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Die Anhänger aus der Fankurve von Hertha BSC lassen sich nicht für eine Begegnung mit dem RB Leipzig begeistern.

© dpa

Hertha gegen RB Leipzig: "Das Spiel ist uns peinlich vor Fußballdeutschland"

Die Fans von Hertha BSC protestieren vergeblich gegen die Austragung des Testspiels bei RB Leipzig. Die Einnahmen aus dem Spiel sollen nun gespendet, und zukünftige Aufeinandertreffen vermieden werden.

Eines muss man den Marketingstrategen von Red Bull lassen: Sie wissen, wie man wirbt. Nicht nur für ein stark koffeinhaltiges Getränk mit Gummibärengeschmack, sondern auch für die angeschlossenen Fußballvereine. Als der Drittliga-Aufsteiger RB Leipzig Ende April Testspiele gegen Werder Bremen und Hertha BSC ankündigte, schwärmte der Klub auf seiner großzügig mit Ausrufezeichen arbeitenden Webseite von „Bundesliga-Atmosphäre in Leipzig!“

Die Bundesliga-Atmosphäre gibt es am Samstag jedoch in Dessau. „Die Testpartie der Roten Bullen gegen Hertha BSC wird zum Benefizspiel!“, hatte RB Mitte Juni gleichbleibend begeistert mitgeteilt, „zugunsten der Hochwasser-Betroffenen“. Auch dafür war schnell ein neuer Slogan gefunden: „Heimspiel für die ganze Region.“

Ob die ganze Region Sachsen und Sachsen-Anhalt zum Heimspiel im Paul-Greifzu-Stadion erscheinen wird, ist noch offen. Viele Fans aus Berlin werden jedenfalls nicht kommen. Sie boykottieren das Freundschaftsspiel, mit dem sich beide Vereine nicht nur Freunde gemacht haben. Der Förderkreis Ostkurve veranstaltet zeitgleich eine Bezirksmeisterschaft der Hertha-Fans in verschiedenen Disziplinen, als „Alternative zum Testkick gegen das Dosenkonstrukt“, wie es in der Ankündigung heißt. Gezeigt wird auch ein Film, um „über die dunkle Seite von Red Bull“ aufzuklären.

Diese Seite beschreibt Steffen Toll vom Förderkreis Ostkurve so: „Den Verein gibt es nur aus Marketinggründen, da wird der Fußball missbraucht in einer Region, die nach Fußball lechzt.“ Der österreichische Konzern kaufte 2009 dem Leipziger Vorortklub SSV Markranstädt das Startrecht für die Oberliga ab. Ziel ist es seitdem, das Team und die Marke öffentlichkeitswirksam in der Bundesliga zu platzieren. Vereinslogo und der offizielle Name Rasenballsport weichen nur aus rechtlichen Gründen leicht vom Sponsor und Eigentümer ab. Schon 2010 hatte es Fanproteste gegeben, als Hertha gegen RB testete. „Damals wurde uns konkret zugesichert, dass es kein Spiel mehr gegen diesen Verein geben wird“, sagt Toll.

„Vertrauen missbraucht – Ehre verkauft!“, schrieb die Ultragruppe Harlekins.

Im Frühjahr trauten dann viele ihren Augen nicht, als das Testspielprogramm veröffentlicht wurde. „Vertrauen missbraucht – Ehre verkauft!“, schrieb die Ultragruppe Harlekins in ihrem Boykottaufruf. Bei der Mitgliederversammlung im Mai forderte ein Harlekin-Mitglied, Red Bull keine Plattform zu bieten. „Es würde Charakter zeigen, das Spiel abzusagen.“ So wie der 1. FC Union. Der ließ 2011 ein Testspiel gegen die Leipziger nach Fan-Protesten platzen. Wie Rot-Weiss Essen. Stattdessen spielte die Protestklubs gegeneinander.

„Wir können und wollen die Verträge nicht brechen“, sagt Manager Michael Preetz, damals wie heute. Dafür gab es auf der Mitgliederversammlung Pfiffe. Hertha soll für das Spiel etwa 40.000 Euro von Red Bull erhalten. Bei Vertragsbruch wäre eine Strafe fällig. Zudem, sagt Preetz, „gab es den Wunsch des Trainers, zu diesem Zeitpunkt gegen einen Drittligisten zu spielen“.

Es gab bis Ende Juni mehrere Treffen mit Fans. Das Spiel wurde nicht abgesagt, aber umdeklariert zum Benefizspiel für Vereine, die durch Hochwasser zu Schaden kamen. „Wir spenden alle Einnahmen, auch unsere Antrittsgage“, verspricht Preetz. „Die Gespräche sind gemündet in der Vereinbarung, dass es kein Testspiel mehr gegen RB Leipzig geben wird.“ Die, betont er, habe es vorher nicht gegeben.

Die Fans bleiben beim Boykott und rufen zu Spenden für Hochwasseropfer auf. „Wir haben uns damit abgefunden“, sagt Toll, „aber es bleibt unbefriedigend, uns ist das Spiel peinlich vor Fußballdeutschland.“ Im Verein stellte Marco Wurzbacher das Spiel vergeblich in Frage. „Die Geschäftsführung hat die Außenwirkung dieses Spiels, gerade auch über die eigenen Anhänger hinaus, unterschätzt“, sagt das Präsidiumsmitglied. Betrachte man allein die Einnahmen, sei „die Entscheidung für das Spiel sicher richtig. Ich denke jedoch, dass bei einem Verein mit über 120-jähriger Geschichte auch andere Argumente berücksichtigt werden sollten.“ Für Hertha jedenfalls ist es das letzte Spiel gegen RB Leipzig. Oder auch nicht. „Wer weiß, wie es dort weitergeht, vielleicht spielen wir in zwei Jahren in einem Punktspiel dort“, sagt Preetz.

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