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Hatice Akyün hat eine On-Off-Liebe mit dem MSV.

© André Rival

Pokalfinale 2011: Warum Duisburg zum Verlieben ist

Der MSV Duisburg spielt hundsmiserabel und ist doch zum Verlieben. Hatice Akyün erzählt, wie man dem Klub verfallen kann - auch wenn man nicht in die Cheerleader-Mannschaft aufgenommen wurde.

Ein Spruch aus meiner Kindheit geht so: Ich komm' aus Meiderich, also meide mich. Die Schalker werden sich nach diesem Finale wünschen, dass sie den Meidericher Spielverein 02 e.V. Duisburg gemieden hätten. Nun, liebe Fußballfreunde, wenn Sie sich von Ihrem Lachanfall erholt haben, möchte ich Ihnen von meiner großen Liebe erzählen, dem MSV.

Ich gebe zu, unsere Liebe war nicht beständig. Es ist eine Weile her, dass die Zebras im Fußballzirkus aufgefallen sind. Das letzte Mal am 22. Spieltag der Saison 1993/94, als sie für eine Woche mit einer negativen Tordifferrenz Tabellenführer wurden. Ich liebe die Zebras, schon deshalb, weil man am Anfang der Saison nie weiß: Steigen sie ab, steigen sie auf, oder spielen sie im Pokalfinale? Vier Mal haben sie es bisher geschafft, drei Mal verloren. Aber das ist das Besondere an großen Lieben, sie müssen scheitern, sonst wären sie nicht groß und endeten bei zusammengekauften Topmannschaften.

Ich muss jedoch zu meiner Verteidigung anführen, dass es einen Grund gibt, warum ich den MSV im Laufe der Jahre ein wenig vernachlässigt habe: Sie spielten einfach hundsmiserabel! Ich liebe Fußball. Fußball kommt im Leben der Türken direkt nach Essen und Reden. Im Zentrum meines Interesses stehen jedoch nicht Hintern oder Frisuren der Spieler, auch eine Viererkette ist für mich kein Goldschmuck. Fußball ist ein aus dem Mittelfeld, besser schon aus der Verteidigung strategisch aufgebautes Spiel mit dem Ziel, im Strafraum gegnerische Spieler auszutricksen und ein sauberes Tor zu schießen. Zugegeben, bislang kam ich nur selten in den Genuss, den MSV so spielen zu sehen. Da blieb mir gar nichts anderes übrig, als mir einen Ersatzliebhaber zu suchen. Und Schalke ist gleich umme Ecke.

Ein weiterer Grund für unsere On-Off-Liebe ist, dass es mir im Herzen wehtut, wenn ich auch nur Schauinsland-Reisen-Arena höre. Drinne war ich noch nie. Wie romantisch war es doch früher, als mein damaliger Freund und ich im Wedaustadion in der Nordkurve standen. Unsere Liebe war übrigens auch groß und scheiterte natürlich. Er wohnt jetzt in einer Reihenhaussiedlung mit Garten, Kugelgrill und Köter.

Sogar bei der Cheerleader-Mannschaft des MSV habe ich mich beworben. Genommen wurde ich nicht. Mit einem Hintern nicht unähnlich dem eines Brauereipferdes sei ich nicht geeignet, sagten sie. Wo ich schon mal beim Thema bin: Die Brauerei mit dem weltbesten Bier steht natürlich in Meiderich: Köpi heißt es, König der Biere. Noch Fragen?

Aber zurück zur Liebe: Deutsche Männer sind komisch. Sobald sie Komplimente machen und ihre Liebe beschwören sollen, fällt ihnen nie etwas Gescheites ein. Aber wenn es um Fußball geht, entwickeln sie türkische Leidenschaft. Der Reihenhausbesitzer hatte so eine türkische Fußballseele. Mit blauen Augen, goldgelbem Haar, aber mit einem winzig kleinen Problem. Schon seit vielen Jahren besaß er ein Trikot seines MSV Duisburg. Es hatte einen Ehrenplatz in seinem Kleiderschrank. Es war so gefaltet, dass das Logo des Sponsors genau in der Mitte war. Er liebte dieses Trikot sehr, nur hatte es einen Makel. Er hatte es geschenkt bekommen, als er zwölf Jahre alt war. Damals trug er Kindergröße 158. Mittlerweile 1,90 Meter groß und 85 Kilogramm schwer, passte nur noch sein rechter Arm hinein. Als er mich das erste Mal darum bat, meinte ich zu ihm, er sei pervers.

„Bitte“, flehte er mich an, fragte mich wieder. Er fragte mich bei allen Heimspielen, so lange, bis ich irgendwann nachgab. Kurz bevor wir uns zum Wedau-Stadion aufmachten, ging ich ins Schlafzimmer, nahm die Rarität aus dem Schrank und zog sie an. Ich sah aus, als würde Pamela Anderson das zu heiß gewaschene T-Shirt von Ally McBeal tragen. Als ich vor ihm stand mit dem Trikot auf dem Leib und einem MSV-Schal um meinen Hüften, fing er vor Freude an zu weinen. Ich schwöre, seine Tränen liefen. Er versprach, mich zu heiraten und mir immer und ewig treu zu bleiben. Als Zeichen seiner großen Liebe schenkte er mir das Trikot. Es liegt heute in meinem Schrank, hübsch gefaltet, mit dem Logo in der Mitte.

Wenn Sie heute also im Olympiastadion eine südländisch aussehende Frau sehen sollten, die ein zu enges Trikot mit einem Sparkassen-Logo trägt, sagen sie kurz „Hallo“. Gemeinsam können wir dann den Zebratwist singen. Und der geht so:

Zebrastreifen weiß und blau,

Zebrastreifen weiß und blau,

ein jeder weiß genau:

Das ist der M! S! V!

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