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Anführer. Vorbei sind die Zeiten, in denen Bastian Schweinsteiger die eine Hälfte des Ulkduos „Poldi & Schweini“ bildete. Heute ist der 26-Jährige neben Kapitän Philipp Lahm die zentrale Führungsperson der DFB-Elf.

© dpa

Bastian Schweinsteiger: Der neue Leader

Bastian Schweinsteiger ist der emotionale Anführer der deutschen Mannschaft. Mit schlagkräftigen Sätzen hat er seine Mitspieler jetzt auf das Viertelfinale gegen Argentinien eingestimmt.

Es war im beschaulichen, von Weinbergen gerahmten Südtirol, als Joachim Löw einen Satz sagte, der die Vorstellungskraft seiner Zuhörer herausforderte. Vor gut vier Wochen also, als die Mannschaft gerade den Ausfall Michael Ballacks zu verkraften hatte, sprach Löw, dass Philipp Lahm zwar neuer Kapitän, Bastian Schweinsteiger aber der „emotionale Leader“ der Mannschaft werde. Viele schrieben den Satz einfach mal so hin. Ihren Gesichtern aber war eine gewisse Skepsis zu entnehmen.

In den Tagen danach ist immer mal wieder die Frage an Mitspieler und Trainer gerichtet worden, was denn überhaupt ein emotionaler Leader sei, und was gerade Bastian Schweinsteiger dazu befähigen würde, diesen leicht verschrobelten Titel zu tragen. Viel schlauer war man durch die Antworten nicht geworden. Schweinsteiger übernehme halt „viel Verantwortung auf dem Platz, gerade in schwierigen Momenten“, wie es etwa Sami Khedira sagte. „Der Bastian ist immer anspielbereit, er hat keine Angst, den Ball zu bekommen.“ So, so.

„Auf dem Platz verleiht der Bastian unserem Spiel viel Symmetrie und Statik. Er ordnet das Spiel, weil er sehr ballsicher ist.“ Das sagte Joachim Löw erst gestern wieder. Es waren zwei Sätze, die inzwischen jeder unterschreiben würde. Schweinsteiger wird von Mitspielern und Medien die absolute Handlungshoheit auf dem Platz zugestanden. Doch wo, bitteschön, bleibt das Emotionale, gar das emotionale Leadertum?

Bastian Schweinsteiger hat inzwischen erfahren müssen, dass es in seiner Stellung nicht mehr reicht, nur auf dem Platz Präsenz zu zeigen und feine, schnelle oder auch weite geometrische Pässe zu schlagen. Von ihm, dem neuen starken Mann im Zentrum des Teams, wird mehr verlangt. Und vielleicht ist es genau das, was ihn herausfordert und letztlich heraushebt: seine Frontstellung. Es sind also nicht mehr nur Pässe, die der Mannschaft den Weg weisen, sondern auch seine Sätze. Am Mittwoch hat er mit solchen Sätzen die Mannschaft schon auf das Viertelfinale gegen Argentinien eingestimmt.

Es sind nicht die Sätze, die von ihm noch vor vier Jahren zu hören waren, als er an der Seite von Lukas Podolski das ulkige Gute-Laune-Paar des deutschen Fußballs bildete. Als „Poldi & Schweini“ waren sie die Strahlemänner des Sommermärchens. „Heute ist vieles anders“, sagt Schweinsteiger und lächelt milde. Er sei erfahrener, erwachsener, professioneller geworden. Nun also hat der junge Mann aus dem oberbayerischen Kolbermoor, immer noch keine 26 Jahre alt, die deutsche Elf erfolgreich durch die WM zu führen.

Teammanager Oliver Bierhoff hat neulich erzählt, Schweinsteiger sei entgegen- gekommen, dass ihm im vorigen Sommer Bayerns Trainer Louis van Gaal die zentrale Position anvertraute. Und dass er ihm gesagt habe, dass er seinen Platz sicher habe. Joachim Löw hatte sich einer Versetzung seines Außenspielers lange entgegengestellt, weil er glaubte, ihn noch in der alten Rolle zu brauchen. Doch für den wuseligen Part in der Offensive hat der Bundestrainer heute Typen wie Thomas Müller und Mesut Özil.

Schweinsteiger spielte in der Mitte der Münchner eine starke Saison. Doch hatte er immer den erfahrenen Mark van Bommel neben sich. Niemand wusste so genau, wie Schweinsteiger in die Führungsrolle neben dem unerfahrenen Khedira finden würde. Inzwischen ist aus dieser Skepsis die Gewissheit geworden, dass er die Chefrolle ausfüllen kann – als hätte er seit Jahren nichts anderes gemacht.

Doch nicht nur sein Spiel, seine Rolle und seine Ausstrahlung haben an Ernsthaftigkeit gewonnen. Es sind auch seine Sätze. Sätze wie diese: „Wir werden eine Taktik haben, die den Argentiniern weh- tun wird. Wir dürfen nur keine Fehler machen.“ Vor allem aber dürfe die junge deutsche Mannschaft sich nicht provozieren lassen. Wie er sagt: „Es geht schon vor dem Spiel los, wie sie gestikulieren und versuchen, den Schiedsrichter zu beeinflussen. Ich persönlich finde das nicht gut, ich halte das für respektlos, aber darauf werden wir uns einzustellen haben.“

Schweinsteiger spricht bewusst die Emotionen an, in dem er noch einmal an das Viertelfinale 2006 erinnert, als es nach dem von Deutschland gewonnenen Elfmeterschießen auf dem Rasen des Olympiastadions in Berlin zu Handgreiflichkeiten gekommen war (siehe Bericht rechts). „Das steckt noch im Kopf drin“, sagt der Münchner.

Für das Spiel gegen Argentinien hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel angekündigt. Auf die Frage, was ihm denn nun nach dem Spiel wichtiger sei: ein Küsschen seiner Freundin am Spielfeldrand oder der Handschlag der Kanzlerin, muss er ein wenig überlegen. Alle starren ihn fragend an. Schweinsteiger rutscht auf seinem Stuhl kurz hin und her, und sagt dann „Vielleicht schaut sie vor dem Spiel bei uns noch in der Kabine vorbei – das würde uns allen einen schönen Schub verleihen.“

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