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Machtbewusst: Martin Schulz.

© picture alliance / dpa

Das EU-Parlament wählt einen neuen Präsidenten: Dritte Amtszeit für Martin Schulz? Die CDU tobt

Brüssel spekuliert über eine weitere Amtszeit des SPD-Manns Martin Schulz als Parlamentspräsident. Die CDU ist verärgert. Aber Angela Merkel will, dass Schulz nicht nach Berlin kommt.

Bis zur Halbzeitpause ist noch mehr als ein Jahr Zeit, doch schon jetzt wird über mögliche Einwechselungen spekuliert: Am 17. Januar 2017 wird das Europaparlament einen Präsidenten für die zweite Hälfte der Legislaturperiode wählen. Offiziell ist es ganz einfach: Christ- und Sozialdemokraten, die eine große Koalition bilden und Jean-Claude Juncker als EU-Kommissionschef stützen, haben Arbeitsteilung vereinbart. In den ersten zweieinhalb Jahren kommt SPD-Mann Martin Schulz zum Zug, der der Volksvertretung damit als erster Abgeordneter fünf Jahre am Stück vorsteht. Anschließend soll jemand aus der Europäischen Volkspartei (EVP) übernehmen. Intern Interesse bekundet hat bereits Antonio Tajani, der frühere EU-Industriekommissar aus Italien. Auch zwei Finanzexperten der Partei – der Franzose Alain Lamassoure und der Österreicher Othmar Karas – sollen Chancen haben.

Inoffiziell ist die Lage komplizierter. Interessierte Kreise in Brüssel bringen derzeit eine dritte Halbzeit für Schulz ins Gespräch – entgegen aller Absprachen. Der Mann aus Würselen, im Frühjahr mit dem Aachener Karlspreis für Verdienste um eine stärkere Sichtbarkeit des Europaparlaments ausgezeichnet, verweigert jede Festlegung dazu. „Das ist bei uns noch kein Thema“, heißt es in seinem Team, „das sind ja schließlich noch 15 Monate hin.“ Dass Schulz Lust verspüren könnte, wieder als einfacher Abgeordneter zu arbeiten, darf als ausgeschlossen gelten.

Juncker braucht Schulz

Manches deutet darauf hin, dass Juncker als Schulz’ mächtigster Advokat auftritt. So sagen zwei EVP-Abgeordnete unabhängig voneinander, dass der Kommissionschef trotz christdemokratischen Parteibuchs hinter den Kulissen für den Sozialdemokraten Schulz wirbt. „Juncker hat großes Interesse, dass Schulz bleibt“, sagt der eine, „Juncker will einen dritten Schulz“, der andere. Wer sich in der Brüsseler Behörde umhorcht, hört nichts anderes: „Er ist ein sehr politischer Präsident, der die große Koalition im Parlament gut organisiert und Ergebnisse liefert“, heißt es da: „Es gibt schon eine gewisse Unterstützung für eine dritte Amtszeit.“

Juncker und Schulz sind sich spätestens seit ihrem Spitzenkandidatenduell bei der Europawahl 2014 freundschaftlich verbunden. Beide bilden zusammen mit EVP-Fraktionschef Manfred Weber (CSU), dem sozialdemokratischen Kommissionsvize Frans Timmermans und dem Italiener Gianni Pittella als Fraktionschef der Genossen den fünfköpfigen Koalitionsausschuss, der die wichtigsten Fragen vorentscheidet. Schon lange wird in deutschen Unionszirkeln gelästert, der Bayer Weber sei in dieser Runde der einzige Christdemokrat, weil Juncker vielen CDU-Leuten zu sozialdemokratisch ist.

Entsprechend ungehalten reagieren viele Abgeordnete. „Ich gehöre zu denen, die wollen, dass die Vereinbarung vom Beginn der Legislaturperiode auch eingehalten wird“, sagt der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber. Das impliziert, dass es parteiintern auch andere Stimmen gibt, da es die Arbeit der Koalition erschweren könnte, wenn neben dem Kommissionschef und dem Ratspräsidenten auch das dritte EU-Spitzenamt in EVP-Händen wäre. Davon will aber auch die Heidenheimer CDU-Frau Inge Gräßle nichts wissen: „Es ist nicht an Herrn Juncker zu bestimmen, wer Parlamentspräsident wird.“

Sauer stößt vielen Unionisten auf, dass ausgerechnet ihre Parteichefin als Schulz- Fan dargestellt wird. So wird in der EU- Kommission darauf verwiesen, wie Angela Merkel bei ihrem Auftritt in Straßburg am Mittwoch diesen für sein schnelles Handeln in der Flüchtlingskrise lobte. Der Abgeordnete Werner Langen hält das für Stimmungsmache: „Frau Merkel wird sich in dieser Frage heraushalten, und die EVP wird einen eigenen Kandidaten aufstellen“, sagt er: „Ich halte eine Wiederwahl von Schulz für ausgeschlossen.“ Ein anderer ist sich da nicht so sicher: „Will Angela Merkel 2017 den Schulz in Berlin haben? Eher nicht – deshalb braucht er ein Amt in Brüssel.“

Der Text erschien in der "Agenda" vom 13. Oktober 2015 - einer Publikation des Tagesspiegels, die jeden Dienstag erscheint. Die aktuelle Ausgabe können Sie im E-Paper des Tagesspiegels lesen.

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