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Fäuste im Nacken. Die Frankfurter Spieler wurden zuletzt von den eigenen Fans angefeindet; hier qualmt der Eintracht-Block beim 0:3 in Mainz am Sonnabend.

© dapd

Eintracht Frankfurt: Zwischen Trotz und Flucht

Eintracht Frankfurt durchlebt die schlimmste Krise seit dem Wiederaufstieg 2005. Eine klare Linie im Umgang mit seinen gewaltbereiteren Fans hat der Klub nicht.

Seit geraumer Zeit wird in der Nordwestkurve der Frankfurter Arena bei Eintracht-Heimspielen ein fragwürdiges Plakat geduldet. Aufschrift: „Kein Kick ohne Randale.“ Aufgehängt von den immer wieder latent gewaltbereiten Ultras, die nun sogar ein Novum in der Branche provoziert haben: Weder am Sonntag noch am Montag trainierten die Profis auf den sonnenüberfluteten Rasenplätzen am Stadion – Polizei und Sicherheitsdienste hatten aus Angst vor Übergriffen davon abgeraten. Immerhin: Weil der in die größte Krise seit dem Wiederaufstieg 2005 gelangte Klub nicht bereit ist, sich von eigenen Fans einschüchtern zu lassen, wird heute demonstrativ auf dem angestammten Terrain geübt. „Es stehen zwei Einheiten an, danach überlegen wir, ob wir ein Kurztrainingslager beziehen“, sagt der Vorstandsvorsitzende Heribert Bruchhagen. Was voraussichtlich ab morgen im fast drei Autostunden entfernten Bitburg geschehen soll. Man darf dies ruhig als Flucht vor einer neuen Form der Eskalation interpretieren, auch wenn es als sicher gilt, dass heute beim Training nichts passieren wird. „Gewalt ist keine Lösung“, insistiert Bruchhagen, „immer wenn der Misserfolg da ist, kommt es irgendwann zu Aktionen der Fans.“ Solche Maßnahmen seien „nicht erfreulich, aber inzwischen ein Teil der Bundesliga“.

Michael Gabriel, Leiter der in Frankfurt ansässigen Koordinationsstelle Fanprojekte und selbst Eintracht-Fan, beobachtet die Lage mit größerer Sorge. „Die sportliche Situation in Frankfurt hat sich existenziell zugespitzt: Wut und Enttäuschung suchen sich ein Ventil“, sagt Gabriel. „Aber: Durch solche Aktionen wird der Fußball und die Bedeutung der eigenen Gruppe maßlos überhöht. Die Leute haben verlernt, dass Fußball nur ein Spiel ist, bei dem es zwangsläufig immer Gewinner und Verlierer gibt.“

Die ohnehin als Risikospiel eingestufte Heimpartie gegen den 1. FC Köln trägt am Samstag eine fast schon explosive Endzeitstimmung in sich, der selbst der verpflichtete Starkredner Christoph Daum kaum mehr etwas entgegenzusetzen weiß. Der Notretter hat mit seinem Aktionismus wenig bewirkt – drei Punkte aus fünf Spielen sind gemessen an seinen Ankündigungen ein Armutszeugnis. Dass der 57 Jahre alte Trainer am Saisonende wieder in seine Villa in Köln-Hahnwald zurückgeht, steht so gut wie fest. Aber auch Bruchhagen gerät intern in die Schusslinie. Von Rücktritt will er nicht reden, „es handelt sich um Bundesliga-Fußball, da haut man nicht einfach so ab“. Der 62-jährige Vereinschef nennt sich gleichwohl selbst einen „Hauptverantwortlichen“.

Die Ultras wehren sich massiv gegen den Vorwurf, die jüngste Konfrontation am Samstag vor der Arena mit der Polizei angezettelt zu haben. Der Warnschuss eines Beamten sei unverhältnismäßig gewesen, heißt es auf ihrer Internetseite. Die Frankfurter Ultra-Gruppierung gilt als die mächtigste in der Liga. Die Vereinsführung hat die Freiräume der keinesfalls homogenen Vereinigung, in der auch Hooligans gerne unterschlüpfen, nie wirklich beschnitten. „Die Anhänger sind oft sehr jung, hier findet sich eine jugendliche Subkultur, die ihren Mitgliedern ein hohes Wertschätzungs- und Anerkennungspotenzial bietet“, sagt Gabriel. Und sei es mit geschmacklosen oder gewalttätigen Aktionen. Zum Beispiel mit dem Video „Pfalzüberfall 2010 – Schlachtfest in Kaiserslautern“ im Oktober 2010 oder im März dieses Jahres mit dem Angriff auf eine S-Bahn vor dem Heimspiel gegen Kaiserslautern. Der Eintracht droht vermutlich bald eine Platzsperre.

Heute hält der Klub eine turnusgemäße Vorstandssitzung zu all den Fragen ab – zuvor soll sich auch der ansonsten so redselige Fanbeauftragte Marc Francis öffentlich nicht äußern. In der aktuellen Atmosphäre vielleicht ratsam.

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