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Joachim Löw: Schlechter Stil, gutes Team

Sebastian Stier sieht Bundestrainer Joachim Löw kaum geschädigt.

Ist es ein Zeichen von Klasse, dass Joachim Löw so zurückhaltend auf die jüngsten verbalen Ausbrüche von Michael Ballack nach dessen Degradierung aus der Nationalmannschaft reagiert hat? Nein, sagen die Kritiker des Bundestrainers. Nicht erst in den vergangenen Tagen ist ein Bild von Löw entstanden, welches den Bundestrainer als jemanden zeigt, der bei der Bewältigung von schwierigen Personalfragen eine schlechte Figur abgibt. Löw gilt nun endgültig als Lavierer, der dem langjährigen Nationalspieler Michael Ballack einen würdevollen Abschied verbaut hat. Die Bezeichnung vom schlechten Stil macht die Runde.

Was dabei gern übersehen wird: Michael Ballack hat zu einem nicht geringen Teil die jetzige Situation selbst zu verantworten. Sicherlich müssen sich Löw und der Deutsche Fußball-Bund (DFB) den Vorwurf gefallen lassen, Ballacks Ende als Nationalspieler zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt verkündet zu haben. Zurecht wird kritisiert, dass man mit der offiziellen Verkündung hätte warten können, bis Ballack wieder aus dem Urlaub zurückgekehrt ist. Aber darüber hinaus?

Löw hat nichts falsch gemacht, als er nach der erfolgreichen Weltmeisterschaft verkündete, dass Michael Ballack nach seiner schweren Verletzung erst einmal wieder fit werden müsse, um für die Nationalmannschaft berufen zu werden. Dem Bundestrainer hier eine Hinhaltetaktik vorzuwerfen, wäre nicht richtig, weil es die sportlichen Realitäten verkennen würde. Michael Ballack konnte in der abgelaufenen Saison gerade einmal die Hälfte aller Spiele bestreiten, weil er sich im Herbst erneut schwer verletzte. Doch anstatt die Situation realistisch einzuschätzen und sich zurückzunehmen, pochte er weiter auf sein Recht, Führungsspieler zu sein. Ballack hätte während seiner Verletzungspause genauso gut der jungen Mannschaft seine Unterstützung zusichern können, nach dem Motto: Wenn ihr mich braucht, werde ich da sein. In welcher Form auch immer. Natürlich wäre es utopisch anzunehmen, ein derart dominanter Charakter wie Michael Ballack würde sich auf die Bank setzen, um im Notfall in den letzten Minuten eines Spiels dabei zu helfen, mit seiner Ruhe und Erfahrung einen Vorsprung über die Zeit zu retten. Sportlich hätte Ballack auf diese Art noch wertvoll sein können, allein er wollte es nicht.

Vielleicht hat es Joachim Löw verpasst, Ballack in dieser Hinsicht die Situation klar zu machen. Trotzdem wird der Bundestrainer weit weniger geschädigt aus der jetzigen Auseinandersetzung herausgehen als Michael Ballack. Löw hat in den vergangenen Jahren eine Mannschaft aufgebaut, die sich über ein funktionierendes Kollektiv definiert. Mit der steten Weiterentwicklung des Teams und dem begeisternden Auftritt in Südafrika hat sich Löw inzwischen ein Standing verschafft, das auch den unglücklichen Umgang mit dem Nationalmannschaftsende von Michael Ballack aushalten wird. Es wäre ein Zeichen von Klasse, wenn Michael Ballack das auch verstehen würde.

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