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Treu ergeben. Die Fans des 1. FC Magdeburg kommen auch in der Regionalliga noch zahlreich.

© Block U - 1. FC Magdeburg

Willmanns Kolumne: Das ewige Rätsel 1. FC Magdeburg

Der 1. FC Magdeburg dümpelt in der Regionalliga vor sich hin. Auch dort kommen immer noch tausende Zuschauer zu den Spielen. Frank Willmann fragt sich in seiner aktuellen Kolumne, was beim traditionsreichen FCM eigentlich schief läuft?

Guten Tag, mein guter alter Bekannter FCM. Wir kennen uns seit ich neun oder zehn bin. Ich schürfte mein Herz und meine Knie auf im heimischen Ernst-Abbe-Sportfeld, als du schon die schöne Eigenschaft besaßest, Spiele in meiner Gegenwart zu verlieren. 

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, sich und anderen den Tag zu versauen. Was Besuche der Spiele des 1. FC Magdeburg berührt, kann ich eine hochprozentige Niederlagengarantie bereits im Vorfeld offerieren. Der FCM verliert seit Jahrzehnten 90 Prozent alles, was während meiner Anwesenheit stattfindet. Gleich ob auswärts oder zu Hause. Erklärlich ist somit die Bangigkeit meiner Magdeburger Freunde, wenn ich mich mal für ein Balltreterchen ankündige.

Seit der politischen Wende lümmelt der Club in den Tümpeln des Amateurfußballs. Es ist mir und vielen anderen Zeitgenossen ein ewiges Rätsel, warum Magdeburg im Jahr 24 nach der Wende noch immer keine Bundesligaluft geschnuppert hat. Die erste, zweite und dritte Liga fand all die endlos langen Jahre ohne den FCM statt.

Es ist schwer zu sterben, während die Vöglein am Himmel singen. Doch es gibt hin und wieder einige Sonnenstunden für den FCM. Der Club hängt weiterhin am ewigwährenden Tropf seiner treuen Fans. Trotz beharrlicher Dauererfolglosigkeit kamen letzen Sonntag 6226  Menschen ins Stadion, um das Spiel des Siebenten gegen den Elften der Regionalliga Nordost zu sehen. Der Gegner kam aus Leipzig, die Loksche, gleichermaßen ein alter Traditionsclub, der schwer zu kämpfen hat. Mit seinem miesen Image, dem allesfressenden Lokalrivalen RB Leipzig, der allgemeinen Beschissenheit der fußballerischen Dinge. Erst vor kurzem wurde mal wieder eine Palastrevolution gestartet, der x-te Versuch, Lok aus dem Sumpf zu ziehen. Lok steht mit einigen hunderttausend Euro in der Kreide, der erfolglose Altpräsident trat neulich auf Druck der Basis zurück, nicht ohne den schwarzen Peter weiter zu reichen. Beim letzten Training soll in den Duschen kein warmes Wasser mehr geflossen sein. Immerhin kein Blut Unschuldiger. Weder bei Lok noch beim FCM sind die Wasserhähne vergoldet.

Trotzdem, oder gerade deshalb, waren knapp eintausend Lokisten mit ihrer Mannschaft nach Magdeburg gereist, verstärkt durch eine große Anzahl Hallenser Kumpane. Halle und Lok verbindet eine fünfundzwanzigjährige Fanfreundschaft. Riesenstimmung schon im Vorfeld. Das ist einer der Gründe, warum ich mir gern Spiele der Ligastufe drei abwärts anschaue. Auch jenseits der Geldmaschinen dampfen die Kessel und feiern die Fans ihre Lieben an. Vielleicht sogar ein wenig bunter und inniger. Die Hoffnung, eines Tages den Malstrom der fußballerischen Bedeutungslosigkeit zu verlassen, beseelt die hungrigen Herzen ebenfalls ganz weit unten.

Das Spiel gegen Lok Leipzig steht zweimal kurz vor dem Abbruch

Eingekeilt. Die Lok-Anhänger erleben das Spiel in Magdeburg aus dieser Perspektive. Dem ein oder anderen wurde es aber etwas eng, man versuchte sich mit Böllerwürfen Luft zu machen.
Eingekeilt. Die Lok-Anhänger erleben das Spiel in Magdeburg aus dieser Perspektive. Dem ein oder anderen wurde es aber etwas eng, man versuchte sich mit Böllerwürfen Luft zu machen.

