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Der Bundestag - nur wer reinkommt, ist drin

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Eintritt ins Parlament: Der Bundestag hält geheim, welche Lobbyisten er hineinlässt

Bundestagsausweise sind kostbar für Vertreter von Firmen und Verbänden, sie ermöglichen direkten Zugang zu den Abgeordneten – wer sie bekommt, soll allerdings geheim bleiben. Grund: Über fast 1000 Zutrittsberechtigte entscheiden die Fraktionen selbst.

Wer Lobbyismus machen will, muss erst mal in die Lobby kommen. Die Wandelhalle vor den Parlamentsgebäuden war mal der klassische Treffpunkt zwischen Repräsentanten und Interessenvertretern. Heute ist es dort längst zu eng geworden. Mehr als zweitausend Verbände haben sich mit ihren wichtigsten Vertretern beim Bundestag registrieren lassen. Trotzdem: Kontakte sind Silber, Zugang ist Gold. Lobbyismus braucht das persönliche Gespräch. Überzeugen ohne eigenen Auftritt ist schwer. Wer etwas auf sich und seine Interessen hält, hat deshalb einen Hausausweis in der Tasche, Kategorie Grün. Er berechtigt zum Eintritt in alle zugehörigen Gebäude, ohne Formalitäten und Sicherheitskontrolle. Blau sind Fraktionsmitarbeiter, Gelb die Mannschaften aus den Ministerien, Orange Lieferanten und Techniker, Rot die Medien. Grün, das sind all die, deren Jobs nicht unter die anderen Farben fallen. 16.600 Hausausweise sind im Umlauf, 2280 gingen 2014 an Lobbyisten.

Wer sind diese Leute? Wen vertreten sie? Vor allem: Wie kamen sie herein? Fragen, die sich Rechercheure von abgeordnetenwatch.de stellen, einem Netzportal, das sich der Aufklärung über den Parlamentsbetrieb verschrieben hat. "Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Anrecht darauf zu erfahren, welche Lobbyisten auf Einladung der Fraktionen im Bundestag ein und aus gehen", sagt abgeordnetenwatch.de-Geschäftsführer Gregor Hackmack. Weil Antworten trotz Hinweis auf das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) ausblieben, beauftragte das Portal die Berliner Rechtsanwältin Katja Pink mit einer Klage. Die Juristin hatte vor drei Jahren die Herausgabe der Gästeliste erstritten, als Kanzlerin Angela Merkel für den ehemaligen Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann ein Geburtstagsessen ausrichtete. Pink rügt eine "doppelbödige Verfahrensgestaltung für die Dunkelmänner unter den Lobbyisten", die ein "beschämender Transparenzbetrug und Vertrauensmissbrauch am Bürger" sei.

Ein Verfahren führt durch die Vordertür, eins durch die Hintertür

Doppelbödig, das trifft es wohl. Ein Verfahren führt durch die Vordertür, eines durch die Hintertür ins hohe Haus. Laut Geschäftsordnung des Bundestags sollen Hausausweise nur ausgestellt werden, wenn sich die Verbände in das von Bundestagspräsident Norbert Lammert geführte öffentliche Verzeichnis eintragen lassen. Alles Nötige dafür hat der Bundestag auf seiner Website veröffentlicht. Allerdings können auch nicht öffentlich registrierte Lobbyisten hinein. Dafür muss ein Parlamentarischer Geschäftsführer einer Fraktion den Zugang ausdrücklich befürworten. Mit dessen Unterschrift sollen die Interessenvertreter nachweisen, dass sie die Bundestagsgebäude "nicht zuletzt im Interesse des Parlaments häufig aufsuchen müssen".

Die vielsagende Regelung findet sich jedoch nicht auf den Webseiten des Bundestags. Es handelt sich um einen Abschnitt der "Zugangs- und Verhaltensregeln", den der Ältestenrat als Ergänzung der Hausordnung per Beschluss 2011 neu gefasst hatte. Diese "sind und werden nicht veröffentlicht", bekundet der Bundestag fast trotzig, Begründung: keine. Bekannt ist bisher nur, dass im vergangenen Jahr insgesamt 1350 Hausausweise für die Vordertür erteilt wurden und 930 für die Hintertür. Von welchen Verbänden die Hintertür-Hundertschaften geschickt werden, darf niemand wissen. Denn dann, meint die Bundestagsverwaltung, könnten Rückschlüsse gezogen werden, welche Fraktionsgeschäftsführer für welche Lobbyisten votierten.

