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Und es hat bumm gemacht. Podolskis Stärke ist der Torabschluss. Sein linker Fuß ist eine Waffe, seine Form nicht immer. Foto: AFP

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Sport: Das gefühlige Unikum

Lukas Podolski bleibt vielen ein Rätsel. Bundestrainer Löw stachelt ihn an – mit Druck und Vertrauen

Irgendetwas muss Joachim Löw seinem schwankenden Lukas Podolski eingeflößt haben. Und der Bundestrainer war sich der umwerfenden Wirkung sicher gewesen. Noch kurz vor dem Länderspiel gegen Österreich sagte er: „Passt mal heute auf den Lukas Podolski auf!“ Tatsächlich lieferte Podolski ein starkes Spiel ab. Wenn es nur immer so leicht wäre.

Die Sache war nämlich die, dass der Kölner Profi schon auf dem besten Weg war, ins Abseits zu laufen. Nach einer schwachen Leistung gegen Brasilien vor knapp einem Monat stand der einstige Fußball-Prinz vor dem tiefen Fall. Fast ein Jahr lang hatte der 26-Jährige für Deutschland nicht mehr getroffen. Gegen Brasilien spielte er ohne Präzision, ohne Mumm, ohne Torabschluss. In einer solchen Verfassung, dass spürten alle, hat Podolski keinen Wert für die Nationalelf – höchstens als plauderndes Unikum. Zumal dem einstigen Liebling der Nation in André Schürrle ein ernsthafter Konkurrent erschienen ist. Der 20 Jahre alte Leverkusener hat in sieben Länderspielen viermal getroffen, zuletzt gegen Brasilien und nun auch gegen Österreich, als er für Podolski eingewechselt wurde. „Ich weiß auch, dass die letzten beiden Länderspiele nicht das waren, was ich kann“, sagte ein erleichtert wirkender Podolski nach dem famosen 6:2-Sieg über Österreich. Podolski hatte dabei ein Tor erzielt. Es war sein 43. Treffer für Deutschland, womit er Uwe Seeler eingeholt hat. „Ich habe immer betont, dass man mir vertrauen kann.“

Vertrauen ist jenes Bindemittel, dass das Verhältnis zwischen Löw und Podolski treffend beschreibt. Wenn die deutsche Mannschaft heute nach Danzig reist, wo sie am Dienstag gegen Polen antritt, steht Podolski vor seinem 92. Länderspieleinsatz, dem 50. unter Löw. Keinen anderen Spieler setzte der Bundestrainer in seiner fünfjährigen Amtszeit häufiger ein.

Vor allem der Bundestrainer versteht es, Lukas Podolski zu motivieren. Als der Kölner vor der WM 2010 mit einer sich lächerlich ausnehmenden Bilanz von zwei Saisontoren in 27 Saisonspielen zum Nationalteam stieß und gerade von 241 Bundesligakollegen zum „Absteiger der Saison“ gewählt worden war, hielt Löw zu ihm. Podolski zahlte das Vertrauen mit starken WM-Auftritten zurück. „Der Bundestrainer hat mir in meiner Karriere sehr geholfen“, sagt Podolski. „Er hat mir nicht nur sportlich sehr viel mit auf dem Weg gegeben, sondern auch menschlich.“

Bei aller Wankelmütigkeit in seinen Leistungen, bei aller Konkurrenz und bei aller Erregtheit rund um Podolski basiert Löws Treue auf der vielleicht größten Qualität Podolskis: Bei großen Turnieren hat er noch nie versagt. Jeweils drei Treffer erzielte er beim Confed-Cup 2005, der Heim-WM 2006 sowie der EM 2008. Bei der WM in Südafrika traf er zweimal.

Man könnte auch von einer beiderseitigen Anhänglichkeit sprechen. Eine, die auch das klare Wort aushält. So ist es immer wieder Löw, der Podolski antreibt. Vor der WM in Südafrika, als Podolski durchhing, bekam der Stürmer ein spezielles Trainingsprogramm verschrieben. „Er wird von uns täglich angetrieben“, sagte Löw damals und machte Ernst. Es funktionierte, so, wie es bisher immer funktioniert hat. Man könnte auch sagen: Podolski ist ein Spieler, der immer dann gut ist, wenn er einen gewissen Anlauf hat. Dann aber, am Tag X, ist er da wie kaum ein anderer. Bei den beiden vergangenen Turnieren, der EM 2008 und der WM 2010, war es Podolski, der jeweils das erste deutsche Tor schoss. „Bei Turnieren war er sofort da. Da hat er immer großartige Leistungen abgeliefert. Es ist immer eine gewisse Zuversicht beim Lukas vorhanden“, sagte Löw.

Nun ist es aber auch so, dass die Zeit zwischen den Turnieren nicht nur wegen der Qualifikationsspiele an Bedeutung gewonnen hat. Ein Dutzend hoch talentierter Spieler drängt nach – Spieler, die in ihren Vereinen Woche für Woche glänzen und erheblich Druck ausüben auf Löws Stammpersonal. Bis vor einem Jahr sah das noch anders aus. Profis wie Marko Marin oder Piotr Trochowski, die sich auf Podolskis Position im linken, offensiven Mittelfeld probieren durften, hat Podolski auf Distanz halten können. Bei Schürrle ist das nicht so. Selbst den Dortmunder Kevin Großkreutz behält Löw im Auge. Das spürt auch Podolski.

„Ich weiß, was Lukas kann, welches Potenzial er hat“, sagt Löw. Zuletzt habe er diese Qualität oftmals nicht abgerufen. „Ich verlange, dass er es permanent tut“, sagte Löw. Und so setzte er sich mit Podolski zusammen und redete ihm ins Gewissen. Mit Erfolg. Gegen Österreich gab es wieder den dynamischen, draufgängerischen, wuchtigen Podolski zu sehen. „Er hat das gemacht, was ihn stark macht. Er ist viel in die Tiefe gegangen“, analysierte Löw, der die spielerischen Qualitäten Podolskis so beschreibt: „Er ist dann klasse, wenn er aus der Bewegung spielt. Das war auch meine Forderung an ihn.“

Nun geht es nach Polen, in die Heimat Podolskis. Geboren wurde er in Gliwice (Gleiwitz), 1987 siedelten seine Eltern nach Deutschland um. „Wenn man in dem Land geboren ist, zu Hause immer polnisch spricht, seine Großfamilie da noch lebt, dann ist ein besonderes Spiel“, sagt Podolski. Noch immer wird ihm in Polen hoch angerechnet, dass er nach seinen beiden Toren gegen seine alte Heimat bei der EM 2008 den Torjubel unterdrückte. „Der Respekt ist auf beiden Seiten da“, ist sich Podolski sicher. „Wir sind der Favorit, aber ich denke, sie wollen vor eigenem Publikum schon gern einen großen Gegner schlagen.“

Vor wenigen Wochen drohte Podolskis Karriere ins Trudeln zu geraten. Der 1. FC Köln startete schwach in die Saison. „Vielleicht hat eine Rolle gespielt, dass verschiedene Themen, die um den Verein herum passierten, nicht gut waren“, sagt er selbst. Kölns neuer Trainer Stale Solbakken hatte Podolski als Kapitän abgesetzt, was diesem sehr zu schaffen machte.

„Der Lukas ist ein gefühliger Mensch“, sagt Löw und lächelt verständnisvoll. Er weiß eben, wie er Podolski kitzeln und anstacheln kann, wie er ihn kriegen kann. Auch Podolski lächelt, als er sagt: „Wir hatten einfach ein gutes Gespräch.“

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