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Der Facebook-Post der AfD.

© Mike Kleiß

Kolumne: So läuft es: AfD, stoppt die krude Jogging-Angstmacherei!

Die AfD missbraucht das Leid einer Läuferin zu Wahlzwecken. Das muss aufhören. Ein offener Brief an die Partei.

Politik hat eigentlich beim Laufen nichts zu suchen, finde ich. Wenn aber, wie im Falle der AfD, die Politik das Leid einer Läuferin zu Wahlzwecken missbraucht, ist es endlich Zeit für einen offenen Brief an den Bundesvorstand.

Sehr geehrte Frau Petry, sehr geehrter Herr Gauland, als Läufer hatte ich bisher stets eine gute Taktik, Ihnen und Ihren Parolen, bestehend aus Angstmacherei, Hass und rassistischem Gedankengut, zu entkommen: Ich bin einfach davor weggelaufen. Ich gebe zu, ich musste oft laufen. Quasi täglich. Denn je näher der 24. September kommt, desto massiver werden ihre teilweise menschenverachtenden Botschaften. Sie schaffen es, selbst Trump rechts zu überholen. So weit, so schlecht.

Seit dem 3. September laufe ich jedoch nicht länger vor Ihnen davon. Das ist nun der Tag, seitdem Sie einen echten Gegner haben. Und ich bin mir sehr sicher, einige Millionen Widersacher mehr. Wir sind 16 Millionen Läufer in Deutschland. Und ich hoffe stark, dass sich all diese Frauen und Männer bei Ihnen melden werden, und das hat einen Grund.

Am 3. September hat das Social-Media-Team ihrer Partei ein Post bei Facebook veröffentlicht, krude und inhuman wie eh und je. Sie veröffentlichten ein Foto einer Joggerin, daneben der Satz „Joggen in einem Land, in dem du gut und gerne lebst?“ Der Buchstabe „O“ ist blutverschmiert zu sehen. Sie schreiben unter anderem „Schon wieder Frau in Leipzig von Migrant vergewaltigt“. Und sie führen neun Tipps auf, die man beim Joggen in „Merkel-Deutschland“ beachten müsse.

16 Millionen Läufer werden sich nun hoffentlich gegen die AfD stellen

Davon abgesehen, dass Sie keinerlei Hinweise darauf haben, dass die Tat durch einen Migranten begangen wurde – selbst der Polizei liegen hier keine Beweise vor –, will ich Ihnen gerne einige Fragen stellen mit Bitte um schnelle und konkrete Rückantwort: Haben Sie das Opfer gefragt, ob es okay ist, dass sie mit ihrer Schändung Werbung für Ihre Partei machen dürfen? Wie glauben Sie, fühlt sich die Läuferin, wenn sie ein blutverschmiertes AfD-Plakat im Netz findet, das auf ihr Schicksal aufmerksam macht? Wie würden Sie ihr das erklären?

Sie fordern in ihrem Post dazu auf, diese Tipps zu teilen, zu verbreiten. Sie planen also eine Wahlkampagne im Netz und nehmen in Kauf, dass eine vergewaltigte Frau aus Leipzig die Hauptrolle spielt? Wäre es Ihre Frau, würden Sie diese Kampagne gerne sehen?

Die Medien berichteten in den vergangenen Monaten verstärkt über Verbrechen, die an Läuferinnen begangen worden sind. Das ist wichtig. So leisten diese ihren Beitrag dazu, darauf aufmerksam zu machen, dass die Zahl der Vergewaltigungen im Jahr 2016 um 6,7 Prozent auf 193 500 Fälle gestiegen ist. Es kann und darf auf keinen Fall angehen, dass sich Frauen nicht mehr sicher fühlen. Weder beim Joggen noch in jeder anderen Lebenssituation. Hier ist die Politik in der Tat gefragt. Und hier erwarte ich Lösungen, und zwar unmittelbar. Ich fordere Sie hiermit gerne auf, konstruktiv an diesen Lösungen mitzuarbeiten, denn leider wird Ihr Einzug ins Parlament nicht zu verhindern sein. Und so lange löschen Sie nun diesen Post. Oder Sie müssen sich das Getrampel von 16 Millionen Läuferinnen und Läufern anhören. So läuft es.

Mike Kleiß leitet eine Kommunikations- und Markenagentur in Köln und schreibt hier an jedem Donnerstag übers Laufen.

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