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Timo Boll steht bei den German Open in Berlin im Halbfinale.

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Timo Boll bei den German Open: Gut für den Geist

Timo Boll hat sein Training verändert: Tischtennis wird für den 32-Jährigen allmählich zum Ausdauersport. Am heutigen Sonntag kommt es zum Duell mit dem nach der Weltrangliste besten deutschen Spieler Dimitrij Ovtcharov.

Der Moment nach dem Spiel ist für Timo Boll gerade genauso aufregend wie das Spiel selbst. „Ich gehe erstmal zum Handy und hoffe, dass ich keinen Anruf in Abwesenheit sehe“, sagt er. Bolls Frau ist hochschwanger, „es kann eigentlich jeden Moment losgehen“, sagt er. Zu den German Open nach Berlin hat sie ihn auch nicht mehr begleitet. Sonst hätte sie einen locker spielenden Ehemann beobachten können. Beim Tischtennis lenkt sich Boll derzeit von seiner Nervosität ab.

Dass er bald Vater wird, ist noch ein Grund mehr, um von einem entscheidenden Punkt in Bolls Tischtenniskarriere zu sprechen. Gerade hat ihn Dimitrij Ovtcharov als besten deutschen Spieler in der Weltrangliste abgelöst. Diese Position hatte Boll mehr als ein Jahrzehnt inne. Wegen Verletzungen und Krankheiten hat der 32-Jährige zuletzt einige Turniere verpasst, auch die Europameisterschaft, die er so oft gewinnen konnte, wie noch kein Spieler vor ihm. Wird ihn dann bald der Schlafmangel eines jungen Vaters herunterziehen?

Noch scheint sich Boll keinerlei Sorgen um seine Leistungsfähigkeit zu machen – ganz im Gegenteil. Er spricht nicht nur von den Olympischen Spielen 2016 in Rio den Janeiro. „Mein Ausrüstervertrag als Spieler läuft bis 2020, und den möchte ich auch gerne erfüllen.“ Dann wäre Boll 39. Bei den German Open hat er sich auch wieder aufs Doppelspielen eingelassen, um sich schon mal für den olympischen Mannschaftswettbewerb einzuspielen, in dem es auch aufs Doppel ankommt. Mit Patrick Franziska, der wie er aus dem Odenwald kommt, steht er an diesem Sonntag in der Max-Schmeling-Halle im Finale. Im Einzel-Halbfinale kommt es um 12.15 Uhr zum Duell zwischen Boll und Ovtcharov. Der vermeintlich größte Rivale im Einzel ist dagegen schon draußen: Olympiasieger Zhang Jike aus China unterlag seinem Landsmann Fan Zhendong.

Vater zu sein, könnte ihm dabei helfen, noch mehr Schwerpunkte zu setzen. „Ich ökonomisiere meinen Turnierkalender etwas, auf Turniere zu verzichten fällt mir aber noch schwer. Die neue Situation wird es mir vielleicht leichter machen“, sagt er. Seine Trainingsinhalte hat Boll auch schon verändert. „Ich mache jetzt zwei bis dreimal in der Woche Yoga und Cross Fit. Das ist gut für die Stabilität – und für den Geist.“ Tischtennis wird für ihn langsam zum Ausdauersport, er will seinem Körper beibringen, noch ein paar Jahre länger durchzuhalten. Als Vorbild dient ihm dabei unter anderem der Schwede Jörgen Persson, gegen ihn musste Boll sogar im olympischen Mannschaftswettbewerb von London eine Niederlage hinnehmen. Persson ist inzwischen 47 Jahre alt.

Bolls Nachfolger als ranglistenbester deutscher Spieler sah dagegen am Samstag um einiges älter aus als er. Dimitrij Ovtcharov musste schon alles aufbieten, um überhaupt das Viertelfinale zu erreichen. Der 25-Jährige lag gegen den japanischen Abwehrspieler Masato Shiono im entscheidenden siebten Satz mit 6:9 zurück. Mit einer Konzentrationsleistung verwandelte er den Rückstand noch in ein 11:9. 5000 Zuschauer bejubelten seinen Sieg stehend. „Das war das anstrengendste Spiel meines Lebens“, sagte Ovtcharov. Wohin er seinem Gegner den Ball auch auf den Tisch hämmerte, Shiono schaufelte ihn aus mehreren Metern Entfernung noch zurück. Die Anstrengung sah ihm auch Boll gleich an. Als beide nach ihren Spielen nebeneinander standen, sagte er zu Ovtcharov: „Du hast ja ein ganz rotes Näschen.“

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