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Kopfüber obenauf. Hoffmann verteidigte gerade ihren WM-Titel.

©  Albrecht Rieger, IRV

Turnen: Rhönrad: Alles dreht sich

Kunst und Kraft – beim Rhönradturnen muss beides vereint werden. Eine Weltmeisterin darin ist Jenny Hoffmann aus Strausberg.

Berlin - Das geht doch gar nicht. Das glauben zu Anfang einige Kinder, wenn Jenny Hoffmann mit ihnen im Training eine anspruchsvolle Bewegung am Rhönrad einüben will. Bis die 1,60 Meter große Kunstturnerin selbst die schwierigsten Drehungen im und am rollenden Rad vormacht. Plötzlich sieht alles kinderleicht aus. Kein Wunder: Hoffmann ist zweifache Rhönrad-Weltmeisterin.

Rhönrad? Manchmal wird die Strausbergerin gefragt, was das denn sei. Wenn die 24-Jährige ihren Sport dann erklärt, fällt den meisten ein, dass sie das schon einmal gesehen, nur eben noch nicht davon gehört haben. Dabei gibt es den Begriff Rhönrad bereits seit 1925. Damals sauste Erfinder Otto Feick in zwei miteinander verbundenen Fassreifen einen Berg hinunter, und weil er aus der bayerischen Rhön kam, nannte er das Sportgerät „Rhönrad“.

Heute unterhalten Turner ihr Publikum mit dem ungewöhnlichen Rad. „Die Schwierigkeit ist dabei, dass sich nicht nur der Sportler, sondern auch das Rad bewegt. Man dreht sich um verschiedene Achsen“, sagt Hoffmann, die sechsmal pro Woche trainiert, damit sie die nötige Balance aus Kunst und Kraft hinbekommt. Dabei wird sie von allen Seiten unterstützt – von Eltern, Freunden und Bekannten. „Selbst in der Schule gab es früher nie Probleme. Wenn ich Wettkämpfe hatte, habe ich stets freibekommen“, sagt Hoffmann, „alle sind sehr, sehr begeistert von dem, was ich mache.“

Im Wettkampf werden keine Ausnahmen gemacht. Hier muss sie sich an die Regeln und das vorgegebene Programm halten, muss wie beim Eiskunstlaufen Pflicht- und Kürübungen zeigen. „Ich versuche dabei immer, die Musik richtig zu interpretieren und neue Elemente einzustreuen“, sagt Hoffmann, für die es Ziel und Reiz zugleich ist, das Publikum zu faszinieren. Sie liebt das Spielerische am Rhönradturnen, deshalb tritt sie auch in Shows auf – hier hat sie mehr Freiheiten. Ihren bisher größten Auftritt legte Hoffmann in Indien beim Finale der Cricketmeisterschaft hin, als sie zehntausenden Zuschauern ihr exotisches Können präsentierte.

In Deutschland interessieren sich nur wenige Menschen für die Rand- und Turnsportart, die hierzulande rund 15 000 Aktive betreiben. Bei den Weltmeisterschaften in der vergangenen Woche im sauerländischen Arnsberg war die Halle zwar stets ausverkauft; rund 1000 Zuschauer kamen täglich – und laut Hoffmann hätten es noch viel mehr sein können, wenn die Halle nicht so klein gewesen wäre. Doch bei anderen Wettkämpfen kommt allenfalls die Familie. Geld verdienen können Hoffmann und ihr Strausberger Teamkollege Robert Maaser, der ebenfalls bei der WM gewann, mit dem Rhönradturnen daher nicht. Für den Titel in Arnsberg bekamen sie zum Beispiel einen Pokal und eine Urkunde – das war’s.

Die junge Frau mit den braunen Augen und den braunen Haaren lässt sich auch deshalb zur Physiotherapeutin ausbilden. Dafür ist sie von Strausberg nach Leverkusen gezogen, wo sie gleichzeitig mit der Bundestrainerin an ihrem Programm arbeiten kann. Ein Glücksfall. Wenn es mit dem Zusammenspiel nicht geklappt hätte, wäre es für sie aber auch nicht schlimm gewesen. Ein Rhönrad und eine Halle – das hätte ihr schon gereicht.

André Wornowski

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