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Rolf Schulten/imageBROKER

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Hochschulenrektorenkonferenz: Wer spricht für die Universitäten?

Die Hochschulrektorenkonferenz will "die Stimme" ihrer Mitglieder sein. Doch die ausgegründeten "Clubs" der Unis machen ihr Konkurrenz.

Als "Stimme der Hochschulen" bezeichnet sich die Hochschulrektorenkonferenz (HRK). Ihr Auftrag: Sie soll den Willen der 268 Hochschulpräsidenten und -rektoren bündeln und gegenüber der Politik viel davon durchsetzen. Doch wann hat sie diese Aufgabe zuletzt überzeugend erfüllt? Längst lästern Professoren über die "Stimmen der Hochschulen", denn in der HRK haben sich immer neue Unterclubs gebildet: Hochschulen, die für sich selbst bei der Politik vorsprechen. Weitere Schismen drohen. Und während die Hochschulen wegen der Schuldenbremsen der Länder mitten im Studierendenhoch vor neuen Sparrunden stehen, gilt der HRK-Chef als schwach. Die HRK, die Anfang dieser Woche ihre Jahresversammlung in Berlin abhält, wirkt zahnlos.

Gegründet wurde die HRK 1949 als Westdeutsche Rektorenkonferenz (WRK), mit der Aufnahme der ostdeutschen Hochschulen ab 1990 erfolgte die Umbenennung. Mit Bundes- und Ländermitteln in Höhe von 4,3 Millionen Euro jährlich gefördert, soll sie die Mitgliedshochschulen auch bei der Umsetzung von Reformen beraten und die Qualität von Lehre und Studium sichern.

Ihre goldenen Zeiten verbinden viele mit dem 2014 verstorbenen Politikwissenschaftler Klaus Landfried, der die HRK von 1997 bis 2003 führte, und mit seinem Vorgänger Hans-Uwe Erichsen, der 1990 antrat. In ihre Amtszeiten fielen große Reformen wie die Einführung von Bachelor und Master, der leistungsbasierten Hochschulfinanzierung und eine Leistungsvergütung auch für die Professoren. So umstritten diese Maßnahmen bis heute sind: Die HRK hat sie gemeinsam mit den Wissenschaftsministern durchgesetzt, sagen Kenner. Über alle Grenzen des Föderalismus hinweg, der die Hochschulen so eng mit ihren Sitzländern verbindet.

Der HRK-Chef gilt als "oft lautstark, aber nicht stark"

Amtsinhaber Horst Hippler ist weniger populär. Viele verbinden die Krise der HRK sogar mit seiner Person. Hippler gilt als "oft lautstark, aber nicht stark". 2012 trat er das Amt als mächtiger Uni-Chef an. Hippler war Präsident der Uni Karlsruhe, die 2006 mit einem Helmholtz-Zentrum zum Karlsruher Institut für Technologie verschmolz. Und Gründungsvorsitzender des Clubs der "TU9". Damit hatten sich "neun führende Technische Universitäten" zusammengetan, um an der HRK vorbei "den Kontakt zu Entscheidern aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu halten". Dass einer HRK-Chef wird, der seinen Hochschultyp nicht mehr durch die HRK vertreten sieht: Damit hatten die großen Unis kein Problem, standen sie doch zum Wahltermin 2012 kurz davor, einen weiteren Club zu gründen – die "German U15" der großen forschungsstarken und medizinführenden Universitäten. So setzte man Hippler knapp gegen die mittleren und kleinen Unis sowie die Fachhochschulen und Musikhochschulen durch. Aber bald kam es zu offenem Streit. In einem Brandbrief warnte ein Rektor vor der "Kannibalisierung" durch "Clubs und Kartelle". Die HRK-Mitglieder gelobten, fortan gemeinsam für eine bessere Grundfinanzierung einzutreten.

Trotzdem muss Hippler mit weiteren Zentrifugalkräften ringen. Die Fachhochschulen fordern das Promotionsrecht, verstehen sich als "Universities of Applied Sciences" – und betreiben eigene Clubs: die "UAS7" und die "HAWtech", sechs "in den Ingenieurwissenschaften führende Hochschulen für angewandte Wissenschaften". Hippler weicht dem Streit nicht aus, verteidigt vehement das universitäre Promotionsprivileg. Kein Wunder, wenn die Fachhochschulen jetzt ihre Stimme in Berlin erheben wollen. Im Gespräch ist eine Berliner Geschäftsstelle der Landesrektorenkonferenzen, sagt Martin Sternberg, bis Februar Präsident der Hochschule Bochum und heute Leiter des NRW-Graduierteninstituts für angewandte Forschung. Eine Abspaltung von der HRK solle das nicht werden. Man wolle aber selber "das Ohr an die Schiene der Bundespolitik legen".

In Berlin ist die HRK gerade ins Palais am Bundesrat umgezogen

Die Vielstimmigkeit der HRK ist Hippler nicht allein anzulasten. Der Wandel weg vom Gießkannenprinzip, hin zu Leistungs- und Wettbewerbsverfahren führte zu einer Differenzierung der Hochschullandschaft. Das traditionell breite Feld der anerkannten Universitäten wurde zudem durch Rankings angespitzt. Die 2005 gestartete milliardenschwere Exzellenzinitiative tat ein Übriges. Deshalb kann Hippler zu Recht sagen, es sei "durch die Diversifizierung natürlich schwieriger geworden, als ,die’ Stimme der Hochschulen aufzutreten". Er will aber auch nur Themen vertreten, hinter denen er selbst steht. Die bedeutende Bologna-Reform gehörte nicht dazu. Im Alleingang stellte er gleich nach seinem Amtsantritt die mühsam etablierten Bachelor- und Masterstudiengänge infrage, anstatt den Hochschulen Impulse zur Verbesserung der Reform zu geben.

Von der Berliner Jahres- und Mitgliederversammlung ist wiederum nichts Großes zu erwarten: "Im Moment haben wir weniger Themen, um öffentlich aufzutreten", sagt Hippler. Geplant sei eine Stellungnahme zum "Pakt für den wissenschaftlichen Nachwuchs", dem geplanten Bund-Länder-Programm für 1000 zusätzliche Professuren. Dies werde den Hochschulen zwar helfen, aber nicht ihren dringenden Bedarf an Dauerstellen für Mitarbeiter in Technik, Infrastruktur und Wissenschaftsmanagement befriedigen. Doch viele Hochschulen würden das Geld trotzdem gerne nehmen. "Die Kritik wird also verhalten ausfallen", sagt Hippler.

Gleichwohl will "die Stimme der Hochschulen" nun vernehmbarer werden in Berlin. Unlängst ist das Berliner HRK-Büro ins Palais am Bundesrat umgezogen. Doch der längst fällige Schritt ins Machtzentrum wirkt seltsam unentschlossen. Denn die neuen Räume am Leipziger Platz werden sich sehr langsam füllen. Nur "frei werdende Stellen werden in Berlin besetzt", sagt Hippler. Das Umzugstempo bestimmen also die in der Bonner Geschäftsstelle ausscheidenden Pensionäre.

Der Text erschien in der "Agenda" vom 10. Mai 2016, einer Publikation des Tagesspiegels, die jeden Dienstag erscheint. Die aktuelle Ausgabe können Sie im E-Paper des Tagesspiegels lesen.

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