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Staunen und frieren. Viktoria-Anhänger auf der Tribüne in Tempelhof.

© Gustke

Berliner Fußball: Viktoria gegen Altglienicke: Auf Schnürsenkel beißen

Der BFC Viktoria will sich als dritte Kraft im Berliner Fußball etablieren. Doch dazu müssen sich die Tempelhofer erst einmal gegen die Oberliga-Konkurrenz behaupten, z.B. gegen die ebenfalls aufstrebende VSG Altglienicke. Ein Besuch.

Manchmal sind es die kleinen Dinge am Rande eines Fußballspiels die zur Erheiterung der Zuschauer herhalten müssen. An diesem Sonntag ist die VSG Altglienicke zu Gast beim BFC Viktoria, doch was im Vorfeld als Spitzenspiel der Fußball-Oberliga gelten durfte, bietet den frierenden Zuschauern im verwilderten Rund an der Bosestraße zunächst wenig Erwärmendes. Dann, kurz vor der Pause, verliert Philipp Wanski von den Gästen aus dem Südosten Berlins bei einem Zweikampf einen Schuh, direkt an der Seitenlinie vor den Viktoria-Anhängern, die in kleinen Gruppen auf der alten Tribüne stehen. Abwehrspieler Alexander Jakowitz zögert nicht lange, schnappt sich den Treter seines Mannschaftskollegen, lockert mit seinen Zähnen die verknoteten Schnürsenkel und hilft Wanski, der immer noch schmerzgekrümmt auf dem feuchten Rasen liegt, behutsam beim Anziehen. Eine aufopferungsvolle Geste, die von den gegnerischen Anhängern freilich mit Spott quittiert wird. „Na, kannste schon Schleife?“ ruft einer der Viktorianer. Gellendes Gelächter.

So richtig ernst zu nehmen scheint man die Volkssportgemeinschaft aus Treptow-Köpenick hier noch nicht. Zu groß sind die eigenen Ansprüche bei Viktoria und der Erfolg gibt dem aktuellen Tabellenführer der Oberliga Nordost Recht. Als dritte Kraft im Berliner Fußball hinter Hertha BSC und dem 1. FC Union will sich der Klub etablieren, ein Etikett, das derzeit Regionalligist Berliner AK für sich beansprucht.

Doch zunächst steht für Viktoria der Oberliga-Alltag an, und da sollte der BFC auch vor der VSG Altglienicke gewarnt sein. Beobachter des Berliner Fußballs haben sich in letzter Zeit schon des Öfteren verwundert die Augen gerieben über das, was da im Südosten Berlins heranwächst. Seit sechs Jahren kennt der Klub praktisch nur eine Richtung: steil nach oben. Mit fünf Aufstiegen in kürzester Zeit ist die VSG von der Kreisliga B bis in die Oberliga durchgestartet, zum Spiel bei Viktoria reist der Aufsteiger als Tabellenvierter.

Und auch die schadenfrohen Viktoria-Anhänger müssen spätestens mit Beginn der zweiten Halbzeit zur Kenntnis nehmen, dass der Weg nach oben schwer ist. Als Altglienickes Abwehr-Koloss Tobias Döge per Kopf den Führungstreffer für die Gäste erzielt und wenig später mit messerscharfen Einwurf-Flanken mehrfach höchsten Alarm im Viktoria-Strafraum auslöst, scheint beim Tabellenführer das Ende der Erfolgsserie nah zu sein.

Auf der kleinen Haupttribüne und den Rängen daneben macht sich eine fröstelnde Stille breit, nur hinten bei den Altglienickern herrscht beste Stimmung. Mit Genugtuung wird dort festgestellt, dass man „den Döge doch nicht so frei stehen lassen darf, bei einer Ecke. Das weiß man doch.“ Die Kicker von Viktoria merken dies jetzt auch, bekommen das Spiel in den Griff und schaffen am Ende per Foulelfmeter immerhin noch den Ausgleich. Während die Zuschauer ins Warme flüchten, müssen die Trainer im eisigen Vip-Zelt noch ausharren und einer Handvoll Journalisten erzählen, dass sie im Grunde zufrieden sind mit diesem Ergebnis und der Leistung ihrer Teams. Viktoria bleibt Tabellenführer und kann seine ambitionierten Pläne weiter verfolgen. Doch auch bei Altglienicke deutet sich kein Ende des Aufschwungs an. Der Berliner AK ist gewarnt.

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