Grüne und Links sagen, wer einen Ausweis kriegt

Union und SPD selbst halten sich ebenfalls bedeckt. Linke und Grüne machen seit dem vergangenen Jahr transparent, wer über ihre Fraktionen einen Hausausweis bekommen hat. "Ich weise mittlerweile alle Verbände darauf hin, dass ich ihren Antrag auf einen Hausausweis nur dann befürworte, wenn sie mit der Veröffentlichung einverstanden sind", sagt die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag, Britta Haßelmann. "Niemand hat die Bitte daraufhin zurückgezogen." Dass SPD und Union sich nach wie vor weigern, diese Informationen öffentlich zu machen, findet Haßelmann ärgerlich. "Ich kann nicht verstehen, warum SPD und Union da blocken", sagt die Grünen-Politikerin. Sie ist überzeugt, dass mehr Transparenz an der Stelle auch den Lobbyisten nutzen könnte. "Das kann doch auch ein Schutz sein."

Die Opposition fordert zudem ein verbindliches Register für Lobbyverbände. Der Eintrag in die Lammert-Liste ist bisher freiwillig. In Brüssel sei das ganz normal, sagt Haßelmann mit Verweis auf entsprechende Regelungen des Europaparlaments. Die Grünen haben für knapp 30 Verbände Hausausweise befürwortet, darunter die Umwelthilfe und der Paritätische Wohlfahrtsverband, aber auch ein Unternehmen wie die Metro AG. Die Linken geben vier Institutionen an, mit Begründung, etwa die IG Bau-Agrar-Umwelt, weil sie die Putzleute im Bundestag vertritt.

Noch in diesem Jahr will das Berliner Verwaltungsgericht über die Klage von abgeordnetenwatch.de entscheiden. Sollte sie Erfolg haben, müsste sich auch die Koalition outen. Die Chancen dafür stehen gut. Zwar meint die Bundestagsverwaltung, dass solche Auskünfte aufgrund der Einschaltung der Parlamentarischen Geschäftsführer eine parlamentarische Angelegenheit sei, während sich das Informationsfreiheitsgesetz nur auf behördliche Auskünfte beziehe. Allerdings, argumentiert Anwältin Pink, nehme Lammert "in Ausübung des Hausrechts eine öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgabe wahr", wenn er die Ausweise ausstelle. Denn am Schluss entscheidet er als Präsident des Hauses darüber, wenngleich noch kein Antrag über den Fraktionsweg abgelehnt wurde.

Bisher konterkariert der Ältestenratsbeschluss die vom Verbänderegister gewollte Transparenz. Mit ihm wird die Erteilung der Lobbyisten-Ausweise von einer Verwaltungsfrage zur Parlamentsfrage umdefiniert, die vor IFG-Auskünften geschützt sein soll. War dies eine tiefere Absicht, die dahinterstand?

Die Bundestagsverwaltung betont, man habe die Zahl der Lobby-Ausweise begrenzen wollen – und spart ansonsten mit Auskünften. Sie meint, alles verschweigen zu dürfen, was parlamentarische Dinge betrifft. Dabei kreuzen diese sich öfter mit den Verwaltungsaufgaben, die der Bundestag als Behörde wahrzunehmen hat. Auch der Tagesspiegel führt deshalb verschiedene Klagen vor den Verwaltungsgerichten auf mehr Transparenz, etwa zu Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags, zu Strafverfahren und Immunitätsaufhebungen bei Abgeordneten sowie zu Informationen über Ausschusssitzungen. "Es ist an der Zeit, dass der Schutz des parlamentarischen Bereichs gegenüber Transparenzanforderungen auf das sachangemessene Niveau zurückgeführt wird", fordert der Freiburger Juraprofessor und IFG-Experte Friedrich Schoch. Wie es aussieht, will der Bundestag davon nichts wissen. Mitarbeit: Cordula Eubel

Dieser Text erschien in Agenda, dem Politik-Journal des Tagesspiegels.

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