelsponsor gehabt. Dafür habe ich schon zu hören bekommen, dass ich einfach nicht reinpasse.

"Ich mag nicht die arme, bemitleidenswerte Lesbe sein"

Warum fällt die Toleranz gerade im Sport so schwer, der sich sonst als großer Integrationsmotor preist?

Sport ist männerorientiert, körperorientiert. Das große Problem sind Vorurteile, das hat jetzt auch Marion Bartoli zu spüren bekommen. Es gibt einfach diese Zuweisungen. Schwuletten machen nur Eistanz. Und alle Lesben im Sport sind automatisch immer Kampflesben.

Imke Duplitzer, 37, ist Degenfechterin, Präsidentin des OFC Bonn und leitet die Fechtabteilung des schwul-lesbischen Klubs SC Janus. Sie nahm fünf Mal an Olympischen Spielen teil.
Imke Duplitzer, 37, ist Degenfechterin, Präsidentin des OFC Bonn und leitet die Fechtabteilung des schwul-lesbischen Klubs SC Janus. Sie nahm fünf Mal an Olympischen Spielen teil.

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Sind wir bei der Bekämpfung des Rassismus weiter als bei der von Homophobie?

Beim Rassismus ist manches klarer. Wenn ein maximal Pigmentierter mit Migrationshintergrund als „Nigger“ bezeichnet wird, stehen zum Glück viele Menschen dagegen auf. Wenn aber im Deutschen Bundestag jemand sagen würde: Ihr schwulen Blödmänner, steht höchstens Guido Westerwelle auf und sagt: Stopp. Uns steht eben kein L oder S auf der Stirn. Deshalb erlebe ich so was immer wieder.

Was genau?

Dass einer über den Obmann beim Fechten sagt: Ey, du Schwuchtel! Diese Bushidos im Sportanzug. Es wird als Kavaliersdelikt behandelt, wie in der Öffentlichkeit aufs Trottoir zu spucken. Wenn ich dann frage, was das soll, kommt sofort: Oh, hab ich nicht so gemeint. Ich sage dann: Doch, du hast es so gemeint.

Es geht beim Thema Homophobie im Sport immer auch um den Wunsch nach dem Coming-out eines Fußballers. Was denken Sie?

Tja, wenn Sie nicht geoutet sind, kostet Sie das unglaublich viel Energie. Und wenn Sie geoutet sind, genauso viel. Das Thema wird so überhöht. Sie sollten ein Casting machen, Dieter Bohlen castet den ersten schwulen deutschen Fußballprofi.

Kennen Sie einen schwulen Fußballprofi?

Nein, ich will auch gar keinen kennen, da kann ich mich nur verplappern.

Welche Bedeutung hätte denn ein Coming-out?

Vielleicht sagt einer, das Leben im Versteck ist beschissen genug, beschissener geht es nicht, da kann ich mich auch outen. Allein dieser Organisationsaufwand. Die ganzen Alibimiezen, die auf der Tribüne sitzen, zufällig sehen die auch immer gleich aus. Als schwuler Profi ist man ausgeliefert, man ist erpressbar, weil man ja, huh, ein dunkles Geheimnis hat.

Würden Sie einem Profi auf jeden Fall vom Coming-out abraten?

Das mit dem Outen ist immer alles schön dahergesagt, aber kaum jemand weiß doch, was das alles nach sich zieht. Was alles auf jemand zukommt, an Druck, an Aufmerksamkeit, an Heuchelei. Und meinen Sie denn, so ein Spieler würde in Spanien oder Italien einen Vertrag bekommen? Oder in Katar? Mir haben einige aus anderen Sportarten schon gesagt: Den Stress tue ich mich nicht mehr an. Sie haben sich selbst aus dem Sport rausorganisiert und leben jetzt glücklich mit Kind und Kegel in der Provinz.

Das Gespräch führte Friedhard Teuffel.

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