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Wo liegen wir denn? Herthas Spieler wissen nach der guten Hinrunde nicht mehr so recht, wo die Reise in der Tabelle nun hingeht.

© dpa

Vor dem HSV-Spiel: Hertha im kreativen Tief

Nur mit Aufwand und Fleiß wird Hertha BSC gegen den Hamburger SV bestehen können. Doch gerade im eigenen Stadion tun sich die Berliner in der Bundesliga besonders schwer.

Michael Skibbe ist nicht zu beneiden. Sein Start als Trainer von Hertha BSC, der zusammenfiel mit dem in die Bundesligarückrunde, ist misslungen. Hertha startete mit einer Auswärtsniederlage in Nürnberg und Skibbe steht nun vor seinem Heimspieldebüt unter Druck. Bevor eine Woche später auch noch die Mannschaft von Hannover 96 in Berlin vorbeischaut und dann noch Borussia Mönchengladbach zum Pokalviertelfinale zu Gast sein wird, geht es Samstag im Olympiastadion gegen den Hamburger SV (Beginn 15.30 Uhr). Sollte auch dieses Spiel verloren werden, steht der Aufsteiger mit einem Bein schon wieder da, wo er im vorigen Sommer hergekommen ist.

Für die Berliner geht es nicht nur gegen einen Konkurrenten im Kampf gegen den Abstieg, sondern um Grundsätzliches. Es geht darum, einer historisch schlechten Bilanz etwas entgegenzusetzen. Seit Anfang August 2009 hat Hertha von 25 Bundesligaheimspielen lediglich drei gewinnen können. In der Abstiegssaison 2009/10 war es das Auftaktheimspiel gegen Hannover und es dauerte 748 Tage, ehe gut zwei Sommer weiter wieder mal ein Heimspiel gewonnen wurde, Ende August 2011 gegen den VfB Stuttgart. Dazwischen lagen 17 zum Teil kläglich gescheiterte Anläufe der Berliner. Aber selbst nach dem 1:0 über die Schwaben, ein zugegeben glücklicher Sieg, konnte nur noch der 1. FC Köln bezwungen werden, wobei die Rheinländer einen ganz schwachen Tag erwischten.

Die Ursachen für diese ausgewachsene Heimschwäche waren Gegenstand interner wie externer Diskussionen. Erklärungsansätze gibt es zuhauf. Eigentlich will Skibbe nichts dazu sagen, weil er nicht „so weit ausholen“ könne. Trotzdem probiert er sich in einer allgemeinen Analyse. „Zuhause fällt es einigen Mannschaft oft schwerer als auswärts, weil der Gegner meist kompakter steht. Man muss dann länger und sicherer kombinieren, um zum Ziel zu kommen. Das fällt manchen Mannschaften eben schwer, unserer auch.“

Vorbei die Zeiten, in denen Herthas Mittelfeld vor Spielintelligenz überlief.

Fakt ist, dass Mannschaften, die einen Mangel an kreativen Spielern verwalten, es schwerer fällt, das Spiel zu machen, also aktiv die Initiative zu ergreifen und offensiv zu agieren. So wie Hertha. Was zwangsläufig dazu führte, dass die Mannschaft unter Markus Babbel ihr Heil aus einer massierten Defensive suchte und sich ihr Trainer auf Grund von Schelligkeitsdefiziten in der Verteidigung bei der Besetzung der Mittelfeldzentrale für das defensivste Doppel entschied. Hier spielten fast ausschließlich Andreas Ottl und Peter Niemeyer. Während der eine vorrangig durch Sicherheitspässe auffällt, und selbst dabei noch hohe Ballkontaktzeiten hat, liegen die Stärken des anderen in der aggressiven Gangart. Dies allerdings oft auf Kosten von Fouls. Der spielintelligenteste, zentrale Mittelfeldspieler der Berliner, der Schweizer Fabian Lustenberger, droht die Lust zu verlieren. Spielrhythmus hat er jedenfalls keinen.

Vorbei die Zeiten, in denen Herthas Mittelfeld vor Spielbegabung und -intelligenz überlief. Mit Spielern wie Beinlich, Tretschok, Deisler und Wosz wurde anspruchsvollerer Fußball geboten. Seitdem nie wieder. Heute scheitert Hertha schon daran, einen einzigen Spieler wie Raffael zu ersetzen. Nicht aber, weil es keine Spieler für diese Position gäbe, sondern weil sie schlicht nicht über eine adäquate Qualität verfügen. Nicht jetzt, und in zwei Jahren vermutlich auch nicht.

„Wir wollen ein mutiges und engagiertes Spiel zeigen, mit schnellen Spielpassagen“, sagt Skibbe. Das aber setzt ein paar Dinge voraus, über die Herthas Spieler nicht im Überfluss verfügen: spieltechnische Begabung und gedankliche Schnelligkeit. Anders ist kaum temporeiches und mutiges Spiel aufziehbar. Schon aus Angst, ins Verderben zu rennen. Hertha wird auf den Fleiß zurückgreifen müssen, nicht die schlechteste Tugend unter diesen Umständen. Fleiß setzt Leidenschaft und Einsatzwille voraus. Und dafür ist wiederum der Trainer nur bedingt zuständig.

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