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Frauen dürfen jetzt auch Skispringen. Es hat gedauert.

© dpa

Frauen und Männer im Sport: Eine Frage der Gleichberechtigung

Wenn es um Frauen im Sport geht, maßten sich Männer lange Zeit an, über mögliche Schäden an weiblichen Fortpflanzungsorganen zu sinnieren. Damit ist nun langsam Schluss. Und inzwischen treten Frauen in immer mehr Disziplinen an.

Es ist doch ein wenig seltsam mit den Fortpflanzungsorganen im Sport. Geht es um Männer, spielen sie in der Regel keine Rolle, bei den Frauen aber geben sie immer dann Anlass zur Sorge, wenn Argumente gefunden werden müssen, warum Frauen einen bestimmten Sport nicht ausüben sollten. Berühmt ist der Satz des Weltskiverbands-Präsidenten Gian-Franco Kasper, wonach die Wucht des Aufpralls bei Skispringerinnen die Gebärmutter zerstöre. Aber auch die Kanu-Fahrerinnen müssen sich so etwas anhören, wenn sie sich in ein Kanadier-Boot setzen wollen: Die einseitige Entwicklung, die aus der knienden Position mit einem Stechpaddel resultiere, könne Unfruchtbarkeit hervorrufen oder die weibliche Entwicklung hemmen.

Der mögliche Schaden an den weiblichen Fortpflanzungsorganen ist ein immer wiederkehrender Mythos, der in erster Linie von Männern bemüht wird, die offenbar einem antiquierten Rollenverständnis anhängen: Die Frau soll Kinder bekommen – und nicht Sport treiben. Mit einem ähnlichen Argument wurden Frauen im 19. Jahrhundert vom Sporttreiben abgehalten: Sobald sie die Pubertät erreicht haben, sollten Frauen ihre Energie für die Fortpflanzungsaufgaben in ihren Rollen als Ehefrau und Mutter bewahren. Für diese Menschen, die derartigen Mythen anhängen, hat die Medizinische Kommission des Internationalen Olympischen Komitees 2011 ein für allemal festgestellt: „Eine Übersicht der Verletzungsdaten hat keine Beweise eines gesteigerten Risikos für akute oder chronische Schäden an den weiblichen Fortpflanzungsorganen ergeben“, schreibt die Kommission. Mit anderen Worten: Diese Sorge ist Blödsinn.

Trotzdem hat sich die Idee der Gleichberechtigung im Sport noch nicht überall durchgesetzt. Das Frauen-Skispringen ist erst seit diesem Jahr olympisch, die Kanadier-Fahrerinnen kämpfen gegen überwiegend männliche Sport-Funktionäre weiter um ihre Aufnahme ins olympische Programm. Ähnlich ergeht es bisher Frauen, die sich in einen Viererbob oder einen Doppelsitzer-Rodel setzen oder Nordische Kombination betreiben wollen. Für diese Frauen hat das Internationale Olympische Komitee (IOC) mit der in der vergangenen Woche verabschiedeten Reformagenda 2020 eine gute Nachricht: Künftig sollen bei Olympischen Spielen rund 50 Prozent Frauen teilnehmen. Außerdem sollen noch mehr Mixed-Teamwettbewerbe stattfinden.

Künftig sollen bei Olympischen Spielen rund 50 Prozent Frauen teilnehmen

„Es sollen mehr Frauen in den Spitzensport reingebracht werden“, erklärt Michael Vesper, Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), „da hat das IOC schon eine Menge erreicht.“ In London 2012 waren bereits 44 Prozent der Athleten Frauen, erstmals bot – außer St. Kitts and Nevis sowie der Insel Nauru – jedes Teilnehmerland mindestens eine Frau auf; sogar die muslimischen Länder, in denen die Gleichberechtigung der Frau auf hohe religiöse Hindernisse trifft. In vielen westlichen Ländern aber folgt das IOC mit der Stärkung der Athletinnen dem Zeitgeist. „Das IOC ist medial so erfolgreich wie nie“, sagt Vesper, „wenn man das erhalten will, muss man sich ständig reformieren.“ Deshalb geht der Trend im Sport zur Mischung von Männern und Frauen. „Mixed-Wettbewerbe nützen der Idee der Gleichstellung und der Förderung von Frauen“, sagt Vesper.

