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Olympische Sommerspiele 1984

© pa/dpa

Marathon-Opfer: „In der Hitze streikte mein Körper“

Gabriela Andersen-Schiess, die bei den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles fast kollabiert wäre, spricht über die Qualen beim Marathon. Die dehydrierte Schweizerin schaffte es nur mit Mühe ins Ziel, das sie in einer Zeit von 2:48:42 immerhin noch als 37. erreichte.

Frau Andersen-Schiess, 1984 torkelten Sie ins Ziel des olympischen Marathonlaufs, die Bilder wurden als Zeichen für die Unmenschlichkeit des Sports angeprangert. Wie erinnern Sie sich an die letzten Meter?

Als ich in den Stadiontunnel kam, dachte ich: Oh, ist das schön kühl. Dann kam ich ins Stadion, die Hitze schlug mir wieder entgegen. Meine Beine haben so sehr geschmerzt. Ich wusste, wenn ich stehen bleibe, komme ich nicht mehr los. Aber es waren nur noch 600 Meter. Für eine Marathonläuferin ist das nicht viel.

Trotzdem wären Sie beinahe kollabiert. Sie brauchten fast sechs Minuten.

Die Hitze war brutal. Fatal war, dass ich die letzte Station mit Getränken verpasst habe.

So torkelten Sie wie in Trance über die Bahn.

Auch wenn ich auf den Fernsehbildern weggetreten wirke: Ich war total wach. Mein Verstand konnte sich nur nicht mehr gegen den streikenden Körper durchsetzen.

Waren Sie in Gefahr?

Viel länger hätte ich es nicht ausgehalten, nicht ohne Flüssigkeit. Meine Körpertemperatur war stark angestiegen. Aber der Rennarzt war neben mir und hat mich beobachtet. Da ich nicht desorientiert wirkte, ließ er mich weiterlaufen. Hätte er eingegriffen, wäre ich disqualifiziert worden.

Im Ziel sind Sie zusammengebrochen. Wie lange dauerte Ihre Erholung?

Mir ging es schon ein paar Stunden später besser. Die Ärzte haben Eisbeutel über meinen ganzen Körper verteilt.

Am Sonntag startet der Marathon der Frauen. Es wird heiß werden. Kann sich ein Drama wie Ihres wiederholen?

Olympische Spiele gibt es nur alle vier Jahre – da gibt man alles, was man hat. Es kann immer passieren, dass jemand über seine Grenzen geht. Wäre das Rennen 1984 nicht bei Olympia sondern bei einer Europameisterschaft gewesen, hätte auch ich vielleicht gesagt: Es reicht.

Das Gespräch führte Lars Spannagel.

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