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© Engler

Hertha-Stürmer: Amine Chermiti: Der Kleine kommt zurück

In Tunesien kennt jeder Fußballfan Amine Chermiti, bei Hertha BSC konnte der 21-Jährige seine Qualität noch nicht zeigen. Jetzt ist der Stürmer nach seiner Knieverletzung wieder ins Mannschaftstraining eingestiegen.

Tore schießen kann ganz schön lange dauern. Es ist kurz vor zwölf, fast alle Profis von Hertha BSC stehen schon unter der Dusche, aber einer hat nach zwei Stunden immer noch nicht genug. Trainer Lucien Favre flankt von rechts, in der Mitte steht Amine Chermiti und schießt, köpft, schlenzt. Den letzten Ball drischt der Tunesier hoch über das Fangnetz hinterm Tor, er selbst muss ihn einsammeln und all die anderen Bälle, weit verstreut auf dem Schenkendorffplatz am Olympiastadion. Mit einem riesigen Ballnetz auf dem Rücken trabt er vom Platz, „geht schon wieder“, sagt er und wie viel Spaß das mache, wieder mit den Kollegen über den Platz zu laufen. Und aufs Tor zu schießen, köpfen, schlenzen.

Amine Chermiti ist lange weg gewesen. Er war noch gar nicht richtig da, als es, nach langem Streit um seinen Wechsel, am 28. August in der Uefa-Cup-Qualifikation gegen Interblock Ljubljana ging. Das Weiterkommen ist Formsache, aber Chermiti hat viel vor an diesem Abend im Jahnsportpark. Er will sich interessant machen für das Bundesligaspiel drei Tage später beim FC Bayern, dem einzigen deutschen Klub, den sie auch daheim in Tunesien alle kennen. Nach sieben Minuten tritt er an, neben ihm läuft Ljubljanas Kameruner Junior N’Tame, und Chermiti kommt es so vor, als würde der ihn provozierend anlächeln: Komm schon, ich bin schneller ... Na, das wollen wir doch mal sehen, sagt sich Chermiti. Er ist einen Tick früher am Ball, aber schon kommt die Sense, und der Neu-Berliner aus Tunesien weiß sofort, dass es nichts wird mit dem Spiel in München.

Das Innenband im linken Knie ist gerissen, die Ärzte sagen eine dreimonatige Pause voraus. Amine Chermini erzählt, er habe hart dafür gearbeitet, dass es ein wenig schneller geht. Ganze zwei Tage war er zwischendurch mal zu Besuch in Tunesien, „ich bin hier ja nicht im Urlaub, sondern um zu arbeiten“.

Das haben sie offenbar auch in Tunesien genau registriert. Vor ein paar Tagen erkundigte sich Umberto Coelho, der Portugiese im Amt des tunesischen Nationaltrainers, wie es wäre mit einem Einsatz beim Länderspiel am nächsten Mittwoch in Ghana. Chermiti wäre wohl gern nach Accra geflogen, aber vorher hat er vorsichtshalber mit Lucien Favre gesprochen. Herthas Trainer gab zu verstehen, dass er das mit der Nationalmannschaft für keine besonders gute Idee halte. „Amine hat große Fortschritte gemacht“, sagt Favre, „aber er muss auch einen sehr großen Rückstand aufholen.“

Am Zweiten Weihnachtsfeiertag wird Chermiti 21 Jahre jung, er ist 1,76 Meter klein, 68 Kilo leicht – und er spielt erst das dritte Jahr bei den Senioren. Aber in Tunesien, sagt er, kennt ihn jedes Kind. Denn vor einem Jahr hat Chermiti mit Etoile de Sahel die afrikanische Champions League gewonnen und im Finale gegen Al Ahly Kairo „das schönste Tor meines Lebens“ geschossen.

Das schönste Tor geht so: Kurz hinter der Mittellinie wird Chermiti angespielt, er schlängelt sich durch zwei Ägypter, der eine will ihn festhalten, aber er ist zu schnell, läuft noch ein paar Schritte und hebt den Ball mit dem linken Fuß ins rechte Eck. „Chermitiiiiii! Chermitiiiiii!“, brüllt der Fernsehreporter, er will gar nicht mehr aufhören, nachzuhören bei Youtube. „Meine Fans schicken mir diese Videos zu, geben Sie mal Chermiti als Suchbegriff ein, dann können Sie meine schönsten Tore sehen.“

Nein, sein Selbstbewusstsein habe während der Verletzungspause nicht gelitten. Ja, in Tunesien sei er gut gewesen, „Fußballer des Jahres und der schnellste der ganzen Liga, aber der Amine Chermiti von Berlin ist noch besser“. Der Mann spricht gern von sich in der dritten Person, aber anders als früher ein Lothar Matthäus redet er auch über persönliche Schwächen. Zum Beispiel über seinen rechten Fuß, „mit dem habe ich früher nie geschossen, daran arbeite ich hier im Training“. Das könnte ein verklausulierter Seitenhieb gegen Marko Pantelic sein, von dem bekannt ist, dass er den linken Fuß nur zur Wahrung des Gleichgewichts braucht. Aber Chermiti schiebt gleich und ungefragt nach, „dass ich Marko sehr bewundere, er ist ein großartiger Stürmer“.

Vielleicht aber profitiert er am Samstag vom Verletzungspech des verehrten Kollegen. Pantelic kann in diesen Tagen wegen einer am Sonntag gegen Hoffenheim erlittenen Oberschenkelverletzung nicht trainieren. Sollte dieser Zustand bis zum Wochenende anhalten, würde ein Plätzchen frei werden im Kader. Für Amine Chermiti? „Peut-être“, sagt Favre. Vielleicht, für die letzte Viertelstunde könnte der kleine Tunesier durchaus eine Alternative sein. „Aber in Topform bin ich natürlich nicht“, sagt Chermiti. „Den richtigen Amine Chermiti werdet ihr erst im nächsten Jahr sehen.“

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