Zusammengewürfelte Mannschaft: Das letzte Aufgebot
Die Bundesliga-Vereine haben sich durchgesetzt. Bundestrainer Joachim Löw wird gegen Dänemark eine ziemlich abstruse Elf aufs Feld schicken müssen.
Berlin - Das Verhältnis zwischen Deutschen und Dänen gilt als weitgehend unkompliziert, von Spannungen in der jüngeren Vergangenheit ist nichts bekannt, sieht man einmal von jener unappetitlichen Geschichte ab, die sich vor drei Jahren in Duisburg zugetragen hat. Auf den ersten Blick handelte es sich um ein Testländerspiel zwischen den deutschen und den dänischen Fußballern, bei genauerem Hinsehen aber – um einen schlimmen Affront der Deutschen gegen ihren kleinen Nachbarn. „Das ist respektlos und sehr egoistisch“, schimpfte der dänische Nationaltrainer Morten Olsen. Sein Ärger hatte sich an der Aufstellung von Joachim Löw entzündet. Der Bundestrainer hatte eine bessere B-Mannschaft aufs Feld geschickt, acht WM-Teilnehmer geschont, dafür sechs Nachwuchskräften zu ihrem Länderspieldebüt verholfen. Die Dänen gewannen 1:0, brachten Löw im neunten Spiel als Bundestrainer die erste Niederlage bei, und trotzdem war Morten Olsen auch nach dem Abpfiff schwer zu besänftigen.
Diese Vorgeschichte verleiht dem morgigen Länderspiel zwischen Deutschen und Dänen in Kopenhagen (20.30 Uhr, live im ZDF) noch eine zusätzliche, eine äußerst pikante Note. Wie einst in Duisburg wird Joachim Löw erneut eine krude zusammengestückelte Elf ins Rennen schicken: Nur sieben Spieler stehen im Kader, die vor einem Monat in Südafrika WM-Dritter geworden sind; dafür kehrt Christian Schulz, 27, nach fünf Jahren Pause in die Nationalmannschaft zurück. Schulz spielt bei Hannover 96 in der Innenverteidigung, bei dem Bundesligisten also, der in der vergangenen Saison zum zweiten Mal hintereinander die meisten Gegentore kassiert hat.
Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man meinen, Joachim Löw wollte Morten Olsen für seine Aussagen von damals noch ein bisschen strafen und einen weiteren Wutanfall provozieren. Diesmal aber findet Dänemarks Trainer die Personalauswahl seines Kollegen völlig in Ordnung: „Ich kann alles nachvollziehen. So kurz nach der WM kommt dieses Länderspiel eindeutig zwei Wochen zu früh.“
Über den Termin wenige Tage vor Saisonbeginn ist in Deutschland heftig diskutiert worden. Das Aufgebot, das der Bundestrainer letztlich zusammengebastelt hat, ist vor allem als gut austarierter Kompromiss zu verstehen, als gelebte Diplomatie sozusagen, und daher unter sportlichen Gesichtspunkten mit Vorsicht zu genießen. Marcel Schäfer, Andreas Beck, Thomas Hitzlsperger, Aaron Hunt und Christian Gentner wurden noch vor drei Monaten als nicht gut genug für die WM befunden; gegen Dänemark aber dürfen sie gerne aushelfen. Die weitere Perspektive ist zumindest für Hitzlsperger, Gentner und Schäfer wohl eher mäßig. Die wirklichen Perspektivspieler des Landes sind für das Spiel in Kopenhagen allesamt verhindert: Sie müssen zur selben Zeit mit der U 21 in der EM-Qualifikation in Island antreten.
Als einziger Debütant reist Sascha Riether mit nach Dänemark. Der Wolfsburger hat bei seinem Klub in den vergangenen beiden Jahren durchaus länderspielreife Auftritte gehabt, gerade im Meisterjahr 2009 war Riether ein Schlüsselspieler beim VfL. Trotzdem hat er es allenfalls in den Dunstkreis der Nationalmannschaft geschafft. Mehr hat Löw ihm nie zugetraut – bis er ihn nun, im Alter von 27 Jahren, zum ersten Mal in die Nationalmannschaft berufen hat. Man darf das ruhig für komisch halten, angesichts der besonderen Umstände muss man es aber nicht.
Es passt zu diesem Länderspiel, dass die interessanteste Personalie in Löws Kader gestern ihre Teilnahme absagen musste. Marco Reus, offensiver Mittelfeldspieler von Borussia Mönchengladbach, verpasst wegen eines grippalen Infekts sein Debüt in der Nationalmannschaft. Der 21-Jährige, eine der großen Entdeckungen der vergangenen Saison, taugt nicht nur zum Kaderauffüller, er besitzt auch mittel- und langfristig eine Perspektive in Löws Team. Reus ist schnell, dribbelstark und trotzdem zielstrebig. „Marco hat in seinem Spiel etwas, das nicht allzu viele in Deutschland haben“, sagt sein Vereinstrainer Michael Frontzeck. Das Land muss jetzt noch ein bisschen warten, bis es sich an diesen Fähigkeiten erfreuen kann.