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Immer nah am Spielfeld. Hitzfeld als Bayern-Trainer.

© dpa

Tagesspiegel-Wahl: Bester Trainer: Ottmar Hitzfeld: Der Anständige

Unsere Jury hat Ottmar Hitzfeld zum besten Trainer der Bundesliga- Geschichte gewählt. Es sind nicht die Titel, die ihn so außergewöhnlich machen. Der Fernsehkommentator Marcel Reif erinnert an Momente mit einem Gentleman.

Es sind drei Begriffe, die mir auf Anhieb zu Ottmar Hitzfeld einfallen: Anstand, Respekt, Erfolg. Letzteres mag banal klingen bei einem Mann, der deutsche Meisterschaften gewonnen hat und die Champions League. Aber es ist eben der Erfolg, der Ottmar Hitzfeld so außerordentlich macht, wie im Übrigen inzwischen auch Jupp Heynckes. Weil beide Trainer beweisen, dass man erfolgreich sein kann mit Anstand und Respekt anderen Menschen, auch Spielern gegenüber. Weil beide Trainer belegen, dass man Spieler nicht als Masse behandeln muss, als Material, das man gebrauchen kann oder auch nicht. Wem jetzt dazu ein Trainer einfällt, der auch schon mal in München gearbeitet hat und bei Schalke und auch schon bei einem Autokonzern, an den Trainer musste ich auch gerade denken.

Der Erfolg ist es. Ohne derartige Erfolge wären beide Trainer, und damit verbeuge ich mich ein weiteres Mal vor Jupp Heynckes, lasse ihn aber jetzt außen vor und bleibe bei Hitzfeld, ohne derartige Erfolge wären sie als nette Trainer in Erinnerung geblieben, als sympathische Menschen, als mehr nicht. Hitzfeld aber ist mehr, ist und war stets viel mehr auf der Höhe der jeweiligen Fußball-Zeiten als manch ein Trainer der Moderne.

Ottmar Hitzfeld, 63 Jahre alt, so alt wie ich, um es gleich zu bekennen, wir sind per Du. Das war noch zu seinen Dortmunder Zeiten, wir hatten schon viele Gespräche geführt, viele Stunden miteinander verbracht, als wir einmal in einem Aufzug standen. „Ich bin der Ottmar“, sagte Hitzfeld da. Es ist immer ein bisschen heikel, wenn Journalisten mit den Menschen, über die sie zu berichten haben, per Du sind, weil damit die nötige Distanz verlorengehen kann und auch die wechselseitige Kritikfähigkeit. Nicht so bei Ottmar.

Wenn ich ihn, wenn ich Borussia Dortmund und später den FC Bayern zu kritisieren hatte, und da gab es in all den Jahren schon einige Punkte, kam nicht einmal hinterher die vorwurfsvolle Frage, ob das nötig gewesen sei. Wir waren, jeder auf seiner Seite der Barriere, nie Kumpels, weil Ottmar jedem Gegenüber, auch dessen Arbeit, mit Respekt gegenübertritt, mehr noch, jedem Gegenüber die Chance gibt, es ihm gleichzutun. Wir sind auch keine Freunde geworden in diesen Zeiten, keine Freunde im Sinne des hohen Guts Freundschaft, aber wann immer ich Ottmar begegne, ist das eine Freude für mich. Und als mir vor einiger Zeit mein privates Leben etwas aus den Fugen zu geraten drohte und das publik wurde, da kam eine SMS bei mir an: „Du schaffst das, halte durch, du kommst da durch.“ Die SMS kam von Ottmar.

Hitzfeld sagte: „Jeder Sieg ist lediglich die Abwehr einer Niederlage.“

Verlässlichkeit und Respekt. So auch seinen Spielern gegenüber. Ich habe lange überlegt, gesucht und mir die Kader der von ihm betreuten Klubs noch einmal angeschaut. Nein, es findet sich kein Spieler, der ihm Schlechtes nachsagt, nicht mal einer, der sagt, dass die Zeit unter dem Trainer Hitzfeld für ihn persönlich wenig ertragreich gewesen sei. Auch nicht in diesen besonderen Biotopen wie Dortmund und München.

