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Vom Stadtmeister zum Choreomeister. Die Fans von Union Berlin hatten auf ihren Spruchbändern einige Nickligkeiten für die Hertha-Fans parat.

© dapd

Lautstarkes Fußballereignis: Demolierung der Stimmbänder

Das Derby im Stadion an der Alten Försterei war ein stimmungsvolles, aber nie aggressives oder feindseliges Fußballereignis. Und so wurde ein harmloses Spruchband der Union-Fans vor dem Anpfiff schon zum Gipfel der Gehässigkeiten.

Die Provokation saß. Vor dem Beginn des Derbys gegen Hertha BSC rollten die Fans des 1. FC Union ein Transparent aus, auf dem stand: „Stadtmeisterschaft verteidigen.“ Dazu sangen sie: „Stadtmeister, Stadtmeister, Berlins Nummer eins.“ Auch mit einem zweiten Plakat kosteten sie den Sieg in der Derbygesamtwertung vor zwei Jahren aus: Umgeben von gemalten Fäusten, Fackeln und Fahnen hielt die Köpenicker Gerade das Ergebnis des letzten Union-Triumphes hoch, 2:1 im Olympiastadion. Die Hertha-Fans gegenüber schwiegen einen Moment entsetzt, bevor sie gegen die Demütigung ansangen.

Das war aber auch schon der Gipfel der Gehässigkeiten, insgesamt blieb es ein stimmungsvolles, aber nie aggressives oder feindseliges Fußballereignis. Zumindest vor und kurz nach dem Spiel lag, bis auf wenige Ausnahmen, Ausflugsstimmung in der Luft, oft vermischten sich die Fangruppen friedlich. Gegenteilige Meldungen blieben zunächst aus. Das Berliner Derby scheint in seiner dritten Pflichtspielauflage der Nachwendezeit fast schon zur Normalität zu werden. Dass es Fans und Mannschaften gelang, die Rivalität hauptsächlich auf die 90 Minuten Fußball zu beschränken, spricht für dieses Derby der Neuzeit, das seinen Charakter ja immer noch ein wenig sucht – ist es nun ein Duell in aller Freund- oder Feindschaft? Am Montagabend zeigten die Fans, dass sich beides nicht ausschließen muss, sondern für Stimmung sorgen kann.

Den Wettstreit zwischen beiden Fußballenden Berlins trugen die Fans über Gesang und Choreographien aus. Die etwa 1400 Herthafans setzten dabei nicht auf Banner, sondern auf Wiederverwertung von Fanutensilien. Über Internetforen hatten sich die Anhänger abgesprochen, geschlossen blau-weiß längst gestreifte Trikots anzuziehen. Die hielten die Anhänger vor Anpfiff gefaltet beim Singen hoch, als wären es Fanschals. Während des Spiels zogen sie die Trikots immer wieder aus, um hüpfend damit zu wedeln oder sie uniform hochzuhalten.

Union gegen Hertha: Das Derby in Bildern

Auch vor dem Spiel waren die Hertha-Fans eigene Wege gegangen. Von der alten Vereinsheimat, dem Gesundbrunnen in Wedding, wollten sie zum Derby nach Köpenick reisen. Die S-Bahn hatte dafür zwei Sonderzüge nach Spindlersfeld angeboten. Doch die etwa 500 bis 700 Hertha-Fans verzichteten darauf, sie wollten in die Altstadt Köpenicks fahren und dort Präsenz zeigen. Auch das ging weitestgehend friedlich vonstatten, einmal wurde die Handbremse in der S-Bahn gezogen und ein paar Festnahmen gab es zunächst nur, eine nach Sachbeschädigung und eine für das Abbrennen von Pyrotechnik. Da ist die Bahn Schlimmeres gewohnt, man denke nur an den demolierten Fanzug vom Relegationsrückspiel in Düsseldorf.

Im Stadion demolierten beide Fanlager nur die eigenen Stimmbändern, fast pausenlos schallte es aus beiden Ecken des Stadions. Einen echten Stadtmeister bekamen dann beide Fangruppen in der Halbzeitpause zu sehen: Olympiasieger Robert Harting, der am Samstag noch beim Istaf im Olympiastadion triumphiert hatte, ließ sich auf dem Rasen von den Fans feiern. Nach Schlusspfiff gab es nur noch einen Sieger: „Die Nummer eins der Stadt sind wir“, sangen die Gästefans. Änis Ben-Hatira humpelte mit bandagierten Fuß auf dem gesunden Bein zum Hertha-Block, kletterte den Zaun hoch und ließ sich umarmen. Die Mannschaft folgte, sang und hüpfte mit den Fans. Noch lange nach dem Spiel blieben Fans beider Vereine im Stadion um sich und das Derby zu feiern.

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