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Hübsches in Babelsberg.

© Frank Willmann

Willmanns Kolumne: Winter in Babelsberg

Der Frühling in Babelsberg ist ein fußballerischer Winter, hat unser Kolumnist Frank Willmann festgestellt. Ein aufschlussreicher Ortstermin beim abstiegsbedrohten Drittligisten.

Die Fußballsaison 2012/13 röchelt die letzten Meter bis zur Ziellinie. Bayern und Dortmund machen die Bundesliga langweilig. Auf seiner Insel kauert der Engländer voll Angst vor einfallenden Germanenhorden, in der dritten deutschen Liga fürchtet man den möglichen Aufsteiger Großer Dosenbruder Leipzig. Die vierte Liga hingegen will RB Leipzig ganz schnell verschwinden sehen, weil die teuer eingekaufte Profitruppe alle zarten Pflänzchen ostdeutscher Wegesränder am Keimen hindert.

Als ich letzte Woche den berechnenden Bauchmenschen Uli Hoeneß in Halle als Vision fühlte, hatte ich ganz vergessen, ihn zu fragen, was aus den Leipziger Reitern der Fußballapokalypse werden würde. Ob sie auch vom Füllhorn profitieren, das der reuige Steuerbetrüger Uli über den Ostfußball auszuschütten gedenkt?

Eigentlich soll man sich vor Geistern fürchten. Ich hatte ein wenig Uliangst und fuhr deshalb mit Geleitschutz nach Babelsberg, um die dort ansässigen Babelszwerge bei ihrem heroischen Abstiegskampf zu beäugen. Vorm Stadion stand genau ein Polizeiwagen. Wacker Burghausen war zu Gast, laut Fanbanner der Verein der geplatzten Träume. Im Stadion ein Babelsberger Spruchband, das gegen Zwangsräumungen aller Art aufrief. Wetter, Wurst und Schnitzel waren gut, unser Frühlingsausflug ins Blaue Babelsberg stand unter einem guten Stern.

Glaubt man dem Secret Footballer, sind die schrecklichsten Plagegeister des englischen Fußballs die Fans des englischen Fußballs. In seiner kürzlich erschienenen Dichtung Ein Premier-League-Profi packt aus lässt The Secret Footballer sehr wenig gute Haare auf dem neandertalesken Schädel der englischen Fankultur. Die Fans bereiten mit ihren Pöbeleien den Nährboden für Homophobie und Rassismus. Nur aus Angst vor Fan-Reaktionen würden sich schwule Fußballer nicht outen. Ich war schon ein wenig überrascht von den anonymen Ausführungen. Der rückständige Fan als Blockade? Gerade in England ist der Fußball inzwischen eine Angelegenheit des Mittelstands. Der Kurvenpöbel von einst ist brav geworden oder schaut sich die Spiele seines Lieblingsklubs seit langem im Pub an, da ihm die Eintrittspreise unbezahlbar sind. Lässt nun die Tatsache der Anhängerschaft die Bourgeoisie auf das Niveau von Einfaltspinseln schrumpfen?

Direkt nach den Fans kommen in der Beschissenheitsskala des geheim dichtenden Fußballstars die Boulevardmedien, welche im Auftrag des schlechten Gouts charakterlose Botschaften aus den besudelten Unterhosen des angelsächsischen Fußballs senden.

Da lob ich mal die Babelsberger Fans, die sich schon lange gegen Homophobie und Rassismus engagieren. Leider haben diese fortschrittlichen Gedanken die eigene Mannschaft nicht zu Höchstleistungen motivieren können. Der Frühling in Babelsberg ist ein fußballerischer Winter. Gegen die bayerische Spitzenmannschaft aus Burghausen verlor Babelsberg im heimischen Karli mit 0:4. Die letzten drei Tore gegen die Blauen schoss Burghausen in Unterzahl. Obwohl die Babelsbergfans ihr Team hin und wieder galant mit Los jetzt hier! nach vorn zu peitschten versuchten, glich die Mannschaft um Trainer Civa einer Herde Schafe, die vom Fußball so viel verstehen wie eine Rindviech vom Fliegen. Ich hoffe ihr Vegetarier, Veganer und Fruganer im Babelsberger Fanlager verzeiht mir dieses fast urmenschliche Gleichnis. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird Babelsberg nun in den Hitkeller der Regionalliga versetzt, um neben Carl Zeiss Jena, Lok Leipzig und dem 1. FC Magdeburg zu schmoren.

Der Rindviechvergleich ist ein schöner Übergang zu Schalke 04. Herr Tönnies wacht im Revier über die blauweißen Holzfällersteaks und Blutwürste.

Eigentlich wollten wir in Babelsberg anlässlich des vorletzten Spieltages der Bundesliga eine Kneipe mit unserer Anwesenheit garnieren. Da aber der Bezahlsender Sky, laut Aussage ehemals Sky-zeigender Wirte, mittlerweile unverschämte Preise für das Zeigen von Sky verlange, zeigten die meisten Babelsberger Wirte nun kein Sky mehr. Fantastische 5000 Euro solle eine zweizimmrige Kneipe an Sky abdrücken, wie uns der Wirt niedergeschlagen verriet. Nur in der Bowlingbahn soll noch was laufen. Bowlingbahn? Ach nö, dann lieber ab in eine lauschige Schalkekneipe ins  nahe Berlin-Wilmersdorf. Im ehemaligen Westberlin hatte man Sky noch lieb. Im lauschigen Partykeller standen die blau weiß eingekleideten Knappenfans stramm. Und hatten nach der unnötigen Heimniederlage allerlei zu wimmern. Immerhin bot der Fußballkeller einigen grundsauberen Konfirmanden die Flucht vor ihren oben Kaffee und Kuchen schluckenden Familien. Sie saßen unter uns, öffneten die Knöpfe ihren Oberhemden und erfreuten sich nach der öden Tortur ihres Daseins. Infolgedessen war der Fußball am Samstag zu etwas nütze.

- The Secret Footballer: Ein Premier-League-Profi packt aus, Verlag Die Werkstatt, Göttingen 2013, 208 Seiten, 12,90 Euro

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