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Der Schuss ins Glück. Oscar Cardozo verwandelt den letzten Elfmeter und schießt Paraguay damit ins Viertelfinale. Eiji Kawashima kann dem Ball nur traurig hinterherschauen.

© AFP

Paraguay - Japan 5:3: Elf Meter bis ins Glück

Tagesspiegel WM-Reporter André Görke erlebt das erste Elfmeterschießen bei dieser WM. Nach 120 trostlosen Minuten gewinnt Paraguay die Lotterie vom Punkt und zieht damit erstmals in ein Weltmeisterschafts-Viertelfinale ein.

Na endlich, um 18.41 Uhr hatte Oscar Cardozo ein Einsehen. Der Mann von Benfica Lissabon, 27 Jahre alt, legte sich den Ball auf dem Elfmeterpunkt von Pretoria zurecht, lief lässig an und schob ihn ganz cool in die linke Ecke. Tor, Aus und vorbei. Paraguay stand im Viertelfinale dieser Weltmeisterschaft und Japan war draußen, weil Yuichi Komano den Ball zuvor an die Latte gehämmert hatte. Damit war die Entscheidung erstmals bei dieser Fußball-Weltmeisterschaft im Elfmeterschießen gefallen. Japan hatte in diesem quälend langen WM-Achtelfinale 5:3 (0:0, 0:0) gegen Paraguay verloren und ist damit aus dem Turnier raus.

Es war wahrlich kein packender, sondern viel mehr ein Nachmittag, an dem sich die Mannschaften allergrößte Mühe gaben, den 35.000 Fans im Stadion Loftus Versfeld ihren erholsamen Nachmittagsschlaf zu gönnen. Die Japaner hatten lediglich ihren blondierten Keisuke Honda im Angriff stehen, der das zweifelhafte Vergnügen hatte, sich teilweise allein gleich mit vier Herren in den rot-weiß-gestreiften Trikots auseinanderzusetzen – überraschenderweise ohne Erfolg. Doch auch Paraguay, trotz aller Klasse in der Offensive, tat sich schwer mit dem engmaschigen Netz der Japaner und fiel anfangs eigentlich nur einmal auf, als sich zwei Spieler bei einer Flanke in der Luft böse umrempelten.

Erst nach 20 Minuten ergaben sich die ersten Torchancen: Lucas Barrios, 25 Jahre alt und im Alltag in Diensten von Borussia Dortmund, spielte mit den Kollegen prima Doppelpass, hebelte damit die Abwehr aus, drehte sich noch einmal mit dem Ball um den Gegenspieler – doch Japans Torhüter bekam die Beine rechtzeitig zusammen und konnte Barrios' Schuss mit dem Knie abwehren. Im Gegenzug flog ein strammer Ball von Daisuke Matsui aus 25 Metern im Bogen an die Latte. Paraguays Torhüter Justo Villar, Kapitän der Mannschaft und in der Rückwärtsbewegung, wäre ohne Chance gewesen.

Paraguays Trainer Gerardo Martino kann sich nicht so recht für diesen Zweikampf zwischen Yuto Nagatomo (l.) und Lucas Barrios begeistern.
Paraguays Trainer Gerardo Martino kann sich nicht so recht für diesen Zweikampf zwischen Yuto Nagatomo (l.) und Lucas Barrios begeistern.

© AFP

Die Zuschauer waren nun kurzzeitig erwacht, und die Fußballer nahmen sich zumindest kurzzeitig vor, sie auch nicht mehr in den Tiefschlaf an diesem frischen Nachmittag zu schicken. Wolkig und windig war es, wofür sie übrigens in Südafrika die griffige Formulierung "capetowny weather" gefunden haben – in Anlehnung an das wechselhafte Wetter in Kapstadt. Unter den Wolken Pretorias setzte erst Roque Santa Cruz, einst bei Bayern München und jetzt bei Manchester City unter Vertrag, den Ball knapp mit dem linken Fuß neben den Pfosten; kurz vor der Halbzeit strich dann doch noch ein harter Schuss des blonden Honda neben das Tor von Paraguay. Die "Ultras Nippon", wie die Mitglieder des Fanclubs der japanischen Nationalmannschaft genannt werden, hatten schon im Unterrang gejubelt und auf ihre Trommeln eingeprügelt. Doch torlos ging es in die Pause.

Der Druck war den Mannschaften auch nach Wiederanpfiff anzumerken, sie hatten Angst, den einen, ja, vielleicht den einzigen Fehler zu machen und damit aus dem Turnier auszuscheiden. Daher waren feine Spielzüge Mangelware, die Spieler versuchten es mit Fernschüssen, die allerdings nicht ihr Ziel erreichten, weil sich die Beteiligten mit ihren Körpern dazwischen warfen oder die Kopfbälle gehalten werden konnten. Nach einer Stunde kam bei Paraguay der Dortmunder Nelson Valdez ins Spiel und gesellte sich im Sturm an die Seite seines Vereinskollegen Barrios und an die von Roque Santa Cruz.

Doch auch mit deutscher Offensiverfahrung ergaben sich nur wenige Chancen, beide Teams ließen sich noch einmal die Muskulatur durchkneten und mussten in die Verlängerung. Paraguay drückte in dieser ersten Halbzeit ein bisschen mehr, doch auch die Kopfbälle und Schüsse brachten nichts ein, und auch Japan stellte sich alles andere als clever im Strafraum Paraguays an. So blieb dem belgischen Schiedsrichter Frank de Bleeckere schließlich nichts anderes übrig, als das Spiel abzupfeifen und auf den Elfmeterpunkt zu zeigen. Die Volunteers und Platzwarte trampelten das Gras noch einmal schön platt, alles war für die Schützen gerichtet – dann endlich, nach zwei Stunden und 41 Minuten, kam Oscar Cardozo und legte sich den Ball zurecht.

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