© Block U - 1. FC Magdeburg

Die Saison in der Regionalliga Nordost ist eigentlich gelaufen. RB Leipzig zieht einsam seine Kreise. Alle Teams mit Aufstiegsambitionen hoffen auf die neue Saison. Sie wünschen RB zum Teufel, bzw. in die Dritte Liga. Dazwischen steht Luzifer in Form des DFB. Dieser hat festgelegt, dass vor dem Rösselsprung ins Glück noch eine Qualifikationsrunde ansteht. Fünf Regionalligameister und ein Zweitplatzierter wollen in die dritte Liga, nur drei werden es schaffen. Scheitert RB, ist im nächsten Jahr wieder Langeweile in der Regionalliga Nordost Programm. Bitte nein! RB muss in die Dritte Liga rein!

Wie wir alle wissen, gewann der FCM das Spiel gegen Lok mit 3:2. Es war ein richtig ansehnliches Spiel, eine sehr angriffslustige Interpretation des Fußballs. Leider stand das Spiel zweimal vor dem Abbruch. Einige supercoole Feinde unseres Sports warfen wiederholt Böller aus dem Lok-Block. Einmal ok, zweimal na ja, beim dritten Mal wird’s albern. Der Schiri wartete bis zum fünften Böllerwurf, bevor er das Spiel in der 68. Minute zum ersten Mal abbrach. Nach sechs Minuten ging es weiter, wieder flogen Böller aus dem Lok-Block und eine zweite, kurze Unterbrechung verfinsterte die Minen der allermeisten Fans und Spieler.

Die FCM-Fans hielten sich zurück, zumal sie erst letzte Woche ungute Possen seitens der Polizei erdulden durften. Beim Auswärtsspiel in Torgelow kam es zu einem unverständlichen Polizeieinsatz. Auf dem Weg zum Stadion liefen einige FCM-Fans statt auf dem Bürgersteig auf der Straße. Nachdem sie nicht schnell genug von der Straße auf den Bürgersteig wechselten, kam es zu einem rüden Polizeieinsatz, wobei ein fünfzehnjähriges Mädchen grundlos verletzt wurde. Der dazu eilende Vater, der seiner Tochter wieder auf die Beine helfen wollte, bekam Prügel seitens der Polizei ab. Danach begehrten einige Fans auf und eine fiese Mini-Rangelei entstand. Am Ende durften alle 126 Magdeburger Fans das Spiel ihrer Mannschaft nicht besuchen. (ausführliche Stellungnahme des Fanprojekt Magdeburg siehe hier.

In Magdeburg lief die Sache im Stadion glimpflich ab. Obgleich beim siebten Böllerwurf einige wenige Magdeburger etwas aufgekratzt schienen und auf ihren Sitzen tanzten. Die Polizei im Stadion hatte die Lage im Griff und das Spiel lief weiter. Magdeburg führte zu diesem Zeitpunkt mit 3:2, die Loksche drängte auf den verdienten Ausgleich, wurde jedoch von den Spielunterbrechungen aus dem eigenen Fanblock gebremst. Soll sich Magdeburg nun bei den Lok-Fans bedanken? Einige Lokis meinten nach dem Kick, die bösen Hallenser wären es gewesen. Wer es auch war, die Aktion war bescheuert und schadete nur dem eigenem Club.

In Halbzeit bekundete der Magdeburger Block ein Bekenntnis zur Homoehe. Man wünschte via Spruchbanner und Gemälde den unzertrennlichen Fanfreunden von Lok und Halle alles Gute zur Silberhochzeit. Auf dem hoch gehaltenem Kunstwerk waren zwei sich küssende Fußballer in den Farben von Lok und Halle zu sehen. Ist das nun a.) ein ironisches Bekenntnis zur Homoehe a la` ich halt dir den Spiegel vor die Nase-Nummer, oder will man b.) die gegnerischen Fans damit verspotten, weil man Schwule als anormal empfindet? Oder ist c.) alles nur ein Spiel mit Fancodes und Sehgewohnheiten über dreifachem Boden? Gentleman, ist das kompliziert.

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