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Kein Schwein hilft. Bei der Qualifikation zum Großen Preis von Italien nutzten Fernando Alonso auch Glücksbringer nichts.

© Reuters

Ferrari in der Krise: Zerhämmert in tausend Teile

Auch beim Heimspiel in Monza fährt Ferrari nur hinterher. "Es wird hart im Rennen. Die Red Bull sind schon das ganze Wochenende stark", sagt der frustrierte Alonso und denkt schon an 2014.

Als Sebastian Vettel nach dem Formel-1- Rennen 2011 in Monza als Sieger auf dem Podest stand, wurde er von den Tifosi nicht gerade gefeiert. „Klar, du trägst keinen roten Overall“, flüsterte ihm damals der neben ihm stehende Jenson Button grinsend ins Ohr. „Alles was nicht Ferrari ist, zählt hier nicht.“ Beim Heimspiel in Italien schauen alle auf Ferrari. Wenn schon nirgends anders, aber hier müssen die Roten unbedingt gewinnen, sonst schwenkt die Begeisterung im Königlichen Park schnell um in eine Mischung aus Enttäuschung und Ärger über Team und Fahrer.

In diesem Jahr ist der Druck besonders groß. Wenn der Ferrari-Star Fernando Alonso in der Weltmeisterschaft gegen Sebastian Vettel überhaupt noch eine Chance haben will, dann muss er unbedingt hier und auch beim nächsten Rennen in Singapur Boden gutmachen. Der jetzt schon 46 Punkte betragende Rückstand darf auf keinen Fall noch weiter anwachsen.

Doch die Voraussetzungen dafür sind nicht gerade ideal. Alonso wird heute im Autodromo Nazionale nur als Fünfter ins Rennen gehen. „Das ist kein gutes Ergebnis“, sagte der Spanier frustriert. „Es wird hart im Rennen. Die Red Bull sind schon das ganze Wochenende stark.“ Tags zuvor hatte er noch verkündet, sein Team müsse nun „liefern“.

Alonso weiß, dass er ab jetzt eigentlich Siege einfahren muss, um noch eine Chance im Titelkampf haben. Doch angesichts seines unterlegenen Wagens ist das wenig realistisch. Er denke nicht, dass „wir in den nächsten beiden Rennen Siege anvisieren können, sagte Alonso. „Das wäre zu optimistisch. Wir hoffen auf das Beste, aber ein realistischeres Ziel ist, vor Sebastian landen zu wollen.“ Viel leichter wird das aber nicht. Da Vettel heute von Platz eins startet, wird Alonso wohl gewinnen müssen, um dieses Ziel zu erreichen.

Abgesehen vom Rennen in Silverstone, das Vettel wegen eines Getriebedefekts nicht beendete, gelang es Alonso in den letzten Rennen ohnehin nicht, den Abstand auf den Heppenheimer zu verkürzen. „Aber das muss sich nun ändern“, sagt Alonso. Und wenn es nicht klappt? „Dann müssen wir beginnen, an das 2014er-Projekt zu denken, weil es dann nur noch sechs oder sieben Rennen bei einem massiven Punkterückstand wären“, sagt Alonso erstaunlich offen.

Alonsos deutliche Worte zeugen von einem realistischen Blick auf die Entwicklungen in den vergangenen Rennen. Was sich zuletzt schon in Spa andeutete, bestätigt sich in Monza endgültig. Red Bull hat nach der Sommerpause noch einmal einen Sprung nach vorne gemacht. Sehr wahrscheinlich durch eine weitere Verbesserung im Bereich des Unterbodens. Der frühere Formel-1-PilotChristian Danner glaubt, dass außerdem der seit Ungarn eingesetzte neue Pirelli-Reifen geholfen habe, und ansonsten sei wohl wieder Red Bulls Design-Guru Adrian Newey für die Weiterentwicklung verantwortlich: „Das Auto ist aerodynamisch glasklar überlegen.“ Das könne man auch daran sehen, dass Red Bull beim vergangenen Rennen in Spa mit kleineren Flügeln gefahren sei und trotzdem am schnellsten gewesen sei. „Da muss das Auto so viel Abtrieb vom Unterboden haben, dass es nur so pfeift“, sagt Danner. Es sei „ja süß gewesen“, dass Ferrari zum dem Rennen auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke in Monza aufgrund einer angeblich besonders guten Aerodynamik voller Hoffnung angereist sei. „Aber diese Hoffnungen haben die Herrschaften Vettel und Webber hier von Anfang an mit dem Hammer in tausend Teile zerschlagen.“

