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In der ersten Pokalrunde zwischen dem BFC Dynamo und dem VfB Stuttgart waren wieder (Pyro)-Chaoten zu bewundern... im Block des VfB Stuttgart.

© dpa

Willmanns Kolumne: Fußball ist wirklich zivilisierter geworden

Frank Willmann berichtet in seiner Kolumne von seinem Besuch beim BFC Dynamo, der den VfB Stuttgart am Wochenende in der ersten Pokalrunde empfang - und erinnert an das FDGB-Pokal-Finale von 1980.

"Hamm die Unioner schon wieder auf der Zickenwiese randaliert, wie in den juten, alten Zeiten?" sagte Oma Biallas und nagte erwartungsfroh an ihrer Unterlippe. Ne, Frau Biallas, da ham die BFCer gespielt, und die ham ooch nicht randaliert. Die ham ganz normal Fußball geguckt. Die ham Bier getrunken. Und brav verloren.

"Ach watt, die sind doch alle hormonsexuell und uff Drogen, steht doch inner Zeitung." Unsere Fensterguckoma Oma Biallas hatte wie immer nur halb zugehört. Ich hatte im Hof zu meinem holländischen Fußballspezi gesagt,

"…alles friedlich gewesen, BFC hat gegen Stuttgart gut mitgehalten, einmal den Pfosten getroffen, Pech gehabt. Keine nationalen Hassprediger, nich ma gegen Union wurde gewettert, alle Rocker und Rowdys hatten die Haare gekämmt und saubere Unterhosen an. Auf den Traversen tummelte sich selbstverständlich nicht die Jugend der Welt. Vierundvierzigjährige Berliner Rock`n Roller Bierbäuche, wenig Haare, einige sangen vorm Spiel, der BFC muss in die Bundesliga rein, denn die Oberliga ist zu klein. Die Prenzelberger Schwaben sowieso alle lieb. In der Straßenbahn tote Hose, aus Spaß hab ich laut „Nächste Station Sowjetunion!“ gebrüllt. Grad ein verirrter Neuköllner Hipster zuckte zusammen…" Mein Holländer hob die Augenbrauen und stellt seine Einkaufstüten ab.

"Frank! Den Aufstieg in die Regionalliga packt der BFC nie. Ich wette drei Kilo heilkräftigstes, holländisches Haschischhuhn dagegen! Obwohl, die haben diesen netten Holländer gekauft. Vielleicht geht doch was? Gehen wir mal nach Hohenschönhausen Ghettotown? Holländerfußball gucken, der ist ja sogar halbschwarz. Der BFC ist für Überraschungen gut. Na, lassen wir uns ma überraschen, wa?"

Mein niederländischer Freund  nahm seine zwei Jungs an die Hand, die kleinen Biester schauten mich erwartungsfroh an. Ich brüllte Rotterdam. Sie brüllten zurück Hooligans. Wir vier grinsten rüber zu Oma Biallas. Die schaute uns böse an und verschloss geräuschvoll ihr Fenster.

In der Woche vorm Spiel spendierte der BFC nach der Pressekonferenz Steak mit Pommes und Salat am Hackeschen Markt. Ich nahm es schön blutig. Man möchte ja ein Gefühl für die Wirklichkeit entwickeln. Die Pressekonferenz ungewöhnlich gut besucht. Der sympathische BFC-Trainer Volkan Uluc zeigte siebzehn hungrigen männlichen Journalisten und einer weiblichen Journalistin seine schöne Glatze. Dann sagte er, was auf einer PK so gesagt wird.

Wochenend und Sonnenschein. 1. Runde im DFB-Pokal. Schaulaufen. Nächste Woche wartet der graue Alltag auf den BFC. Vorwärts Strausberg, Traktor Altlüdersdorf & Co.

BFC Dynamo Berlin: Friedlich bis sportlich fair ging am Sonntag das Spiel über die Bühne

Auf allen Plätzen keimte Hoffnung, die Kleinen würden den Großen die Show vermasseln. Friedlich bis sportlich fair ging am Sonntag das Spiel über die Bühne. Der BFC kann auch anders, das Konzept der positiven Köpfe im Verein ging erstmals auf. Fast 10.000 Zuschauer. Geile Fußballstimmung. Relativ teure Eintrittskarten schienen viele Schubsviecher und Rummelplatzschläger vom Stadionbesuch abgehalten zu haben. Die Selbstkontrolle funktionierte, Fans mit dicken Armen hielten neuralgische Punkte besetzt. Man weiß ja nie, ob der Schutzmann immer ganz bei der Sache ist.

Die Tante aus dem Westen und die Köpenicker Freunde vom 1. FC Union ballerten sich erfolgreich in die zweite Runde des DFB-Pokal. Im traditionell klammen Berlin ist jede Geldspritze willkommen. Vielleicht spielen sie ja in der nächsten Runde den Stadtpokal aus? Was für ein Spaß! Hoffentlich hat Hertha Heimrecht, ins Olympiastadion passen ein paar mehr Berliner mehr. Außerdem weiß Hertha gar nicht, wie gewinnen zu Hause gegen Union geht. Wenn man dann noch als kleines Dankeschön die 9000 BFC-Fans vom Wochenende einladen könnte? Die werden ganz brav im neutralen Block sitzen und mit hohem Sachverstand dem Spielgeschehen folgen.

Fußball ist wirklich zivilisierter geworden. Außer bei Babelsberg vs. Lok Leipzig, Jena vs. HSV, Darmstadt vs. Mönchengladbach, Trier vs. Köln und Saarbrücken vs. Bremen.  Am Wochenende gab’s wieder dickeirige Männerhorden zu bewundern, die wegen eines Stücks Fahne und der regionalen Bindung an einen Fußballclub mit Inbrunst ihre Hirnkästen gegen Stahlkappenschuhe hielten. Das ist wahre Liebe. In den Hirnkästen regiert der Große Bummbumm-Vogel. Auf keinen Fall zu verwechseln mit dem Kleinen Bumms-Vogel. Der Pokal. Klein gegen Groß.

1980 standen sich das Große Jena und die kleinen Erfurter im Endspiel des FDGB-Pokal im Stadion der Weltjugend zu Ostberlin gegenüber. Jena vernichtete die pummligen Westthüringer. Nach dem Spiel trampelten die feiernden blaugelbweißen Massen stolz wie Bolle zur S-Bahn. Ihnen dicht auf den Fersen die vereinigten Janitscharenheere von Erfurt, Union und dem BFC. Wahrscheinlich waren auch einige Herthafrösche anlässlich der grandiosen Sause über die Mauer gehopst. Jedenfalls gab’s ordentlich Backpfeifen. An etlichen Mittagstischen konnte am Montag das Essen vom Familienvorstand nur gelutscht genossen werden. Von der Weidendammer Brücke, die seit dem 17.Jahrhundert über die Spree führt, fielen Jenenser in die Spree. Es wurde darauf geachtet, dass keiner von ihnen ertrank. In den guten, alten Zeiten.

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