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Fußball-Nationalmannschaft: Diskussion um Auschwitz-Besuch

Noch hat sich der DFB nicht entschieden, ob bei der Fußball-EM eine Delegation das ehemalige Vernichtungslager Auschwitz besucht. Kritik gibt es dafür vom Zentralrat der Juden.

Gut auftreten will der Deutsche Fußball-Bund (DFB) bei der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine, und das erfordert offenbar nicht nur eine engagierte Vorstellung auf dem Fußballplatz. Eine Diskussion ist im Gange, auf welche Weise die Delegation des DFB ihren Aufenthalt in Polen für ein Zeichen des Gedenkens nutzen soll. Dieter Graumann, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, hatte im Gespräch mit dem Tagesspiegel am Sonntag einen Besuch der Nationalmannschaft in Auschwitz gefordert, der könne „mehr bewirken als tausend Gedenkreden“.

Nur scheint in der Kommunikation zwischen Zentralrat und DFB etwas schiefgelaufen zu sein, denn Graumann sieht die Chance für einen solchen Besuch schon vertan. Oliver Bierhoff, der Manager der Nationalmannschaft hätte sich eher ablehnend geäußert, und dafür ein „Kamingespräch“ ins Spiel gebracht. Graumann sagte dazu: „Meine Güte, stellen Sie sich bitte vor: Meine Großeltern sind in Auschwitz vergast und verbrannt worden. Und Herr Bierhoff schlägt nun vor, die deutschen Nationalspieler sollen in Polen am Kaminfeuer über den Holocaust sprechen! Sensibilität sieht anders aus.“

Graumanns Kritik stößt beim DFB nun wiederum auf Unverständnis. „Wir befassen uns im DFB und unserer Kulturstiftung bereits seit langem mit dem Thema, wobei unsere Überlegungen natürlich von Anfang an über ein Kamingespräch hinausgingen“, sagte Mediendirektor Ralf Köttker, „wir werden einen Weg finden, dem Anlass einen angemessenen, würdigen Rahmen zu geben.“

Die Verwunderung beim Fußballverband ist wohl auch deshalb groß, weil er sich in den vergangenen Jahren deutlich mehr mit gesellschaftspolitischer Verantwortung beschäftigt als in den Jahrzehnten zuvor. So vergibt der DFB seit 2005 den „Julius-Hirsch-Preis“ an Menschen, Vereine und Initiativen, die sich für „Demokratie, Menschenrechte sowie den Schutz von Minderheiten“ engagieren. Julius Hirsch war deutscher Nationalspieler, 1943 wurde der Jude nach Auschwitz deportiert und ermordet. Als Anerkennung für seinen Einsatz gegen Fremdenfeindlichkeit, Diskriminierung und Rechtsextremismus zeichnete der Zentralrat der Juden DFB-Präsident Theo Zwanziger 2009 mit dem Leo-Baeck-Preis aus.Regelmäßig besuchen Nachwuchs-Nationalmannschaften des DFB die Holocaust-Gesenkstätte Yad Vashem in Israel.

Wie sich nun der DFB während der EM verhält, ist noch nicht entschieden. Überlegt werde aber schon, seitdem das Turnier nach Polen und in die Ukraine vergeben worden ist. Wie zu vernehmen ist, wird der Besuch einer DFB-Delegation in Auschwitz nach wie vor erwogen. Eine Reise der ganzen Mannschaft vor oder während des Turniers erscheint derzeit wenig wahrscheinlich.

Mehr als 550 Kilometer sind es vom deutschen EM-Quartier in Danzig bis nach Auschwitz. In einer Phase, in der sich die Spieler auf den Sport konzentrieren, wirkt eine ernst gemeinte Beschäftigung mit den Gräueltaten der Nationalsozialisten schwer vorstellbar. Hinzu käme der große Medienauflauf. Als die Nationalmannschaft 1997 Yad Vashem besuchte und dort einen Kranz niederlegte, sagte der damalige Bundestrainer Berti Vogts: „Ich fand es teilweise sehr respektlos, wie Fotografen und Kameraleute diese Bilder aufgenommen haben.“

Und Kapitän Jürgen Klinsmann empfand es als störend, dass „einem in solchen Momenten laufend Kameras vors Gesicht gehalten werden“. In der öffentlichen Wirkung eines Auftritts sieht Dieter Graumann jedoch die Bedeutung eines solchen Auftritts: „Özil, Klose, Gomez, Schweinsteiger oder Khedira sind die Idole von heute, sie sind Vorbilder für so viele junge Menschen.“ Daher könne es viel bewirken, wenn gerade sie Auschwitz besuchen und davon berührt sind.

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