Bei unseren Experten setzte sich Hitzfeld klar vor Hennes Weisweiler durch. Jupp Heynckes kam nur auf Platz vier.
Bei unseren Experten setzte sich Hitzfeld klar vor Hennes Weisweiler durch. Jupp Heynckes kam nur auf Platz vier.

© Tsp

Das allerdings war nicht zum Nulltarif zu haben. Spieler bei Laune zu halten, die vielleicht nur zuschauen müssen, und sie trotzdem zu respektieren und ihnen mit Anstand zu begegnen, ist ein Knochenjob. Ich habe Ottmars Verfassung, seinen Gemütszustand, immer an seinen Augenringen abgelesen, waren es mehr als zwei, wurde es kritisch. „Jeder Sieg ist lediglich die Abwehr einer Niederlage“, sagte er einmal in einem Interview mit dem Tagesspiegel, „und wenn der Sieg eingefahren ist, wartet der nächste Gegner, der dir eine Niederlage zufügen will.“ Der Druck, unter dem Hitzfeld bei seinen Bundesliga-Klubs stand, war immens, ja, auch wenn das ein inflationär gebrauchtes Wort ist und im Sport unangebracht zu sein scheint, der Druck war unmenschlich. Im selben Interview reflektierte er seine Arbeit, sprach davon, dass es kein Zurücklehnen gebe, zu keiner Sekunde, nie, „die Kabine ist ein Kampfgebiet, man muss als Trainer stets wachsam sein, permanent auf der Hut, dass keine Missklänge ins Ensemble geraten und das ganze Gefüge zerstören können“.

Bei unseren Lesern gab es für Hitzfeld eine Niederlage gegen Weisweiler. Allerdings fiel die knapper aus als Weisweilers Niederlage gegen Hitzfeld bei der Expertenjury.
Bei unseren Lesern gab es für Hitzfeld eine Niederlage gegen Weisweiler. Allerdings fiel die knapper aus als Weisweilers Niederlage gegen Hitzfeld bei der Expertenjury.

© Tsp.

Zum Glück für ihn und seine Gesundheit hat Ottmar auch die Fähigkeit zur Selbstkritik und damit zur Einsicht, wann es nicht mehr geht. Er hat wohl den richtigen Zeitpunkt getroffen, an dem er sagte, dass er nicht mehr kann.

Zumindest nicht mehr als Vereinstrainer, dessen Auftrag lautet, die Meisterschaft zu gewinnen und große europäische Meriten einzufahren. Als Nationaltrainer der Schweiz sind die Ziele bescheidener, er soll die Schweizer zu einem großen Turnier führen, er muss dieses Turnier nicht gewinnen. Und nach Lage der Dinge hat er auch mit diesem Auftrag Erfolg. Obwohl oder vielleicht auch gerade weil er inzwischen ab und an und sehr gerne mal Golf spielt.

Fußballspieler geben im Übrigen den Umgang mit ihnen gerne zurück. Gut möglich, dass mancher Spieler dem eingangs erwähnten Trainer, der auch schon mal für einen Autokonzern gearbeitet hat, dessen Umgang mit ihnen auch mal gerne zurückgegeben hätten. Wesentlich positiver und vorbildlicher ist es, wenn die Spieler den Respekt beantworten und mit Erfolgen danken. Weil es doch beweist, dass man andere Menschen auch mit Anstand und anständigem Verhalten zu Höchstleistungen bringen kann. Es mag Menschen geben, für die der Zweck jede Mittel heiligt, das können dann manchmal auch zynische Mittel sein.

Ottmar zählt definitiv nicht zu diesen Menschen. Und deswegen vermisse ich Ottmar Hitzfeld, wie ich auch Jupp Heynckes vermissen werde.

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