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Sport: Boxen in Übergröße

Nikolai Walujew, der Riese aus St. Petersburg, schreibt seine Geschichte fort

Berlin - Die schwarze Ledermütze sieht auf seinem Kopf aus wie ein lustiger Fleck. Nicht, dass die Mütze ein Mützchen wäre. Der Kopf eines normal ausgewachsenen Mannes fände bequem Platz darin, nur was ist normal an diesem Nikolai Walujew? Der 31 Jahre alte Boxer ist 2,17 Meter groß, wiegt drei Zentner und trägt Schuhgröße 52. Vor allem wirkt sein Kopf riesig. Einer der 4500 Zuschauer in der Berliner Max-Schmeling-Halle ruft während der ersten Runde in den Ring: „Los Attila, auf den Kopf! Der ist doch groß genug.“

Zwei Runden weiter liegt Attila Levin zum dritten Mal am Boden. Ringrichter Julio Cesar Alvarado aus Panama geht dazwischen und kreuzt die Arme über seinen Kopf. Der Kampf ist aus. Nach zwei Minuten und 34 Sekunden. Der 1,95 Meter große Schwede mit afrikanischen Wurzeln, der 29 seiner 31 Profikämpfe gewonnen hat, davon 23 durch Knockout, ist wahrlich kein Fallobst. Gegen diesen Walujew aber hat er nicht den Hauch einer Chance. „Ich bin immer noch beeindruckt von seiner Größe“, sagt Levin hinterher. „Das Schlimme ist, dass seine Schläge treffen. Seine Schläge haben eine solche Wucht. Das ist das Problem.“

Durch den K.-o.-Sieg verteidigt Nikolai Walujew seinen Intercontinental-Titel nach WBA-Version. „Ich bin sehr, sehr glücklich, dass es so schnell gegangen ist“, sagte Walujew. „Je schneller ein Kampf zu Ende geht, um so besser.“

Was braucht einer wie Walujew Titel. Seine Erscheinung ist Attraktion genug. Und seine Story. Es ist die Geschichte vom Riesen aus St. Petersburg, der sich auf dem Weg gemacht hat, der stärkste Mann der Welt zu werden. Seit Samstagnacht ist er in 41 Profikämpfen ungeschlagen. 30 gewann er durch K.o.

Es geht ein Raunen durch die Halle, wenn er mit einem großen Schritt über die Seile in den Boxring steigt und sich in seiner ganzen Statur mit hochgereckten Armen ein-, zweimal dreht. Wenn er in der Ringecke auf dem Schemel sitzt, ist er leicht so groß wie ein stehender Leichtgewichtler. Wer soll diesen Koloss schlagen?

„Nikolai ist erst eineinhalb Jahre bei uns und er macht gewaltige Fortschritte“, sagt sein Manager Wilfried Sauerland, „mir läuft ein Schauer über den Rücken, wenn ich daran denke, wie gut er erst in einem Jahr ist.“ Sauerland war skeptisch, als er ihn unter Vertrag nahm. Er wollte den Riesen nicht als blanke Attraktion dem Publikum vorzeigen, gar als Belustigung wie es im Mittelalter auf Jahrmärkten der Fall war. Deswegen verzichtete Sauerland bisher, mit ihm in die USA zu gehen. Dort würden einige TV-Anstalten ein ganz besonderes Interesse zeigen an dem Russen-Riesen, sagt er.

Aus der Attraktion ist ein attraktiver Boxer geworden. Walujew habe gezeigt, dass er nicht nur ein großer, sondern auch ein guter Boxer ist. Als nächstes wird Sauerland beim Weltverband WBA einen WM-Ausscheidungskampf für seinen Kämpfer beantragen. „Um den Titel zu bekommen, werden wir nach Amerika gehen müssen. Dann kommen wir nach Deutschland zurück“, sagt Sauerland. Wahrscheinlich nach Berlin. „Nikolai hat hier viele Freunde, er trainiert hier und ich denke, dass er vom Berliner Publikum akzeptiert wird.“

Doch der mit einer Ballett-Tänzerin verheiratete Russe bleibt gelassen. „Ein, zwei Kämpfe brauche ich noch. Dann bin ich bereit – auch für die Klitschkos.“ Sauerland will Walujew im Vorprogramm von Witali Klitschkos nächster WM-Titelverteidigung Ende April im New Yorker Madison Square Garden platzieren. Schwergewichtsweltmeister Klitschko wird von Fritz Sdunek trainiert. Der 59 Jahre alte Coach zeigte sich ebenfalls von der Leistung Walujews angetan: „Er hat sich enorm verbessert. Ich habe ihn vor fünf Jahren trainiert und kann deshalb seine Entwicklung gut einschätzen.“

Die Ledermütze nimmt Walujew nicht einmal ab in dieser Nacht. Sie lässt ihn irgendwie freundlicher erscheinen. Er lässt sich fotografieren, schreibt Autogramme und lächelt weich. Es ist ein ungewöhnlich breites Lächeln.

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