Frau in tragender Rolle. Die französische Eiskunstläuferin Marina Anissina hat ihren Partner Gwendal Peizerat im Griff.
Frau in tragender Rolle. Die französische Eiskunstläuferin Marina Anissina hat ihren Partner Gwendal Peizerat im Griff.

© picture-alliance / dpa/dpaweb

Allerdings gibt es nur in wenigen Mixed-Teamwettbewerben ein Miteinander der Geschlechter. Wie im Eistanzen, Reiten, Badminton oder Tennis, das in seinen Ursprüngen Männern und Frauen auch zum Kennenlernen diente. Doch bei vielen Wettbewerben ist es nur ein Hintereinander. Wie beim Rodeln, Alpinen Skifahren oder Biathlon. Am Ende werden Zeiten oder Benotungen der Frauen und Männer addiert. Diese Wettbewerbe wirken mitunter künstlich aufgesetzt, der Political Correctness geschuldet. Der Grund dafür wird oft mit den unterschiedlichen körperlichen Voraussetzungen bei Mann und Frau angegeben. Doch das muss nicht richtig sein.

So wurde auch im Wasserspringen argumentiert, weshalb Frauen und Männer im Teamwettbewerb bisher hintereinander statt miteinander sprangen. Männer könnten höher springen oder einen Salto mehr schlagen, sagten selbst Springerinnen. Doch künftig werden beide Geschlechter auf dem 3-Meter-Brett und dem 10-Meter-Turm ihre unterschiedlichen körperlichen Voraussetzungen in Einklang bringen müssen. Der Internationale Schwimmverband Fina hat auf seiner jüngsten Sitzung in Doha Regularien für das Mixed-Synchronspringen verabschiedet. Und gleichzeitig noch eine weitere Ungerechtigkeit in der Welt des Sports beseitigt: Künftig sind beim Synchronschwimmen im Duett auch Männer zugelassen.

Ist die Nordische Kombination wirklich ein "echter Männersport"?

„Die IOC-Reformen sind sehr positiv“, sagt auch Sarah Lewis, Generalsekretärin des Internationalen Skiverbandes (Fis). Sie hofft, dass das IOC nun im dritten Anlauf dem Antrag nach der Zulassung des Teamwettbewerbes im Alpinen Skifahren für Pyeongchang 2018 stattgeben wird. Das gleiche gilt für das Skispringen, in dem bereits vier Jahre nach der Frauenpremiere bei den Olympischen Spielen ebenfalls ein Teamwettbewerb stattfinden soll. Und dann ist da noch die Nordische Kombination. Dort hatte der deutsche Bundestrainer vor Kurzem noch die Meinung vertreten, dass die Kombination aus Skispringen und Langlaufen „ein echter Männersport“ sei. Inzwischen hat er sich aber eines Besseren belehren lassen. „Meine Frau sagt zwar, dass ich ein echter Macho bin“, sagt Hermann Weinbuch, „aber so ein Mixed-Wettbewerb wie im Skispringen wäre auch in der Kombination gut.“ Tatsächlich gab es im Sommer in Oberstdorf erstmals einen internationalen Kombinationswettkampf der Frauen. Es tut sich etwas auch in dieser traditionellen Sportart, und das angeblich nicht nur aufgrund des Drucks aus dem IOC. „Das ist Teil einer Entwicklung, die gerade läuft“, sagt Sarah Lewis. Warum Frauen in der Kombination so lange nicht mitmachen durften, kann sie nicht erklären. „Manchmal gibt es keine Gründe“, sagt Lewis.

Als Generalsekretärin ist sie eine große Ausnahme. 2010 waren nur 3,9 Prozent der Generalsekretäre in den internationalen Fachverbänden Frauen, die aktiven IOC-Mitglieder sind nur zu 20 Prozent weiblich. „Auch in den Funktionärsriegen gibt es weltweit gesehen ein Ungleichgewicht der Geschlechter“, sagt Vesper. Das zu beseitigen könnte noch schwerer werden als die Gleichberechtigung im Spitzensport. Dann müssten die Männer nämlich auch ihre Macht im Sport abgeben.

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