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Roland Wohlfarth: "Ich wusste nicht, wo vorne und hinten ist"

Roland Wohlfarth war einer der erfolgreichsten Stürmer in der Geschichte des FC Bayern München - und der erste Dopingfall der Bundesliga. Mit Tagesspiegel Online spricht er über Lobbyismus beim DFB, ungezügelten Appetit und eines der wichtigsten Spiele seiner Karriere.

Herr Wohlfarth, Sie sind nach Gerd Müller und Karl-Heinz Rummenigge bis heute Bayerns erfolgreichster Stürmer. Trotzdem haben Sie nur zwei Länderspiel bestritten. Hat Ihnen als medienscheuer Antistar die Lobby beim DFB gefehlt?

Ganz klar. Ich hatte zwar mit Klinsmann, Völler und Riedle drei starke Konkurrenten. Doch ich war genauso gut wie die, nur standen die eben vor immer mir. Hätte ich damals mehr auf die Trommel gehauen und ab zu mal einen Spruch losgelassen, wäre das wahrscheinlich anders gewesen. Aber es war einfach nicht mein Ding, mich in die Mannschaft zu reden.

Viele hielten Sie aber auch einfach für zu dick. Sie galten als Genussmensch. Was war bei Ihnen mehr ausgeprägt: Der Appetit oder der Torhunger?

Schon der Torhunger, sonst hätte ich das ja auch alles nicht gemacht. Ich habe für den Verein und den Fußball gelebt. Mein großes Problem war nur, dass ich nie einen Körper wie andere Profis hatte. Ich habe nichts gegessen und trotzdem zugenommen. Deshalb musste ich immer besonders auf mich achten. Wenn ich abends noch ein Bierchen trinken war, wusste ich, dass ich am nächsten Tag nichts essen darf, um am Montag beim Wiegen nicht wieder Ärger zu bekommen.

War Ihnen dieser Teil des Profilebens zuwider?

Schon irgendwie. Ich musste beim Essen immer meinen Beruf im Hinterkopf haben. Und trotzdem hatte ich mehr als andere mit meinem Gewicht zu kämpfen.

In Ihrer Zeit beim VfL Bochum haben Sie versucht, diesen Kampf mit Appetitzüglern zu gewinnen und wurden so der erste Dopingfall der Bundesliga. Ein Titel, auf den Sie verzichten können?

So schlimm war das alles gar nicht. Ich habe ja keine Prügel von der Öffentlichkeit oder der Presse bekommen. Die wussten ja alles, was los war. Das waren Appetitzügler, damit konnte ich nicht höher springen, schneller laufen oder mehr Tore schießen.

Trotz Ihres latenten Übergewichts haben Sie sich beim FC Bayern immer wieder durchgesetzt. Was war Ihre große Stärke?

Ich konnte immer gut mit Druck leben und wusste aber auch immer, was ich kann und dass ich bei Bayern jedem neuen Konkurrenten Paroli bieten konnte. Ich hatte nie Angst, wenn neue Stürmer geholt wurden.

Können Sie sich noch an alle Spieler erinnern, die Ihnen die Bayern in Ihrer Zeit in München vor die Nase gesetzt haben?

Hughes, Valencia, McInally, ich weiß gar nicht mehr wie die alle hießen. Das waren ja in meiner Zeit bestimmt zehn Stürmer, die da geholt wurden. Ich musste mich alle halbe Jahre einem neuen Konkurrenzkampf stellen. Aber am Ende habe ich immer wieder gespielt.

Warum?

Ich habe immer meine Leistung gezeigt, und die Fans standen hinter mir. Zu Beginn jeder Saison hatten die Neuen noch einen Bonus, aber spätestens nach drei Wochen wurde die Fankurve unruhig und hat nach mir gerufen. Dann habe ich meine zweite Luft bekommen und meine Tore gemacht. So war das jedes Mal, spätestens nach vier Wochen hatte ich meinen Stammplatz wieder. Und die Neuen hatten das Nachsehen.

Am Samstag treffen der 1. FC Köln und Bayern München aufeinander. In der Saison 1988/89 bestimmten beide Teams den Kampf um die Meisterschaft. Den Siedepunkt erlebte die damalige Rivalität im Aktuellen Sportstudio wenige Tage vor dem entscheidenden Duell als Christoph Daum auf Heynckes und Hoeneß prallte. Welchen Einfluss hatte dieser Eklat auf das Spiel?

Die ganze Mannschaft hat das damals gesehen und es war schon der Wahnsinn, was da da passiert war. Das ging ganz klar unter die Gürtellinie. Und für uns war das ein unglaublicher Ansporn. Jupp Heynckes kam hinterher zu uns und meinte, er müsse uns vor diesem Spiel nichts mehr sagen. Alles was wir als Motivation bräuchten, hätten wir im Aktuellen Sportstudio gesehen.

Gab es nach dieser Sendung endgültig das Feindbild Daum?

Ja, das glaube ich schon. Denn was der Daum damals mit unserem Trainer, aber auch mit Uli Hoeneß und dem ganzen Verein gemacht hat, so etwas darf nicht passieren. Ich weiß auch nicht, was er damit bezwecken wollte. Der wollte uns niedermachen. Und hätte er gewonnen, hätte er damit auch noch Erfolg gehabt. Deshalb haben wir alle so gespielt wie noch nie.

Der FC Bayern hat dieses Spiel in Köln am Ende mit 3:1 gewonnen, Sie haben alle drei Tore erzielt. Haben Sie besonders gebrannt?

Ich war so heiß, ich wusste gar nicht, wo vorne und hinten ist. Vor dem Spiel in Köln hatte ich sechzehn Wochen lang kein Tor geschossen, dazu auch noch eigene Probleme. Ich wollte eigentlich auch schon gar nicht mehr spielen. Aber Jupp Heynckes stand auf mich und hat immer wieder gesagt: ‚Du spielst weiter und irgendwann triffst du!’ Ich habe Heynckes viel zu verdanken, weil er immer an mir festgehalten hat. Deshalb wollte ich einfach nur rennen und versuchen, Kisten zu machen.

Wieso haben Sie ausgerechnet in diesem wichtigen Spiel wieder getroffen?

Ich wusste, dass ich dieses Spiel gewinnen muss. Hinzu kam aber, dass ich gegen die Kölner das Fünkchen Glück gehabt habe, das mir in den Spielen zuvor gefehlt hatte. In der ersten Halbzeit habe ich dann bei meinem ersten Tor einfach abgestaubt und damit fing das an.

Welchen Stellenwert hat dieses Spiel für Sie?

Es war ganz klar eines der wichtigsten meiner ganzen Karriere. Weil dieses Spiel ein echtes Endspiel war. Wir wussten damals alle: Gewinnen wir in Köln, werden wir auch Deutscher Meister. Verlieren wir, werden es die Kölner. Die hätten danach kein Spiel mehr verloren. Aber es war auch für mich persönlich wichtig, weil ich damals aus meinem persönlichen Tief heraus gekommen bin. Und weil wir haben am Ende gezeigt, dass Heynckes und Hoeneß Recht hatten. Das war damals wichtig. Nicht nur für mich, sondern auch für den FC Bayern.

Interview: Lucas Vogelsang

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