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Taktik? Mach ick', sagt Hertha-Trainer Jos Luhukay.

© dapd

Herthas Taktik: So wird aufgestiegen

Lieber steil als quer und viel Klatsch – wie Trainer Jos Luhukay aus Hertha BSC den FC Barcelona der Zweiten Liga machen und mit welcher Spielweise er aufsteigen will.

Otto Rehhagel hatte so etwas gehasst. Klatsch, sagte der Abstiegstrainer von Hertha BSC stets, Klatsch sei für ihn das Allerschlimmste. Jos Luhukay dagegen liebt Klatsch, er bekommt kaum genug davon. „Klatsch!" und „Patsch!“ ruft der neue Coach immer wieder laut über den Platz. Damit meint Luhukay aber kein Ausplaudern von Kabinen-Geheimnissen. Er meint das Spiel mit wenigen Ballkontakten, mit harten, genauen Pässen und das blitzschnelle Ablegen des Balles auf den Mitspieler. Klatsch, Patsch!

Wer wissen will, mit welcher Taktik und welcher Spielweise Hertha BSC in der kommenden Saison den Wiederaufstieg angeht, der braucht eigentlich nur gute Ohren. Denn der Niederländer teilt seine Ideen gern lautstark mit. Und er ist penibel in seinen Vorstellungen und deren Ausführung. Das sieht man nicht nur, wenn er Hütchen und Bälle fein säuberlich in Reihen aufstellt. Von seinen Spielern dagegen fordert er dagegen permanente Bewegung, von Beinen und Ball.

Speziell in der Verteidigung ist dabei vieles neu für die Berliner Spieler. „Wenn wir früher gegen Hertha gespielt haben, wussten wir: wir können in Ruhe das Spiel aufbauen, denn Hertha zieht sich erst einmal zurück“, erzählt Luhukay aus der Zeit, als er mit dem FC Augsburg noch gegen die Berliner spielte. Nun fordert er von seinen Spielern, den Gegner nach eigenem Ballverlust direkt zu attackieren, auch den gegnerischen Torwart. Dadurch soll der Ball direkt wiedergewonnen werden oder zumindest Zeit für einen schnellen Angriff geraubt werden. „Wir wollen den Gegner zur Verzweiflung bringen“, sagt Luhukay.

Als bestes Beispiel für dieses Gegenpressing nennt er den FC Barcelona. „Viele Spieler laufen nach Ballverlust erst einmal zurück oder schauen hinter sich, ob ein Mitspieler sie absichert und sie es sich leisten können zu attackieren“, sagt Luhukay, „dabei ist das nicht immer nötig.“ Voraussetzung dafür sei, dass die Spieler sich coachen, also viel miteinander sprechen auf dem Feld. Wenn der Ball dann erobert wird, soll es schnell gehen. Tiefe vor Breite heißt das Motto, also lieber einen Steilpass auf einen lossprintenden Stürmer als den Ball auf die Flügel querlegen. Mit solchen Situation überraschte Hertha auch schon Bundesligisten wie Hannover, als man eigentlich weniger vom Spiel hatte, aber trotzdem 4:0 gewann. Auch gegen Juventus Turin führte das phasenweise zu guten Gelegenheiten.

Beobachter vergleichen Luhukays Training schon mit Lucien Favre

„Das Umschalten von Abwehr auf Angriff klappt bei uns schon richtig gut“, sagt Luhukay. Ohnehin ist der Trainer, obgleich Kind der niederländischen Fußballschule, kein Freund von endlosen Ballstaffetten. „Viel Ballbesitz allein bringt dir gar nichts ohne Effizienz“, sagt er. In Augsburg hätte er meist weniger Ballbesitz gehabt und trotzdem gute Resultate erzielt. Nun ist es aber absehbar, dass sich viele Zweitligamannschaften gegen Hertha zurückziehen und dem Favoriten den Ball überlassen werden. „Da brauchen wir auch Geduld, Ballsicherung und gepflegtes Kombinationsspiel“, sagt Luhukay, „aber wir müssen uns dabei durch Läufe Lücken und Räume erarbeiten.“

Bei Ballbesitz sollen die Spieler nicht auf einer Höhe stehen, sondern sich verteilen. „Je enger wir bei Ballbesitz zusammen stehen, desto besser kann der Gegner uns verteidigen“, sagt Luhukay. Gerade die zwei Stürmer sollen durch Pendelbewegungen immer wieder Verteidiger ins Mittelfeld locken und Lücken in die Abwehr reißen. Die Außenbahnspieler sollen die Flügelpositionen eher halten und nach drei Sekunden abspielen. „Wenn wir Räume schaffen in der Tiefe und der Breite, dann muss der Gegner sich verschieben", sagt Luhukay, "dann können wir Steilpässe oder Diagonalbälle in die entstehenden Schnittstellen spielen.“ Das sieht dann, wenn es klappt, nach sehr einfachen Spielzügen mit wenigen Pässen aus. „Total unkompliziert, aber sehr effizient“, schwärmt Luhukay. Auch durch die Mitte. „Viele glauben, das Zentrum sei am leichtesten für den Gegner zu verteidigen, aber wenn wir uns gut bewegen, werden wir viele Tore durch die Mitte erzielen“, verspricht er. Wenn sich ein Spieler mal nicht gut bewegt, dann rüffelt Luhukay ihn schon einmal mit Sprüchen wie: „Du stehst wie ein Pfosten still.“

Kundige Beobachter vergleichen ihn und sein Training schon mit Favre, Rangnick oder Tuchel. Ob die Spieler, von denen viele später dazukamen, das alles auf Anhieb verstehen? „Es wird dauern“, sagt Luhukay, der aber auch bei Rückschlägen nicht von seinem Offensivkonzept abweichen will. „Wenn ich dann plötzlich auf Defensive umstelle, dauert das wieder Wochen, bis die Spieler umlernen, dabei hatten sie gerade Fortschritte gemacht.“ Wer dabei spielt, ist dem Trainer auch gar nicht so wichtig. Er wechselte in der Vorbereitung alle Spieler durch, statt eine Elf einzuspielen. Ob 4-4-2-, 4-2-3-1- oder 4-3-3-System sei ihm auch egal, das sei das Gleiche, nur ein Spieler stünde etwas höher oder tiefer. „Mir ist wichtig, dass ein Spieler seine Rolle kennt, wenn er in die Mannschaft kommt“, sagt Luhukay. Nur mit elf Mann werde man nicht aufsteigen. Aber mit einem Konzept schon.

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