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Sport: Fahren, um zu dienen

Das schwere Los der Helfer bei der Tour de France

Mende - Tag für Tag kämpft Daniel Becke gegen die Zeit – gegen die Karenzzeit. Der 27-jährige Erfurter weiß: Wer zu spät kommt, den bestraft die Tour de France mit Ausschluss. Jens Voigt wurde ein Opfer dieser Regel. „Deswegen gebe ich auch keine Prognose ab, ob ich nach Paris komme“, sagt der Thüringer. „Ich kämpfe bis zum letzten Drücker.“ In Sydney 2000 wurde er Olympiasieger in der Viererverfolgung. Jetzt fährt er zum dritten Mal die Tour – für Illes Balears. Mit dem Mannschaftszeitfahren auf der vierten Etappe hatte er seine Hauptaufgabe erfüllt. Der Job danach: Flaschen holen für seinen Kapitän Francisco Mancebo.

Fast wäre Becke auf der 9. Etappe im Krankenhaus gelandet: Sturz bei Tempo 57 in einer Kurve auf einer Abfahrt. „Es war, als tauche ich in die Felswand ein“, schilderte er das Malheur. Becke rappelte sich wieder auf und überzeugte den Arzt, dass er weiterfahren könne. Sein Rad war völlig demoliert. Täglich berichtet Becke nebenher für einen Radiosender und das Fachmagazin „Procycling“ in einem Tagebuch von seinen Tour-Leiden. Tapfer hält er seinen 150. Platz. Fünf Fahrer sind noch langsamer als er, darunter Robert Förster (Gerolsteiner).

Daniel Becke ist einer von sechs deutschen Radprofis, die in Diensten ausländischer Teams zur 92. Tour antraten. Aber er ist keiner der Privilegierten wie Voigt (CSC) und Jörg Jaksche (Liberty Siguros), die in dem Auslandsjob den „Abenteuerfaktor“ (Voigt) suchen. Jaksche ist inzwischen sogar die Nummer eins im Team, nachdem die Kapitäne Roberto Heras und Joseba Beloki völlig eingebrochen sind. Becke aber ist Knecht. Er war in Sorge, überhaupt einen Arbeitsplatz auf dem Rad zu finden. Rudy Pevenage hatte ihm nach der Auflösung des Bianchi-Teams 2003 den Job besorgt.

Leiden muss auch Bert Grabsch im Schweizer Team Phonak. „Ich muss im Flachen vor den Bergen arbeiten. Und bei der großen Hitze bedeutet das: Flaschen holen, vor und zurück. Die Zuschauer bekommen diese knochenharte Arbeit nicht mit“, schildert Grabsch klaglos seine Aufgabe. Eigene Ambitionen? „Muss ich begraben“, sagt der 30-Jährige. „Radsport ist Mannschaftssport. Kapitäne brauchen Helfer, ohne die selbst Lance Armstrong die Tour nicht gewinnen würde.“ Seit 2001 erfüllt Grabsch pflichtbewusst seine Aufgaben bei Phonak. Derlei Zuverlässigkeit wird belohnt. Sein Vertrag wurde bis 2006 verlängert.

Sorgenfrei, ohne Verpflichtung gegenüber seinem Chef, strampelt Patrik Sinkewitz (Quick Step) durch diese Tour. Der Hesse ist in Ungnade gefallen bei seinem Chef Roger Lefevere, nachdem sein Wechsel zur nächsten Saison zu T-Mobile bekannt wurde. „Ob ich Achtzigster oder Hundertster bin – egal. Ich habe unter diesen Umständen keine Form mehr“, sagt Sinkewitz. Nächstes Jahr in Ullrichs Team gilt’s für ihn.

Hartmut Scherzer

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