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Und Südtirol lacht. Hotelmitarbeiter und Spieler formierten sich 1990 für einen Schnappschuss vorm Haus. Anschließend reisten die Gäste weiter - bis zum WM-Finale von Rom.

© privat

WM-Erinnerungen: Brennen auf dem Brenner

Die deutsche Nationalmannschaft wohnte schon einmal in Südtirol: vor der Weltmeisterschaft 1990. Beim Turnier in Italien holte sie dann den Titel.

Das Foto ist ein Schnappschuss für die Hotelbelegschaft, entstanden vor 20 Jahren auf dem Vorplatz des „Seeleiten“ in Südtirol. Es zeigt die Nationalspieler in ihren Trainingshemden kurz vor der Fußball-WM 1990 in Italien, wie sie mit penibel gewichsten Schuhen und bemerkenswerten Frisuren in die Kamera gucken. Sepp Maier legt seine Arme um zwei Kellnerinnen, Thomas Berthold zieht seine Buxe bis über den Bauchnabel, Jürgen Klinsmann guckt schüchtern unterm adrett geföhnten Haupthaar hervor, während Rudi Völler schon damals Wert gelegt hat auf einen stattlichen Schnauzer. Und ganz rechts im Bild: Teamchef Franz Beckenbauer, zwar noch ohne Brille, aber mit viel Farbe im Haar.

Zwanzig Jahre und eine Wiedervereinigung später hat das Foto von der WM ’90 noch einmal an historischem Wert gewonnen. Auf das Bild schrieben die Spieler: „Familie Franz Moser als Dank für gute Betreuung – 2.–8. Juni 1990“. Exakt einen Monat nach diesem Fototermin, am 8. Juli 1990, lief Trainer Franz Beckenbauer alleine über den Rasen des Stadions von Rom, während seine Spieler den WM-Pokal in die Höhe streckten.

Derzeit sind die Meldungen beim DFB nach den Verletzungen von Michael Ballack und Christian Träsch ja weniger erfreulich. Ein bisschen Hoffnung kann da nicht schaden, und sei es nur ein gutes Omen wie dieses: Die Mannschaft von Trainer Joachim Löw hat wieder Quartier bezogen in Eppan an der Weinstraße. Diesmal zwar nicht im Hotel vom Franz Moser, sondern im Haus „Weinegg“ ein paar Kilometer weiter. Dieses gehört dem Bruno – Nachname: Moser. Er ist der Bruder.

Die hohe Sichtschutzwand gab es 1990 noch nicht

Viele im Dorf können sich noch an das Trainingslager im „Seeleiten“ von 1990 erinnern. Überall parkten damals die Autos und Wohnmobile der Fans, erzählt Hans, ein deutscher Rentner, der in Eppan seit 40 Jahren lebt. „Das halbe Land war ja auf dem Weg zur Italia ’90.“ Und auf der Reise zur WM gen Süden schauten viele bei den Stars um Lothar Matthäus vorbei. „Die konnte man für ein Foto umarmen, so richtig mit denen reden.“ Auf dem Trainingsplatz am Waldrand, wo die Fußballer heute trainieren, sei damals „die Hölle los gewesen“, erzählt ein Carabinieri und zeigt auf die hohe Sichtschutzwand, die das Trainingsgelände hermetisch abschottet. „Die gab’s 1990 noch nicht, den Zaun aber schon.“ Dahinter wehten hunderte Deutschlandfahnen der Fans. Heute hängt eine schwarz-rot-goldene Flagge vorm „Spar“-Markt im Dorf.

Wie auf dem Foto im Juni 1990 parkt auch diesmal der Bus der Fußballer vor dem Hotel, nur eben ohne „Italia ’90“-Schriftzug auf dem Lack. Sei Freitag wohnt die 70-köpfige DFB-Delegation in Eppan, für andere Gäste ist kein Platz mehr in den Gemäuern. Die Turmsuite – mit 58 Quadratmetern und 1029 Euro Wochenpreis das größte und teuerste Zimmer – wird von Bundestrainer Löw bewohnt. Noch bis 2. Juni wohnen die Fußballer im „Weinegg“. Am Montag wird Kanzlerin Angela Merkel für einen kurzen Besuch im WM-Quartier erwartet – Helmut Kohl hatte 1990 andere Sorgen.

Neulich erst, bei einem Glas Weißwein in einer Festungsruine hoch über Bozen, war DFB-Manager Oliver Bierhoff voll des Lobes. Ideal seien die Bedingungen in Südtirol, einfach toll. Das Hotel am Lammweg ist streng abgeschirmt, auch der einzige Nachbar soll versprochen haben, auf allzu private Fotos von planschenden Nationalspielern zu verzichten. Kameras gibt es ja auch genug in diesen Tagen in Eppan: Neun Fernsehanstalten haben ihre Übertragungswagen im Dorf aufgebaut. 200 Journalisten sind es insgesamt, sagt DFB-Medienchef Harald Stenger. „1990 waren es vielleicht 40.“ Damals hieß der Pressechef noch Wolfgang Niersbach, der anschließend Karriere machte: Niersbach war bei der WM 2006 Vizepräsident des Organisationskomitees und ist heute DFB-Generalsekretär.

Eigentlich fehlt nur noch Udo Jürgens, damit der noch einmal seine damals so schmissige WM-Hymne „Wir sind schon auf dem Brenner, wir brennen schon darauf“ trällert. Doch anders als damals, und dafür dürften die Fans vielleicht ganz dankbar sein, greifen die Fußballer nicht zum Mikrofon. Sie gehen ihrem hauptamtlichen Job nach. Am Montagabend luden sie die Herren des FC Südtirol zu einem Testspielchen am Waldrand ein, viele Fans kamen aus ihren Pensionen herbeigeeilt. Denn das Spiel hat eine gewisse Tradition: Im WM-Trainingslager vor zwanzig Jahren traten die Deutschen hier ebenfalls gegen Amateurkicker aus den Gemeinden an. Das Ergebnis gegen die Südtirolauswahl fiel allerdings klarer aus: 13:0.

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