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Julia Kalbau in Aktion bei der Blindenfußball-Europameisterschaft am Anhalter Bahnhof.

© Ralf Kuckuck, BS Berlin

Blindenfußball-EM in Berlin: Vom Volunteer zur Schiedsrichterin

Julia Kalbau pfeift als Schiedsrichterin in der Blindenfußball-Bundesliga. Bei der Europameisterschaft in Berlin war die 21-Jährige eigentlich ganz anders eingeplant.

Damit hatte Julia Kalbau niemals gerechnet, als sie am Sonntag nach Berlin reiste. Eigentlich war die gebürtige Lübeckerin als Volunteer eingeteilt, um bei der Blindenfußball-Europameisterschaft Spieler und Betreuer zu unterstützen. Doch dann erkrankte einer der Schiedsrichter – ein Glücksfall für Kalbau. Die 21-Jährige pfeift seit drei Jahren Spiele in der Blindenfußball-Bundesliga. Gleichzeitig ist sie Schiedsrichterin in der Schleswig-Holstein-Liga der Frauen und in der Kreisliga der Herren. So wurde Kalbau die einzige weibliche Schiedsrichterin in dem internationalen Turnier.

Das EM-Finale am Samstag in der Arena am Anhalter Bahnhof kann Kalbau als Zuschauerin genießen, ihr letztes Spiel ist das um Platz neun – Rumänien gegen Georgien. Im Finale stehen sich Spanien gegen Russland gegenüber. Zehn Mannschaften hatten an der Meisterschaft teilgenommen. Das deutsche Team war nach einer Niederlage gegen England in der Gruppenphase ausgeschieden und unterlag am Freitag im Spiel um Platz fünf dem amtierenden Europameister Türkei im Sechmeterschießen.

Um Schiedsrichter im Blindenfußball zu werden, sollte man zunächst eine Schiedsrichterausbildung absolviert haben. Dann folgt ein Lehrgang, der einmal im Jahr stattfindet. Kalbau hatte lange selbst Fußball gespielt. Doch sie wollte mehr. „Ich fand es reizvoll, erfolgreicher als Schiedsrichter als als Spielerin zu werden“, sagt sie. Als Kalbau vor drei Jahren in Lübeck ein Blindenfußball-Turnier sah, war ihr Interesse geweckt. Sie sprach mit den Kollegen, die sie zu dem Blindenfußball-Schiedsrichterlehrgang nach Hannover einluden. Seitdem pfeift sie in der Bundesliga. Unterschiede zwischen Fußball und Blindenfußball gibt es viele, sagt sie.

Die Regeln des Blindenfußball basieren auf Futsal, einer Variante des Hallenfußballs. „Anders ist, dass wir im Blindenfußball Guides hinter den Toren stehen haben. Der rasselnde Ball ist natürlich auch sehr wichtig“, sagt die Schiedsrichterin. Fouls pfeift sie zum Beispiel dann, wenn die Spieler sich auf dem Feld nicht bemerkbar machen, nicht „Voy“ sagen. Wie im Futsal werden die Fouls gezählt. Nach fünf persönlichen Fouls muss der Spieler das Spielfeld verlassen, es kann aber ein neuer eingewechselt werden. Beim sechsten Teamfoul gibt es einen Achtmeter. Nach der ersten Halbzeit werden diese gelöscht. Die Schiedsrichter begleiten außerdem die Spieler bei einer Auswechselung vom Platz, „um Vertrauen aufzubauen“.

Kalbau schätzt die Atmosphäre des Sports. „Im Blindenfußball ist alles familiärer“, sagt sie. Vertrauen sei sehr wichtig. „Nach einer Situation spricht man kurz mit den Spielern, um zu erklären, was passiert ist“, sagt Kalbau. Insgesamt gäbe es weniger Pöbeleien. „Natürlich gibt es auch im Blindenfußball Emotionen, aber dass man als Schiedsrichter als Buhmann dasteht, das kommt nicht vor.“ Dass sie die Blindenfußball-Europameisterschaft in Berlin nun aktiv auf dem Feld erleben darf, freut sie ganz besonders. „Es ist schön, dass so viele Nationen zusammen kommen“, sagt Julia Kalbau. Auch die 16 Unparteiischen kommen aus elf Ländern.

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