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Marcel Reif

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Marcel Reifs Kolumne: Werder Bremen: Das neue Ziel ist das Mittelmaß

Unser Kolumnist Marcel Reif kann sich kaum vorstellen, dass Werder Bremen absteigt. Trotzdem muss sich der Klub von großen Träumen verabschieden und akzeptieren, dass Mittelmäßigkeit das Ziel ist.

Was ist bitterer? 0:7 zu Hause zu verlieren oder auswärts zwei Tore schießen und trotzdem leer auszugehen? Gute Güte, der SV Werder Bremen war mal gesetzt als Teilnehmer der Champions League. Das waren Zeiten, in denen sich andere strecken mussten, um mal vorübergehend die Bremer Selbstgewissheit zu erreichen.

Der SV Werder Bremen heute, ist der schon Abstiegskandidat? Ich kann es mir nicht vorstellen, dass Werder absteigen wird, dazu ist die Infrastruktur zu gut, und dazu ist der Kader eigentlich auch gut genug und andere Teams der Liga sind noch viel schlechter. Aber Werder ist zur Schießbude geworden. Auswärts, also in Berlin, zwei Tore zu schießen, spricht für Qualität. Das Endergebnis spricht aber eine andere Sprache. Es mag ja lustig sein und ein Spektakel, zum Beispiel gegen Hoffenheim 4:4 zu spielen. Das ist aber nur für den lustig, der darüber lachen kann, weil er in Harmonie mit sich ist und weil er Balance hat. Die hat Werder nicht.

Nicht mehr. Sie haben einen neuen Trainer, sie haben einen neuen Sportdirektor, aber sie haben die gleichen Probleme, die anfingen, als ihnen die Fortune abhanden gekommen ist. Der alte Trainer Schaaf, der alte Manager Allofs, sie haben große Verdienste um Werder erworben. Aber auch sie konnten hanseatische Ruhe und Gelassenheit für den Klub nicht zementieren. Das war es doch, was den SV Werder Jahre, Jahrzehnte ausmachte, der Stoizismus, an dem jedes Problem abprallte.

Sie werden sich verabschieden müssen von großen Träumen, sie werden versuchen müssen, wieder in die Mittelmäßigkeit zu kommen. Das wird schwer genug, sollte aber möglich sein, weil sie doch eigentlich wissen in Bremen, wie es geht. Mittelmäßigkeit ist das Ziel. Die Fleischtöpfe aber, die sind besetzt, an die wird Werder lange nicht mehr dürfen. Und das ist das Bitterste für eine ehemals gesetzte europäische Größe: nicht mal mehr deutsches Mittelmaß zu verkörpern.

Der Autor ist Sky-Chefkommentator.

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