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Alyn Camara ließ am Wochenende die Dauersieger Christian Reif und Sebastian Bayer hinter sich. Foto: AFP

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Leichtathletik: Alyn Camara - vom Spätstarter zum Deutschen Meister

Für Weitspringer Alyn Camara war Sport der Ausweg von der schiefen Bahn im Kölner Brennpunkt. Jetzt ist er zum ersten Mal ganz vorne gelandet – und will noch weiter.

Alyn Camara hatte es sofort gespürt, gleich beim Absprung. Dieser Sprung würde weit hinausgehen, sehr weit sogar. Aber als dann 8,15 Meter auf der Anzeigetafel aufblinkten, da konnte es der Weitspringer selbst kaum fassen. Er schrie seine Freude heraus und stürmte in die Zielkurve, um sich vom Ulmer Publikum für seinen weiten Satz feiern zu lassen. Auch Cheick-Idriss Gonschinska, der Cheftrainer des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), war beeindruckt: „Da haben wir im Weitsprung mit Christian Reif und Sebastian Bayer zwei Weltklasseathleten am Start – und am Ende gewinnt Alyn Camara!“

Zum ersten Mal seit 2005 hieß der Deutsche Meister damit am Wochenende weder Reif noch Bayer. Es fehlte allerdings nicht viel, und ihre Titelserie hätte sich um ein weiteres Jahr verlängert. Im letzten Versuch hatte sich Bayer auf 8,04 Meter gesteigert und war in Führung gegangen, wenn auch nur für wenige Augenblicke. Denn direkt im Anschluss konnte Camara die Weite des Vorjahressiegers noch einmal kontern. „Im ersten Moment ist das natürlich nicht so toll, wenn man noch übertrumpft wird“, sagte er. „Aber es hat mir noch einmal einen Schub gegeben. Ich habe nochmal alle Kräfte mobilisiert und dann ist es am Ende ja glücklich für mich ausgegangen.“ Auch bei Sebastian Bayer überwog die Freude. Nach einer bislang durchwachsenen Saison scheint der Europameister von 2012 rechtzeitig zur WM in Moskau im August doch noch in Form zu kommen.

Am meisten aber strahlte Alyn Camara. Für den 24-Jährigen war es zwar nicht der erste Acht-Meter-Sprung, aber der erste in einem Stadion. Bislang war er nur bei den Weitsprungmeetings in Wesel und Bad Langensalza so weit geflogen, deren Anlagen in der Szene als „Sprungschanzen“ bekannt sind. Von dort stammt auch seine Bestleistung von 8,29 Metern. „In Ulm habe ich jetzt bewiesen, dass ich auch unter Stadionbedingungen gut springen kann“, sagt der Mann vom TSV Bayer 04 Leverkusen. Das sah auch DLV-Cheftrainer Gonschinska so: „8,15 Meter sind ein Statement“, befand er. Jetzt gehe es darum, dieses Niveau zu halten und vielleicht noch eine Schippe draufzulegen, so Camara. „Ich hoffe irgendwann auf ein Leistungsniveau zu kommen, auf dem Christian Reif und Sebastian Bayer sich teilweise schon bewegt haben.“ Das wären 8,40 Meter und mehr.

In der Sandgrube ist Camara ein echter Spätstarter. Der Sohn einer deutschen Mutter und eines senegalesischen Vaters wuchs im Kölner Brennpunktviertel Ossendorf-Bickendorf auf. Seine Mutter schickte ihn zum Sport, damit er nicht auf die schiefe Bahn gerät. Alyn Camara spielte erst Fußball, später probierte er Basketball, ehe er schließlich bei der Leichtathletik landete. Seine Disziplinen waren zunächst der Hürdensprint und der Zehnkampf. Erst ab der A-Jugend konzentrierte er sich auf den Weitsprung. „Es muss kein Nachteil sein, erst so spät damit angefangen zu haben“, sagt er. „So haben sich in jungen Jahren nicht allzu viele Fehler eingeschlichen, die man später nicht mehr loswird.“

Bei den Weltmeisterschaften im August will der von Hans-Jörg Thomaskamp trainierte Camara nun das Finale erreichen, was angesichts der hohen Leistungsdichte im internationalen Weitsprung nur mit einer ähnlichen Weite wie am Wochenende in Ulm zu schaffen sein wird. Alyn Camara sollte sich deshalb überlegen, ob er seinem Bruder nicht doch noch ein Flugticket nach Moskau besorgen will. Schließlich war der bislang bei jedem seiner Acht-Meter-Sprünge live mit dabei.

Konstantin Jochens

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