Schlechte Aussichten für Ferrari und Alonso

Und zwar nicht nur bei einzelnen schnellen Runden, gerade auch im Rennmodus auf längeren Ausfahrten sah der Red Bull auf der Strecke, die dem Auto eigentlich am wenigsten liegen sollte, überlegen aus. „So macht man die Gegner psychologisch fertig“, sagt Danner, „und die Message ist klar: Ihr könnt aufhören für 2013 zu entwickeln. Die Frage, ob Vettel wieder Weltmeister wird oder nicht, ist hiermit beantwortet. Es ist nur noch die Frage wann.“

Schlechte Aussichten also für Ferrari und Alonso. Für den Spanier könnte nebenbei auch noch schnell eine zweite Baustelle entstehen. Zwar behauptet er offiziell, es sei völlig normal, dass ein Top-Team auch zwei Top-Fahrer habe. Doch glücklich wäre der bisherige Alleinherrscher bei Ferrari sicherlich nicht, sollte sein nächstjähriger Teamkollege nicht mehr Felipe Massa, sondern doch Kimi Räikkönen heißen. Im Fahrerlager von Monza verdichteten sich die Gerüchte, dass es tatsächlich zu dieser brisanten Paarung kommen könnte. Der Brasilianer Massa war schon in den letzten beiden Jahren vor allem auf prominente Fürsprache angewiesen. Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo hielt die Hand schützend über ihn, wohl auch weil Massas Manager Nicolas Todt heißt und der Sohn von Jean Todt ist, der zufällig Präsident des Automobil-Weltverbands Fia ist. Doch inzwischen scheint di Montezemolo dieses Argument für die Weiterverpflichtung Massas nicht mehr auszureichen.

Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali antwortet jedenfalls auf die Frage, ob Ferrari über eine Rückkehr Räikkönens nachdenken würde, mit einem „Warum denn nicht?“ Dass er Räikkönen, der nach 2009 zwei Jahre nach seinem WM-Titel bei den Roten mehr oder weniger rausgeschmissen wurde, gern zurückholen würde, ist ein offenes Geheimnis. Dass der Finne bei Lotus nicht mehr glücklich ist, ebenso. Dort schuldet man ihm immer noch Gehalt, und für 2014 bekam er ein um mehrere Millionen niedrigeres Angebot als bisher. Die sportlichen Perspektiven sind nach dem Abgang von Cheftechniker James Allison ebenfalls nicht besonders rosig. „Die Verhandlungen liegen derzeit auf Eis, Lotus weiß, was ich will“, erklärte Räikkönen trocken. Nach der großen Liebe klingt das nicht mehr. In der Führungsspitze von Red Bull will man ebenfalls gehört haben, dass die Annäherung zwischen Räikkönen und Ferrari größer wird.

Am Ende muss Luca di Montezemolo entscheiden, ob ihm der Frieden im Team dank klarer Rollenverteilung weiterhin so wichtig ist. Alles deutet aber darauf hin, dass der Ferrari-Präsident nach der vermutlich sechsten titellosen Saison in Folge lieber potenziellen Dauerärger mit dem bisherigen Star Alonso in Kauf nehmen und zwei Top-Fahrer im Rennstall auf die Jagd gehen lassen wird.  Um wenigstens 2014 Red Bull und Sebastian Vettel wirklich angreifen zu können.

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