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Heute heißt es Mann gegen Mann bei Portugal gegen Wales.

© dpa

EM: Portugal gegen Wales: Cristiano Ronaldo vs. Gareth Bale

Der Portugiese Cristiano Ronaldo war lange Alleinherrscher bei Real. Doch die Zukunft in Madrid gehört dem Waliser Gareth Bale. Bricht die Zeitenwende schon heute im EM-Halbfinale an?

Es gibt da diese Geschichte, aufgebracht von einer englischen Boulevard-Zeitung. Sie besagt, dass Gareth Bale sich vor etwas mehr als einem Jahr in psychologische Behandlung begeben musste wegen eines Mitspielers bei seinem Klub Real Madrid, der ihm das Leben angeblich bitter machte. Cristiano Ronaldo sein Name, in dem Bericht wird der dreifache Weltfußballer als mobbender Diktator dargestellt, der versucht, den Kollegen aus niederen Motiven wie Neid und Eifersucht klein zu halten.

Bestätigt worden ist das nie. Keiner der Beteiligten hat sich je dazu geäußert. Nach allem, was aber irgendwie doch durch die Mauern des hermetisch abgeriegelten Trainingszentrums in Valdebebas dringt, verstehen sich die Ausnahmespieler entgegen aller Behauptungen recht gut und üben gelegentlich sogar gemeinsam Freistöße nach dem Training. Beide haben eine ähnliche Schusstechnik perfektioniert, Bale hat sogar zugegeben, dass seine stark an Ronaldos angelehnt ist.

Bale und Ronaldo sind Kollegen, keine Freunde, die sich respektieren und deren Karrieren mittlerweile eng miteinander verzahnt sind. Die Berührungspunkte gehen weit über das Schießen von Freistößen hinaus. Dieses Europameisterschafts-Halbfinale am Mittwoch zwischen Portugal und Wales ist in erster Linie ihr Duell und das Spiel ihre Geschichte. Die Geschichte zweier Männer, die einerseits unterschiedlicher kaum sein könnten und andererseits nicht ähnlicher. Die obsessiv ihre Laufbahnen verfolgen, sich von der Außenwelt abschirmen, aber mit einem gänzlich anderen Naturell ausgestattet sind. Der eitle Ronaldo, der mit den Mitspielern motzt, wenn diese ihm den Ball nicht maßgerecht in den Fuß spielen und Bale, der bei diesem Turnier stets den Eindruck erwecken will, nur Teil eines großen Ganzen zu sein.

Obwohl Gareth Bale und Cristiano Ronaldo im Arbeitsalltag beim gleichen Klub angestellt sind, das gleiche Trikot tragen und die gleichen Ziele verfolgen, sind sie immer auch Konkurrenten. Etwa wenn es darum geht, wer mehr Tore schießt, wer auf welcher Position spielen darf oder wem die Gunst des Publikums leidenschaftlicher entgegenschlägt. Es ist eine latente Rivalität, nicht immer greifbar, die nun zur Abwechslung ganz offen ausgelebt werden kann. Wales und Portugal sind jene zwei Mannschaften, die mehr als alle anderen mit ihren prominentesten Spielern in Verbindung gebracht werden. Da kann sich der Waliser Bale noch so wehren und sagen: „Es geht nicht um zwei Spieler, jeder weiß das, es geht um zwei Nationen, elf Mann gegen elf Mann.“ Am Ende geht es darum, wer von beiden seine Mannschaft ins Finale bringt und die Überraschung wäre durchaus größer, sollte Bale derjenige sein. Ein Sieg, womöglich noch mit einem Tor von ihm, könnte ihn weiter zu Ronaldo aufschließen lassen. Jetzt schon.

