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Sport: Er kann auch schwimmen

Normann Stadler gewinnt zum zweiten Mal den Ironman von Hawaii

In seiner langen Triathlonkarriere hat Normann Stadler schon viele hundert Male irgendeine Ziellinie überquert. Oft wurde der Sieger des Hawaii-Ironman von 2004 dabei von seinen Gefühlen übermannt und brach in hemmungsloses Schluchzen aus – egal, ob er gewonnen oder verloren hatte. Als Stadler an diesem Samstagnachmittag im Hafen von Kailua Kona auf der Hawaii-Insel Big Island zum zweiten Mal als Erster ins Ziel kam, brach er nicht zusammen. Diesmal brach sich der Übermut des Triumphators Bahn. Weit streckte Stadler beim Einlauf die Arme von sich, wie ein Adler, der auf seine Beute segelt. Dann rammte er die Faust in die Luft, als wollte er der Menge bedeuten, dass er es allen gezeigt hatte.

Normann Stadler, einst für seine schwachen Nerven und seine Labilität bekannt, ist selbstbewusst geworden. „Vor zwei Jahren haben alle gesagt, dass das eine Eintagsfliege ist“, erinnerte er sich nach seinem zweiten Hawaii-Sieg trotzig an seinen ersten Erfolg im Jahr 2004. Damals war Stadler in seiner besten Disziplin, dem Radfahren, den verdutzten Konkurrenten so weit enteilt, dass sie ihn nicht mehr einholen konnten. Er wurde deshalb trotz seiner Nachteile im Wasser und beim Marathon Ironman. So etwas, nahmen sich die geschockten Gegner vor, würde ihnen nicht noch einmal passieren. Doch es passierte noch einmal: „Heute habe ich gezeigt, dass ich nicht nur Rad fahren, sondern auch schwimmen und laufen kann“, sagte Stadler.

In der Tat hatte er schon früh am Morgen im trügerisch ruhigen Pazifik seinen zweiten Hawaii-Sieg vorbereitet. Stadler kämpfte erfolgreich gegen die starken Strömungen unter der glatten Wasseroberfläche und ließ die Führungsgruppe um den Vorjahressieger und Schwimmexperten Faris Al-Sultan um nur 30 Sekunden enteilen. In den vergangenen Jahren hatte sich Al-Sultan gegenüber Stadler im Wasser immer einen großen Vorsprung erarbeitet. Zeitweise hatte der zehn Minuten betragen. Gestern verwandelte Stadler seinen überschaubaren Rückstand in unwiderstehlicher Manier auf dem Rad in einen Vorsprung von elf Minuten und drückte dabei den Streckenrekord für die 180 Kilometer auf vier Stunden und 18 Minuten. Das entspricht einem Stundenschnitt von beinahe 42 Kilometern.

So sehr seine Verfolger Al-Sultan und der Australier Chris McCormack sich auch mühten, sie konnten dieses Defizit im Marathon nicht mehr wettmachen. Al-Sultan wurde mit acht Minuten Abstand Dritter, McCormack zwei Minuten hinter Stadler Zweiter. Der Titelverteidiger Al-Sultan nahm die Niederlage jedoch gelassen hin. Von zu vielen Wettkämpfen und anstrengenden PR-Terminen ausgelaugt, war er ohnehin nicht in Bestform nach Hawaii gekommen, und deshalb verneigte er sich ohne Neid vor dem neuen Champion: „Normann hat ein großes Rennen gezeigt.“

Vor allem aber war Al-Sultan froh, dass sein Erzrivale McCormack Stadler nicht mehr einholen konnte. McCormack, fand der Münchner, hätte den Sieg nicht verdient gehabt, weil er auf dem Rad regelwidrig den Windschatten seiner Mitstreiter in der Verfolgergruppe hinter Stadler ausgenutzt habe. Ein Vorwurf, den auch Stadler bestätigte: „In meinen Augen gehört Faris der zweite Platz.“ Der erste Platz gehörte hingegen unumstritten Stadler. Und den gönnte ihm nach einer bitteren Pechsträhne jeder in der Triathlonszene. Im vergangenen Jahr hatte Stadler nach zwei Reifenpannen das Rennen aufgeben müssen. Beim diesjährigen Ironman in Frankfurt war er vom Rad gestürzt und hatte sich blutend und verletzt als Elfter ins Ziel geschleppt.

Dass er trotzdem nicht den Mut und den Glauben an sich verlor, war ein weiteres Zeichen für sein erstarktes Selbstbewusstsein. Sein ursprünglicher Wandel von einem hadernden Nervenbündel zu einem furchtlosen Kämpfer kam im Jahr 2002 – dem Jahr seiner bis dahin schlimmsten Vorstellung auf Hawaii. Damals war er völlig eingebrochen und hatte sich mehr als eine Stunde hinter den Favoriten unter körperlichen wie seelischen Qualen ins Ziel gekämpft. Das Erlebnis, sagte Stadler, habe ihm die mentale Härte gegeben, die diese Sportart ihren Besten nun einmal abverlangt. Im Verlauf des vergangenen Jahres musste er erneut einige Rückschläge verkraften, und er ist erneut mit erhobenem Haupt zurückgekommen. Damit dürfte die Zeit der Zweifel und der Gefühlszusammenbrüche für Normann Stadler wohl endgültig vorbei sein.

Sebastian Moll[New York]

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