zum Hauptinhalt
Weißkittel am Ball. Als sie noch auf dem Körnerplatz spielen durften, fanden die Cricketspieler perfekte Bedingungen vor. Foto: Imago

© IMAGO

Sport: Die Mühen der Ebene

Der einzige Cricketplatz in Berlin ist abgerissen worden – nun steht der Sport in der Stadt vor dem Aus. Um ein neues Quartier auf dem Maifeld ist ein Streit entbrannt – der Platz ist huckelig

Berlin - Ungläubig blickt Martin Haynes auf das Loch im Körnerplatz auf dem Olympiagelände. „Hier befand sich das Herz unseres Cricketplatzes, die Pitch“, sagt der Leiter der Berliner Cricketliga und seine Stimme hört sich alles andere als fröhlich an. Die Pitch ist im Cricket eine drei Meter breite und 20 Meter lange ebene Fläche zwischen dem Werfer und dem Schlagmann. Sie besteht aus Kunstrasen, der auf einem harten Untergrund liegt, damit keine Unebenheiten stören. Da der Ball beim Cricket als Aufsetzer geworfen wird, birgt ein unebener Boden eine hohe Verletzungsgefahr – der Ball kann verspringen und den Schlagmann im Gesicht treffen. Am Körnerplatz gibt es nun keine ebene Pitch mehr.

Lediglich eine kleine Hütte, an der der Spielstand angezeigt wird, das sogenannte Scorerhäuschen, erinnert noch an die 40 Jahre lange Nutzung als Cricketplatz. „So ein schönes Scorerhäuschen im klassischen britischen Cricketstil habe ich nirgends in Deutschland gesehen. Und auch die Qualität des Körnerplatzes findet man deutschlandweit nur noch in Mönchengladbach“, sagt Haynes, mit noch traurigerer Stimme.

Beim Cricket dreht sich alles um das Duell zwischen Werfer und Schlagmann. Beide stehen sich an den jeweiligen Enden der Pitch gegenüber. Zudem steht ein weiterer Schlagmann direkt neben dem Werfer. Gelingt es dem Schlagmann, den Ball wegzuschlagen, so tauscht er mit seinem Gegenüber so lange die Position, bis das gegnerische Team den Ball wieder zurückgebracht hat. Für jeden Positionstausch, genannt Run, gibt es Punkte.

Da es sich bei dem Körnerplatz um den einzigen Cricketplatz der Stadt handelte, steht nun der ganze Ligabetrieb Berlins auf dem Spiel. Begründung für den Rückbau ist die Gefährdung von Passanten, Autos und Gebäuden im Umfeld des Platzes durch herumfliegende Cricketbälle. Laut Senatsverwaltung wäre die Errichtung von Sicherheitszäunen zu teuer. Der Trainingsplatz von Hertha BSC liegt zehn Meter entfernt; er ist umgeben von Fangnetzen.

Nach dem WM-Finale, das vor zwei Wochen mehr als eine Milliarde Menschen rund um den Erdball verfolgten, bangt die multikulturelle Cricketszene Berlins um ihre Existenz. Hier spielen bisher Inder mit Pakistani, Afghanen mit Sri Lanker. Und auch Briten, Türken und Deutsche tummeln sich in den Teams des Berliner Cricket-Komitees , wie sich die Liga nennt. „Für den Cricketsport in Berlin gibt es keinen schlechteren Zeitpunkt zur Schließung des einzigen Platzes“, klagt Haynes. „Was soll ich denn den ganzen Leuten sagen, die sich jetzt nach der großartigen WM in Indien bei uns melden und mitspielen wollen?“ Nun schweigt Haynes.

Die Senatsverwaltung hat inzwischen eine alternative Spielfläche bis Mitte August angeboten – auf dem Maifeld. Bis dahin könne man laut Haynes die Saison jedoch nicht fertig spielen. Gegenüber dem Tagesspiegel stellt die Senatsverwaltung nun eine weitergehende Nutzung in Aussicht: „Der Cricket-Sport soll dort dauerhaft etabliert werden. Die Fläche steht ganzjährig zur Verfügung, lediglich einzelne Tage sind wegen anderer Veranstaltungen auf dem Maifeld oder im benachbarten Olympiastadion von der Nutzung ausgenommen.“ Eigentlich kein schlechtes Angebot. Haynes bemängelt jedoch, dass die Wiese auf dem Maifeld nicht bespielbar sei, weil eben nicht eben genug. Die Verwaltung denkt nun daran, auf dem huckeligen Rasen eine neue Pitch für 6000 Euro herzurichten. Es ist aber umstritten, ob das Geld dafür ausreicht.

Kann der Spielbetrieb nicht gesichert werden, so ist die Zukunft des Cricket in Berlin stark gefährdet. Auch die Jugendförderung, die in Zusammenarbeit mit der Quentin-Blake-Grundschule betrieben wird, stünde vor dem Ende, wenn eine Einigung scheitert. Daher ruhen die Hoffnungen der Berliner Cricketgemeinschaft auf einem Treffen, das nun zwischen Vertretern der Cricket-Liga und der Senatsverwaltung stattfinden soll.

Bis dahin tragen die Cricketfans und -spieler traurige Stimmen.

Denn die Schließung des Platzes könnte sich aus ihrer Sicht auch auf die Leistung der Nationalmannschaft auswirken, die in zweieinhalb Wochen bei der Weltliga in Botswana um den Aufstieg in die nächsthöhere Klasse spielt. „Wir sind hier in Berlin drei Nationalspieler, wie sollen wir uns denn vorbereiten?“, fragt Andre Leslie, deutscher Nationalspieler und bei der Cricket-WM als Fernseh-Kommentator im Einsatz.

„Wir können doch nicht jeden Tag zum nächstgelegenen Cricketplatz nach Dresden fahren.“ Zumal es dort kein so schönes Scorerhäuschen gibt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false