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Der große Tag des Robert Harting. Am 7. August 2012 gewinnt er in London Gold im Diskuswurf und ist damit erster deutscher Olympiasieger in der Leichtathletik seit dem Jahr 2000. Auch beim Zelebrieren des Sieges setzt Harting Maßstäbe.

© dpa

Robert Harting: Ein Mann zerreißt sich

Robert Harting sagt, er sei sein Unternehmen. Der Olympiasieger setzt viel ein, um mit seinem Erfolg auch Geld zu verdienen.

Robert Harting lümmelt seinen breiten Zweimeterkörper in den Möbelhausstuhl. „Der Harting kommt“ ist zwischen Gartenstühlen und Kinderwagen plakatiert in diesem Schöneberger Möbelhaus plakatiert. Bald gibt es einen Aktionstag: Diskuswerfen um Möbelprozente, unter Anleitung des Weltbesten im Diskuswurf. Der Weltbeste, in T-Shirt und geflickten Jeans – „Used Look“ im Fachjargon – gekleidet, sagt: „Coole Gadgets, coole Preise. Das wird ein cooler Tag.“ Den allercoolsten Tag im Leben des inzwischen 28 Jahre alten Harting gab es 2012 in London. Da hat er nicht nur olympisches Gold gewonnen, sondern auch an Profil. Mit seinem Ehrenrunden-Hürdensprint und auch mit dem Geschichtchen um die durchgefeierte Siegesnacht. Am Morgen danach kam er nicht ins olympische Dorf, weil er sich nicht ausweisen konnte. Mensch, Harting! Diesen Menschen, den vermarktet er nun. Als Einzelsportler, sagt Harting, bist du „ein Ein-Mann-Unternehmen“.

Robert Harting ist eine Ausnahme im deutschen Sportgeschäft, in dem es vor allem im Fußball und mit Abstrichen auch in wenigen anderen Mannschaftssportarten viel Geld zu verdienen gibt. Eine Studie von Deutscher Sporthilfe und Deutscher Sporthochschule hatte ergeben, dass von der Sporthilfe geförderte Athleten durchschnittlich 626 Euro netto im Monat zu Verfügung haben. „In der Skala geht es aber deutlich nach oben und unten“, sagt Michael Ilgner, Vorstandsvorsitzender der Sporthilfe. Gut vermarkten können sich nur Athleten, die einen besonderen Auftritt hatten. Bei Harting war es der 7. August 2012. Da gewann der Mann vom SC Charlottenburg mit einer Weite von 68,27 Meter Gold. Es war der erste deutsche Olympiasieg in der Leichtathletik seit zwölf Jahren. Harting sagt: „Da musste ich vieles links und rechts liegen lassen für diesen einen Tag. Der kognitive Anteil am Erfolg war groß. Der Vierte von London war nicht schlechter als ich.“

Aber der Vierte hat jetzt davon fast nichts. Das Gold von London hat Harting ermöglicht, dass er sich jetzt gewinnbringend präsentieren kann – in Berlin. „Ein Mannschaftsportler ist immer nur Teil der Mannschaft“, sagt der gebürtige Cottbuser. Als lokaler Werbeträger bringe der im Normalfall wenig. Ihm falle da kein einziger Spieler von Hertha ein. Nur Silvio Heinevetter von den Füchsen oder Sven Felski von den Eisbären hätten als Einzelne noch einen guten Bekanntheitsgrad in der Stadt. Sportökonom Benjamin Willems sagt, Harting habe das Potenzial, sich als lokale Größe zu präsentieren – auch dank gewonnener Wahlen zum Berliner Sportler des Jahres oder des Leichtathletik-Meetings Istaf. „Aber national sehen wir Mats Hummels in der Shampoo-Werbung und nicht Robert Harting.“

Der Sportwissenschaftler aus Düsseldorf, der schon Olympiasieger gemanagt hat, sagt: „Wenn Hertha wieder aufsteigt und dann ein Spieler drei Tore schießt, ist dies das Thema auf dem Schulhof und nicht Harting.“ Allerdings habe der es geschafft, „sich zur Marke zu machen“: Wenn er gewinnt, scharen sich die Fotografen um ihn, warten drauf, dass er sein Shirt zerreißt. Wie viel Geld Harting letztlich durch Sponsoren verdiene, sei schwer einzuschätzen. Aber bestimmt genug, um nach der Karriere ein Polster zu haben, sagt Willems. „Er ist ja noch jung und hat ein paar Jahre vor sich.“ Und da lassen sich noch ein paar Shirts zerreißen.

Ein Mannschaftsportler lebe als Profi wie ein Angestellter, er aber müsse sich schon organisieren, sagt Harting. Zur Hälfte kämen Sponsoren auf ihn zu, zur anderen Hälfte akquiriere er. „Da gibt es Zu- und Absagen in gleichem Maße.“ Möbel Kraft in Schöneberg hat ihn für zwei Jahre zu Promotionszwecken an sich gebunden. Natürlich kosten die Termine Zeit, sagt Harting. „Du musst immer schauen, dass es ein Gleichgewicht von öffentlichem Einsatz, Uni und Training gibt.“ Hobbymaler sei er ja auch noch. „Strukturen, Farbverläufe“ interessieren ihn. Aber sein Pensum lasse „zu wenig Lücken“ für die Kunst.

Wenn es um die Außendarstellung geht, ist der Student der Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Universität der Künste (UdK) so professionell wie der Sportler. Olympiasieger, Welt- und Europameister, bald Weltrekordler im Ungeschlagensein. Seit fast drei Jahren ist Harting ohne Niederlage im Diskusring. Wenn für ihn die Saison am 19. Mai mit dem Werfer-Cup in Wiesbaden beginnt, dann ist er seit 1016 Tagen unbesiegt, bislang lag die Bestmarke bei 1003 Tagen. Es sei denn, sagt Harting und lächelt, jemand schlage ihn beim Möbelhausaktionstag am 2. März. Da können Besucher mit jedem geworfenen Diskusmeter Rabatt auf Produkte gewinnen. Robert Harting grinst in die Runde und fragt: „Darf ich da auch um Rabatt mitwerfen?“

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