Ronaldo ist schon 31

Längst haben die Verantwortlichen von Real Madrid Bale als Ronaldos Nachfolger auserkoren. Letzterer ist inzwischen 31 Jahre alt und auch wenn sein Körper resistent gegen das Altern erscheint, besteht der Verdacht, dass die Leistungskraft in naher Zukunft abnehmen könnte beim Portugiesen. Dann soll Bale dem galaktischen Zirkusbetrieb ein neues Gesicht geben. Nach der EM ist eine Vertragsverlängerung bis 2021 geplant, die dem 26-Jährigen rund 20 Millionen Euro pro Jahr einbringen soll. Das wäre nur knapp weniger, als Ronaldo bisher verdient und wahrscheinlich ist die Summe nur nicht noch höher, um das Verhältnis zum Portugiesen nicht irreparabel zu belasten. Der achtet penibel darauf, in allen Kategorien an der Spitze zu liegen – nicht nur den sportlichen.

Da hin! Cristiano Ronaldo (r.) weist seinem Teamkollegen Gareth Bale bei Real die Position zu. Wie lange noch?
Da hin! Cristiano Ronaldo (r.) weist seinem Teamkollegen Gareth Bale bei Real die Position zu. Wie lange noch?

© Imago/Cordon Press/Miguelez Spor

Als Bale 2013 von Tottenham Hotspur nach Madrid wechselte, war klar, dass er, obwohl ein Spezialist für die linke Seite, auf rechts würde spielen müssen. Links, da ist Ronaldo gesetzt. Bale, der teure Neuzugang, musste sich hinten anstellen in der Hierarchie und dort spielen, wo man ihm einen Platz zuteilte. Wobei seine Ablösesumme lange Zeit eine sagenumwobene Zahl darstellte.

Zuerst war die Rede von 100 Millionen Euro, dann von 90, dann 93 und Reals Präsident Florentino Perez, der sonst Großes öffentlich gern noch ein bisschen größer macht, gab sich allergrößte Mühe, den Betrag immer kleiner zu reden. Nur nicht mehr als 94 Millionen, lautete die interne Vorgabe. So viel Geld hatte Perez 2009 an Manchester United für Ronaldo überwiesen. Nie in der Geschichte war ein Fußballer teurer gewesen, und das sollte nach Ronaldos Dafürhalten auch so bleiben. Dumm nur, dass die Enthüllungsplattform „Footballleaks“ kürzlich die wahre Summe veröffentlichte und auf 101 Millionen Euro bezifferte. Der Hausfrieden war daraufhin empfindlich gestört, jedenfalls zwischen Ronaldo und Perez.

Bale ist anzusehen, wie sehr er die Zeit mit dem Nationalteam genießt

Gareth Bale ist bei dieser Europameisterschaft anzumerken, wie sehr er die Zeit bei der Nationalmannschaft genießt. Weit weg von all den Eitelkeiten, den Hahnenkämpfen und vom Leben unter der Madrider Glaskugel, auch wenn er sich im Vergleich zu früheren britischen Spielern ganz gut arrangiert hat mit der spanischen Hauptstadt. Wie Ronaldo lebt er dort zurückgezogen mit seinem kompletten Clan hinter hohen Mauern. Die Anwesenheit der Liebsten macht das abgeschottete Dasein in Madrid für den Familienmenschen erträglicher.

Richtig frei fühlt sich Bale nur mit den Kollegen aus dem Nationalteam. Wales hat sich in Frankreich nicht abgeschottet wie die meisten anderen Mannschaften. „Die EM fühlt sich an wie ein Urlaub mit Freunden“, hat Bale dieser Tage gesagt. Mit den anderen bewegt er sich frei am Strand, macht Fotos mit Passanten, ist stets gut gelaunt.

Drei Mal hat Bale bei dieser EM schon getroffen, und wer ihn nach seinen Toren hat jubeln gesehen, diese pure Begeisterung in seinem Gesicht, der wird erahnen, was ein Finaleinzug mit Wales für ihn bedeuten würde. Dass er dabei Cristiano Ronaldo aus dem Turnier werfen würde, ist nicht mehr als ein netter Nebeneffekt.

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